Interview mit Andreas Pinkwart "Ich bin digital im Kopf"

Düsseldorf · Der NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart spricht im Interview mit unserer Redaktion über Gründerförderung und sein Smartphone. Für die Digitalisierung des Landes fordert er einen Masterplan.

 "...dann können sich Berlin und München warm anziehen": Andreas Pinkwart.

"...dann können sich Berlin und München warm anziehen": Andreas Pinkwart.

Foto: Andreas Krebs

Andreas Pinkwart (FDP) ist nicht zum ersten Mal Minister. Von 2005 bis 2010 gehörte er dem NRW-Kabinett an, damals im Wissenschaftsressort. Im ersten Interview nach der Vereidigung sagt der neue Wirtschaftsminister, was er anders machen will. Und was nicht.

Wie lange mussten Sie nachdenken, in die Politik zurückzukehren?

Pinkwart FDP-Parteichef Christian Lindner rief mich am Mittwoch nach der NRW-Wahl an, um zu fragen, ob ich Wirtschafts- und Digitalminister in NRW werden wolle. Der Anruf erreichte mich in der Ukraine, wo ich gerade mit Sachsens früherem Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) war. Ich habe drei Tage lang überlegt, weil ich das auch mit meiner Frau und den Kindern sowie meinem Hochschulrat besprechen wollte.

Was ist attraktiver an der Politik als an Ihrer Position als Rektor der Handelshochschule Leipzig?

Pinkwart Beide Aufgaben haben mir viel Spaß gemacht. Ich habe damals aber schon gesagt, dass ich wiederkomme, wenn ich etwas bewegen kann.

Was können Sie aus der Wissenschaft für die Politik lernen?

Pinkwart Im Wissenschaftsmanagement lernt man, Dinge strategisch auszurichten, zu entwickeln und dran zu bleiben. Es ist nicht immer alles sofort zu erreichen, man braucht einen langen Atem — wie in der Politik. Gleichzeitig ging es darum, Wirtschaft und Wissenschaft besser zu vernetzen. Davon kann ich jetzt profitieren, insbesondere beim Thema Start-Ups.

Sie sind der erste NRW-Digitalminister. Wie digital sind Sie selbst?

Pinkwart Ich bin digital im Kopf. Ich habe ein Smartphone, aber ich bin nicht auf jedem Kanal. Das ist auch nicht entscheidend - im Gegenteil. Wer die Digitalisierung gestalten und einen Überblick behalten will, muss auf die richtigen Leute hören und durchschauen, was rund ums Internet passiert. Darauf kommt es an. Und das gilt übrigens nicht nur für den Digitalminister.

Das klingt wie ein Plädoyer für ein Schulfach "Medienkompetenz"...

Pinkwart Ja, wir brauchen mehr "Medienkompetenz". Schüler brauchen diese Fertigkeit, sie muss an den Schulen vermittelt werden. Um über gewisse Dinge nachzudenken, braucht man einen freien Kopf.

Wie wollen Sie die im Bundesvergleich unterentwickelte Gründerszene in NRW pushen?

Pinkwart Wir werden eine Exzellenzinitiative starten, um die Start-Up-Szene in den großen Städten Nordrhein-Westfalens zu einer einzigen Gründerregion zu verdichten. Wenn die Gründerszene in Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf als eine Region bei Investoren und Kunden wahrgenommen wird, dann können sich Berlin und München warm anziehen. Im Moment ist das noch ein Arbeitstitel ...

...und wie lautet der?

Pinkwart ABCD-Region nach den Anfangsbuchstaben der Städte (C für Cologne, Anm.d.Red.) Das heißt nicht, dass Start-Ups in anderen Städten hinten runterfallen. Aber wir müssen die Kompetenzen bündeln, wenn wir eine Gründerzeit in NRW ausrufen wollen. Das Silicon Valley ist ja vor allem deshalb so erfolgreich, weil die Gründer, Forscher und Investoren sich eng austauschen. Warum soll ein Rheinland Valley nicht möglich sein? Es gibt ja Beispiele: Der Street Scooter, das Elektro-Paketauto der Post, wurde von Aachener Forschern zusammen mit dem Bonner Konzern entwickelt. Davon brauchen wir mehr: Wir müssen die PS aus den Hochschulen auf die Straße bringen. Insbesondere durch Cluster und engere Vernetzung.

Das hat die Vorgängerregierung auch gesagt, was werden Sie also tun?

Pinkwart NRW hätte in den vergangenen Jahren mehr öffentliche Forschungsgelder abholen können. Bei der Anzahl der Max-Planck- und Helmholtz-Forschungsinstitute liegen wir unter dem, was dem bevölkerungsreichsten Bundesland eigentlich zusteht. Das werden wir ändern. Dabei sollte öffentliche Förderung stets offen sein für Kooperationen mit der Privatwirtschaft. Die Verwaltung soll nach unseren Plänen bis 2025 digitalisiert sein.

Sie wollen einen Masterplan für Digitalisierung. Wie viel kostet der?

Pinkwart Insgesamt haben wir überschlagen, dass rund sieben Milliarden Euro bis 2025 eingesetzt werden müssen. Darin sind aber EU- und Bundesmittel enthalten. Mehr als zwei Milliarden Euro davon kommen aus dem Landeshaushalt. Daraus zum Beispiel wollen wir das Programm "die digitale Schule" bestreiten, mit dem wir jede Schule ans Gigabit-Netz anschließen.

Schwarz-Gelb bezeichnet sich als Zukunftskoalition. Warum nennen Sie keinen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der klimaschädlichen Braunkohle?

Pinkwart Wir unterschreiben die Leitentscheidung der Vorgängerregierung.. Denn wir werden die Braunkohle noch einige Zeit für den Grundlaststrom brauchen, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Übrigens ist es möglich, Braunkohlekraftwerke bis auf zehn Prozent ihrer Kapazität zurückzufahren. Damit sind sie eine wertvolle Reserve, um Schwankungen im Stromnetz auszugleichen, die durch die Einspeisung erneuerbarer Energien mitverursacht werden.

Welches Thema werden Sie als Erstes angehen?

Pinkwart Wir werden ein Beschleunigungsgesetz auf den Weg bringen, um überflüssige Bürokratie abzubauen: Genehmigungen, Auflagen und Dokumentationspflichten sollen auf das Maß zurückgeführt werden, wie es in anderen Bundesländern üblich ist. Wir werden auch die Hygiene-Ampel abschaffen. Und wir werden Gründern ein bürokratiefreies Jahr ermöglichen. Schon vom 10. Juli an schalten wir eine Internet-Seite und eine Hotline frei. Da können Gründer uns schon einmal mitteilen, was an Bürokratie aus ihrer Sicht verzichtbar ist. Aber, um das klar zu sagen: Wir starten nicht mit dem Ziel, alles rückabzuwickeln. Was gut war, werden wir weitermachen.

Was war denn gut?

Pinkwart Den Landesentwicklungsplan zum Beispiel werden wir nicht komplett neu aufschnüren. Wir werden pragmatisch daran gehen und die Fesseln in vernünftiger Weise lösen. NRW braucht deutlich mehr Gewerbeflächen; die Innovationszyklen werden immer kürzer, daher brauchen auch die Unternehmen immer schneller Ersatzflächen. Bis die genehmigt sind, dauert es aber oft zu lange. Ähnliches gilt für Forschungsbauten, auch da ist das Genehmigungsverfahren zu langwierig. Wenn ein Münsteraner Forscher für adulte Stammzellen nach München geht, wie jüngst geschehen, dann ist das für NRW eine Katastrophe. Wir müssen hier schneller werden und das möglich machen, was in Bayern auch erlaubt ist. Sonst nehmen wir an diesem Wettbewerb nicht mehr teil.

Kirsten Bialdiga und Michael Bröcker führten das Gespräch.

(kib/brö)
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