Landeselternschaft Eltern kündigen G 8-Kompromiss auf

Düsseldorf · Der neue Vorsitzende der Landeselternschaft der Gymnasien will, dass mehr Schulen das Abitur nach acht und neun Jahren parallel anbieten. Die Kehrtwende widerspricht den Beschlüssen des runden Tischs.

Landeselternschaft: Eltern kündigen G 8-Kompromiss auf
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In den Streit um die Schulzeitverkürzung an den Gymnasien in NRW kommt neue Bewegung. Der neue Vorsitzende der Landeselternschaft, Ulrich Czygan, kritisierte den achtjährigen Bildungsgang (G 8) heftig. "Das derzeitige System überfordert zahlreiche Kinder", sagte Czygan unserer Redaktion. G 8 bedeute "weniger Zeit für die Vertiefung der Lerninhalte, weniger Zeit für Hobbys".

Bisher hatte die Landeselternschaft das "Turbo-Abitur" stets verteidigt und auch im November am runden Tisch von Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) dafür gestimmt, das System beizubehalten. Löhrmann verliert nun einen wichtigen Unterstützer im Bemühen, die Debatte durch die damals beschlossenen Entlastungen zu beruhigen.

Czygan forderte für mehr Schulen die Möglichkeit, den achtjährigen Bildungsgang parallel zum neunjährigen (G 9) anzubieten: "Rückmeldungen von Schulen, die ein solches Modell haben, zeigen, dass es geht." Sinnvoll, so Czygan, sei es zum Beispiel, "pro Jahrgang eine G 8-Turboklasse einzurichten und den Rest in G 9 laufenzulassen".

Der runde Tisch mit Politikern, Wissenschaftlern, Lehrern, Eltern und Schülern hatte über eine solche Parallellösung ebenfalls beraten, sie aber mehrheitlich verworfen. Sie sei mit "hohem organisatorischen Aufwand" verbunden, hieß es in der Zusammenfassung, könne aber zugleich dazu führen, dass etwa Schüler in einzelnen G 8-Klassen weniger Wahlmöglichkeiten hätten. Czygan sagte, sein Vorstoß widerspreche zwar den Empfehlungen des runden Tischs, "aber es ist die Meinung der Mehrheit der Eltern. Wenn wir wirklich Schule von unten machen wollen, müssen wir den Eltern und Kindern wieder besser zuhören."

Der runde Tisch hatte stattdessen empfohlen, Nachmittagsunterricht und Hausaufgaben zu reduzieren und die individuelle Förderung zu verbessern. Die Beschlüsse werden derzeit von Rot-Grün in Erlasse und Verordnungen umgesetzt.

Der 57-jährige Wittener Czygan, seit mehr als 30 Jahren Intensivpfleger an der Uniklinik Bochum und Vater von sechs Gymnasialkindern, war Ende Februar auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zum neuen Vorsitzenden der Landeselternschaft gewählt worden. Von Teilen des Verbands wird die Rechtmäßigkeit seiner Wahl angezweifelt; der interne Streit wird auch juristisch ausgetragen. Neben vereinsrechtlichen Fragen geht es um den Vorwurf, Czygans Vorgänger Ralf Leisner habe mit seiner Pro-G 8-Linie die Meinung der Eltern ignoriert. Die Landeselternschaft vertritt nach eigenen Angaben fast 500 Schulpflegschaften; in NRW gibt es gut 600 Gymnasien.

Leisner selbst zeigte sich entsetzt über den Schwenk. "Die Landeselternschaft hat lange dafür gearbeitet, als Verhandlungspartner ernst genommen zu werden - das ist jetzt gefährdet", sagte er: "Wenn Neuwahlen bedeuten, dass Abmachungen nicht eingehalten werden, ist das ein fatales Signal." Zudem sei die Mehrheit der Eltern noch gar nicht befragt worden.

Zustimmung kam von den Elterninitiativen. Er begrüße "die neue Offenheit", sagte der Sprecher von "G 9 jetzt", Marcus Hohenstein. Die Landeselternschaft habe jetzt "die Vertretung der Interessen der Eltern übernommen". Anja Nostadt von der Initiative "Gib 8" sagte, dass eine breite Mehrheit der Bürger G 9 wolle, mache sich auch bei der Landeselternschaft bemerkbar. Sie sei hoffnungsvoll, dass sich der neue Vorstand "von den Vorgaben der Landesregierung unabhängig" mache.

(RP)
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