Interview mit NRW-Ministerin Kampmann iPads schon für Kita-Kinder

Düsseldorf · NRW-Familienministerin Christina Kampmann spricht sich im Interview mit unserer Redaktion dafür aus, den kritischen Umgang mit den neuen Medien schon in Kitas einzuüben.

 Ministerin Christina Kampmann.

Ministerin Christina Kampmann.

Foto: Monika Skolimowska

Mit 36 Jahren ist Christina Kampmann das jüngste Kabinettmitglied in der NRW-Landesregierung, verantwortlich für das große Ressort Familie, Sport und Kultur. Darum arbeitet sie tagsüber an Projekten etwa zur Bekämpfung von Kinderarmut und ist abends in Kultureinrichtungen zu Gast.

Bevor Sie in die Politik gingen, haben Sie als Standesbeamtin in Bielefeld gearbeitet. Heute sind Sie Familienministerin - haben Sie etwas aus dieser Zeit mitgenommen?

Kampmann Ja, als Standesbeamtin habe ich einiges mitbekommen — ich habe damals ja auch Geburtsurkunden ausgestellt. Viel stärker noch hat mich aber meine Arbeit in einem Jobcenter geprägt. Obwohl ich wirklich nicht aus einem reichen Elternhaus komme, habe ich dort zum ersten Mal erlebt, was Armut bedeutet. Das war übrigens auch der Grund, warum ich in die SPD eingetreten bin — ich wollte strukturell etwas verändern.

Dazu haben Sie ja jetzt Gelegenheit. In NRW, insbesondere im Ruhrgebiet, nimmt die Armut weiter zu. Die Kinderarmut hat zuletzt stärker zugenommen als in den meisten anderen Bundesländern. Wie wollen Sie dem entgegenwirken?

Kampmann Es ist unglaublich beschämend, dass in solch einem reichen Land wie unserem so viele Kinder arm sind. Daher ist es sehr wichtig, dass wir möglichst viele und gute Betreuungsplätze schaffen, damit alleinerziehende Mütter und Väter arbeiten können. Langfristig erhoffen wir uns große Erfolge vom Projekt "Kein Kind zurücklassen"...

... bei dem es um bessere Zusammenarbeit in den Kommunen geht, damit lückenlose Präventionsketten gegen Kinderarmut entstehen ...

Kampmann ...erste Ergebnisse werden wir noch vor der Sommerpause veröffentlichen. Zudem denken wir darüber nach, die Betreuungszeiten in den Kitas auszuweiten, wobei schon jetzt viele Kitas vor acht oder nach 16 Uhr geöffnet haben.

Eltern sollen ihre Kinder noch länger als acht Stunden in Kitas betreuen lassen?

Kampmann Nein, es geht nicht um eine Ausweitung der Betreuung, sondern um mehr Flexibilität. Eine alleinerziehende Krankenschwester, die Schichtdienst hat, will ihr Kind nicht länger in die Kita bringen, sondern nur zu anderen Zeiten. Und überdies kennen alle berufstätigen Eltern das Problem, in einem Termin wie auf heißen Stühlen zu sitzen, weil die Kita gleich schließt.

Wie weit soll diese Flexibilisierung gehen - wollen Sie 24-Stunden-Kitas einführen?

Kampann Nein, das ist vorläufig nicht geplant, aber wir sollten es zumindest testen. Es gibt ein entsprechendes Förderprogramm des Bundes, an dem sich auch Kitas aus NRW beteiligen. In einigen Großstädten wird jeweils eine 24-Stunden-Kita öffnen, so können wir den Bedarf ermitteln. Wenn sich dann herausstellt, dass es ausreichend Nachfrage gibt, können wir über weitere nachdenken.

Kurz nach Ihrem Amtsantritt haben Sie eine Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiZ) angekündigt. Was muss sich in den Kitas denn außer den Öffnungszeiten verändern?

Kampmann Bei der Reform des KiBiZ stecken wir noch in den Anfängen. Wir prüfen gerade, welche Prioritäten zu setzen sind. Vor kurzem habe ich einen Familiengipfel mit allen betroffenen Gruppen einberufen, die Themen waren sehr vielfältig...

...als da wären?

Kampmann Es ging unter anderem um die Situation der Familien im digitalen Wandel. Ich kann mir gut vorstellen, dass Kitas mit Tablet-Computern arbeiten. Viele Zwei- oder Dreijährige sind ohnehin schon den Umgang mit dem Tablet gewohnt, wischen ganz selbstverständlich über den Screen.

Und diese Entwicklung wollen Sie verstärken? Muss es nicht eher darum gehen, diese Kindern einmal vom Computer wegzuholen?

Kampmann Das eine schließt das andere nicht aus. Es geht nicht etwa darum, den Wald-Spaziergang durch eine Wald-App zu ersetzen. Aber was spricht dagegen, ein Tablet mit in den Wald zu nehmen, um damit Vogelstimmen aufzunehmen oder Pflanzen zu bestimmen und später in der Kita darüber zu sprechen? Nebenbei eröffnet sich damit die Möglichkeit, schon im frühesten Kindesalter den kritischen Umgang mit diesen Medien einzuüben.

Eine Frage an Sie als Kulturministerin: Die starke Galeristen-, Kunstsammler- und Museumsszene in NRW ist besorgt wegen des im Bund geplanten Kulturgutschutzgesetzes, das Investitionen in Kunst unattraktiver machen könnte. Beschäftigt Sie das?

Kampmann Ja, es sind durchaus Sammler und Kunsthändler auf mich zugekommen. Es gibt bei diesem Gesetz große Unsicherheit über die konkreten Auswirkungen. Mein Ministerium steht mit Kulturstaatssekretärin Grütters in Kontakt und arbeitet an einer Lösung. Ich setze mich dafür ein, dass Sammler und Händler Planungssicherheit haben und wissen, wie das Gesetz angewandt wird. Vor allem die Dauerleihgaben an Museen und die vorübergehende Einfuhr etwa im Kunsthandel dürfen nicht behindert werden.

Ein weiterer Aufreger in der Kunstszene waren die Verkäufe wertvoller Werke aus dem Bestand der WestLB-Nachfolgebank Portigon. Wissen Sie, wie viele Stücke jetzt zur Versteigerung freigegeben werden und wie viele das Land über seine Stiftung ankaufen wird?

Kampmann Die Verhandlungen laufen noch, die Zahl steht noch nicht fest. Wir schauen uns an, welche Werke sich dafür eignen, dass die Stiftung sie übernimmt, um sie in Museen auszustellen. Endgültig wird darüber der dritte Runde Tisch nach Ostern entscheiden.

Das Land ist ja auch Mitgesellschafter des Düsseldorfer Schauspielhauses. Dort steht nun eine Kernsanierung an, bei derartigen Umbauten gibt es ja oft genug unliebsame Überraschungen. Wo liegt Ihre Schmerzgrenze bei der finanziellen Beteiligung an den Sanierungskosten?

Kampmann Das Land beteiligt sich zur Hälfte an der zurzeit laufenden Sanierung, am vorgesehenen Innenausbau ebenfalls. Doch der Masterplan steht noch aus, der die gesamte Maßnahme zunächst einmal einschätzen soll.

In früheren Zeiten einmal war das Kulturressort unmittelbar in der Staatskanzlei angesiedelt. Heute gehört es zum Familien- und Sportministerium dazu. Können Sie kulturellen Themen eigentlich die Aufmerksamkeit widmen, die ihnen als Aushängeschild von NRW gebühren?

Kampmann Die Kultur hat sehr großen Anteil an meiner Arbeit — auch was den Zeitaufwand betrifft (lacht): Zudem verbringe ich viele Stunden mit Ausstellungseröffnungen oder Theaterbesuchen und genieße das sehr. Im hektischen Arbeitsalltag gibt mir das die Gelegenheit, einmal innezuhalten. Kulturschaffende haben oft auch einen anderen Blick auf die Dinge. Ich liebe es, für die Kultur zuständig zu sein.

Mit Christina Kampmann sprachen Kirsten Bialdiga und Dorothee Krings.

(dok)
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