Attentat vor einem Jahr in Köln Der schwierige Start von Henriette Reker

Köln · Vor einem Jahr wurde die damalige Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker bei einem Angriff schwer verletzt. Ihre Geschäfte nahm sie erst im November 2015 auf.

Köln: Henriette Reker tritt Amt als Oberbürgermeisterin an
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November 2015: Henriette Reker tritt Amt im Kölner Rathaus an

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Foto: dpa, ve fdt

Sie kommt gerade von einer Tagung aus Paris. Dort sind ihr die vielen schwerbewaffneten Sicherheitskräfte auf den Straßen und in öffentlichen Einrichtungen aufgefallen. "Das gibt der Stadt ein martialisches Gepräge", sagt Henriette Reker. Doch Sicherheit muss sein. Wer wüsste das besser als Kölns Oberbürgermeisterin?

Heute vor genau einem Jahr wurde die damalige Sozialdezernentin und OB-Kandidatin bei einer Wahlkampfveranstaltung von einem ultrarechten Fanatiker mit einem Messer lebensgefährlich am Hals verletzt. Davon, dass sie einen Tag später mit 52,7 Prozent zum neuen Oberhaupt der Domstadt gewählt wurde, hat sie zunächst gar nichts mitbekommen. Erst, nachdem sie aus dem künstlichen Koma erwacht war, erfuhr sie dies von ihrem Mann. Nach ihrer Genesung nahm sie am 21. November die Dienstgeschäfte im Rathaus auf. Erst dieses Datum zählt für die heute 59-Jährige als Beginn ihrer Aufgabe.

Personenschutz nur bei großen öffentlichen Veranstaltungen

Lange Zeit spürte Reker die Folgen des Attentats. Sie litt unter Schluckbeschwerden und Alpträumen. Inzwischen habe sie "keine Bewältigungsprobleme mehr", sagt sie. Personenschutz nimmt sie nur noch bei großen öffentlichen Veranstaltungen in Anspruch.

Henriette Reker hatte einen schwierigen Start als OB. Ihre Empfehlung kurz nach den Silvester-Übergriffen, Frauen sollten sich "weiter als eine Armlänge" von Männern entfernt halten, wurde als reichlich naiv gewertet. Ihre anfängliche Bemerkung, es gebe keine Hinweise, dass sich Menschen aus der "Flüchtlingsgruppe" unter den Tätern befunden hätten, nagte an ihrer Glaubwürdigkeit. Von dem Ausmaß der Ausschreitungen habe sie erst am 4. Januar erfahren, gab sie später im Untersuchungsausschuss des Landtags zu Protokoll.

Jene Silvesternacht hat dem Ruf der Stadt enorm geschadet. Doch Reker ist zuversichtlich: "Diese Wunde wird spätestens nach dem nächsten Silvester geschlossen sein." In Zusammenarbeit mit Polizei und Ordnungsdienst sei inzwischen "eine neue Sicherheitsarchitektur mit deutlich mehr Sicherheit insbesondere für Frauen und Mädchen geschaffen" worden. In der Stadt werde es "keine rechtsfreien Räume" mehr geben.

"Ich möchte nicht aufräumen, sondern ausräumen"

Im Wahlkampf hatte die parteilose Politikerin, die von CDU, Grünen und FDP unterstützt wurde und wird, versprochen, frischen Wind in die Stadtverwaltung zu bringen. "Ich möchte nicht aufräumen, sondern ausräumen", hatte sie beinahe drohend angekündigt. In den Köpfen der rund 17.000 Mitarbeiter müsse "Barrierefreiheit" herrschen; nötig seien klare Verantwortlichkeiten und schnellere Entscheidungen, hat sie nach ihrer Wahl betont.

Die Oberbürgermeisterin ist zugleich Chefin dieser Verwaltung. Was hat sie in den zurückliegenden Monaten unternommen? Als Nachfolger für den aus Altersgründen ausscheidenden Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD) hat sie den Düsseldorfer Dezernenten Stephan Keller (CDU) gewinnen können. Aus Düsseldorf holte sie auch die neue Verkehrsdezernentin Andrea Blome.

Hauptproblem Verwaltung

Ungleich schwerer als der Personalwechsel gestaltet sich offenbar der von Reker angestrebte Mentalitätswandel in der Verwaltung. Über manche Mitarbeiter denke sie: "Die kommen nur, um hier Schmerzensgeld zu bekommen", hat sie in einem Interview geklagt. In der Verwaltung herrsche keine Kultur des Vertrauens, sondern des Misstrauens. Sie kenne die Verwaltung seit fünf Jahren - "seitdem kann sie es nicht".

Mit ihrem Verdikt löste Reker erboste Reaktionen aus. Kritiker fragten, ob das der "neue Politikstil" sei, den sie angekündigt habe. Doch Reker lässt sich nicht von ihrem Ziel abbringen. Die in früheren Jahren festgefahrenen Verwaltungsstrukturen hätten "Schaden angerichtet, weil sie den Mitarbeitern keinen Freiraum und keine Verantwortung eingeräumt haben. Das wollen wir mit Hilfe eines internen Unternehmensberaters ändern", bekräftigt Reker. Und sie bleibt dabei: "Wir müssen das Tempo der Verwaltung erhöhen."

Reker will aber nicht nur Köln, sondern die gesamte Region nach vorne bringen. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit hatte sie eine "Städtepartnerschaft" mit Düsseldorf angeregt. Das sei, so Reker, "ein Stück weit ernst gemeint. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen Köln und Düsseldorf beiden Städten nützt. Die Reibereien in der Vergangenheit waren doch lächerlich."

(hüw)
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