Nordrhein-Westfalen Grüne fordern Braunkohle-Stiftung

Düsseldorf · Ein bisher unbekanntes Milliardenrisiko bedroht die Landesfinanzen. Nach Ansicht von Experten übersteigen die absehbaren Folgekosten des Braunkohle-Tagebaus in Garzweiler, Hambach und Inden bei Weitem die Höhe der Rückstellungen, die der Betreiber RWE Power und dessen Mutterkonzern RWE dafür gebildet haben.

Es geht um die Folgekosten des Braunkohle-Tagebaus in Garzweiler, Hambach und Inden.

Es geht um die Folgekosten des Braunkohle-Tagebaus in Garzweiler, Hambach und Inden.

Foto: dpa, bt fpt cul

"Wenn der Energiekonzern für die Spätfolgen nicht aufkommen kann, haftet das Land", sagte der auf Bergrecht spezialisierte Anwalt Michael Terwiesche und verwies auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 1970 (Az.: III ZR 136/68).

Der Fraktionschef der Grünen im NRW-Landtag, Reiner Priggen, fordert deshalb eine Tagebau-Stiftung. "Wir brauchen eine Sicherstellung von Finanzmitteln für die Ewigkeitslasten der Braunkohle analog zur RAG-Stiftung für die Ewigkeitslasten der Steinkohle", sagte Priggen unserer Redaktion.

"Ewigkeitslasten" heißen die oft Generationen überdauernden Spätfolgen des Bergbaus. Dazu gehören das Abpumpen von Grubenwasser, die Reinigung des Grundwassers und die Entschädigung von Eigentümern, deren Häuser beschädigt wurden. NRW-Behörden erkennen jährlich Dutzende solcher Bergschäden an. Zur Finanzierung der Steinkohle-Ewigkeitslasten wurde 2007 die RAG-Stiftung gegründet. Derzeit beträgt deren Vermögen rund zwölf Milliarden Euro.

RWE: Summe sei "ausreichend sicher"

Für die Finanzierung der deutlich kleineren Tagebau-Ewigkeitslasten kommen die Betreiberfirmen direkt auf. Die 160 Quadratkilometer umfassenden Abbaufelder in NRW werden von RWE ausgebeutet. Für die Spätfolgen hat der Konzern nach eigenen Angaben 2,2 Milliarden Euro zurückgestellt. Die Summe sei "ausreichend sicher" und unterliege "ständiger Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer und Finanzverwaltung", erklärte RWE auf Anfrage. Sie werde "laufend an die aktuellen Verhältnisse angepasst". Die Höhe der Rückstellung sei Ergebnis von Kostenschätzungen, denen "Aussagen interner Experten und externer Gutachter und Erfahrungswerte" zugrunde lägen. Deren Offenlegung verweigert RWE allerdings.

"Das wundert mich nicht. Die Rückstellungen sind viel zu gering", sagte der Landesgeschäftsleiter beim Bund für Umwelt und Naturschutz, Dirk Jansen. Der Tagebau-Experte und Diplom-Geograf glaubt, dass für den NRW-Tagebau "mindestens fünf Milliarden Euro an Sicherheitsleistung in einen Fonds eingebracht werden müssten". In einem aktuellen Gutachten des "Forums ökologisch-soziale Marktwirtschaft" im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace ziehen die Autoren Daten zu den Sanierungskosten des ostdeutschen Tagebaus zum Vergleich heran. Allein für den Zeitraum 1992 bis 2017 betrügen die Folgekosten dort knapp 13 Milliarden Euro.

Die Gutachter warnen mit Blick auf den NRW-Tagebau vor den finanziellen Risiken einer Insolvenz der Betreibergesellschaft für den Steuerzahler, der dann für alle Folgekosten aufkommen müsste. "Dasselbe gilt für den Fall, dass die Muttergesellschaften insolvent gehen. Vor dem Hintergrund zuletzt gemeldeter Gewinneinbrüche bei der RWE AG ist auch ein solches Szenario nicht ausgeschlossen." Die Landesregierung selbst hat keine Kostenschätzung vorgenommen. Begründung: Beim Tagebau würden "keine bergbaubedingten sogenannten Ewigkeitslasten erwartet".

(tor)
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