Parteitag NRW-AfD vor der Spaltung

Oberhausen · Die Machtkämpfe des Parteivorstands überlagern den Parteitag in Oberhausen, bei dem es ums Wahlprogramm gehen sollte. 1000 Demonstranten protestierten vor der Stadthalle.

Es ist schon fast 15 Uhr, als es endlich beginnt, um Inhalte zu gehen. Und darum haben sich die 376 Delegierten der nordrhein-westfälischen AfD ja schließlich zum Parteitag in der Oberhausener Stadthalle versammelt: um ihr Wahlprogramm festzuzurren. Doch bis zum Nachmittag steht nur eines im Fokus: der Streit der beiden - bislang gleichberechtigten - Landes-Chefs Marcus Pretzell und Martin Renner. Mehr als ein Dutzend Anträge zur Abwahl Renners waren eingereicht worden, unter anderem von allen zehn Vorstandsmitgliedern - bis auf Renner selbst, der das Ganze als Schmutzkampagne gegen sich bezeichnet hatte.

 Trotz innerparteilicher Streitigkeiten hat die AfD um NRW-Landes-Chef Marcus Pretzell auf dem Parteitag in Oberhausen ihr Wahlprogramm beschlossen.

Trotz innerparteilicher Streitigkeiten hat die AfD um NRW-Landes-Chef Marcus Pretzell auf dem Parteitag in Oberhausen ihr Wahlprogramm beschlossen.

Foto: dpa, a fdt

Optimistisch eröffnet Landeschef Pretzell den Landesparteitag am Morgen: "Wir werden dafür sorgen, dass Frau Kraft am 14. Mai in die Geschichte eingeht", ruft er unter Jubel. Auf dem AfD-Slogan auf der Leinwand hinter ihm prangen die Worte: "Noch 106 Tage, dann wird NRW blau". Besonders in Oberhausen strebe man Sitze in der Ratsfraktion an, sagt Pretzell und kann sich die Spitze nicht verkneifen: "Wir werden noch sehr häufig in diese gastfreundliche Stadt zurückkehren."

Um die Vermietung der Stadthalle hatte es vorab einen juristischen Streit gegeben; der Hauptausschuss des Oberhausener Stadtrats hatte den Geschäftsführer des Kongresszentrums angewiesen, der AfD die Halle nicht zu vermieten. Die AfD klagte dagegen, das Landgericht Duisburg gab der Partei recht.

Wie sehr sich die innerparteilichen Streitigkeiten AfD in NRW zuspitzt, wird schon beim Grußwort von Ko-Parteichef Renner deutlich: "Wir stehen an einem Scheideweg", sagt er. Sowohl im Landesverband als auch auf Bundesebene nähmen die Machtkämpfe Überhand. Ausgrenzung und Herabwürdigung einzelner Mitglieder, Streit und Gerüchte anheizen, all das "geht gar nicht", ruft Renner - und erntet Buh-Rufe wie Applaus gleichermaßen. Die Menge ist gespalten. Es gibt ebenso viele Für- wie Gegenreden bei Renner als auch Pretzell. Viele aber fühlen sich auch überrumpelt von der Diskussion, dessen Grundlage sie gar nicht kennen. Was wird wem vorgeworfen und warum?

Landeschef Pretzell tritt ans Mikrophon. Es müsse doch reichen, wenn sich zehn von elf Mitglieder für die Abwahl eines Mitglieds aus ihrem Vorstand aussprechen; "wir wollen doch jetzt keinen Dreck auskübeln über Einzelheiten, die seit Wochen ablaufen". Aber die Mitglieder wollen Einzelheiten, fordern Transparenz, einige werden ungehalten. Andere wollen sich als erstes mit dem Programm beschäftigen; einer droht: "Wenn es nicht bald um Inhalte geht, bin ich weg!"

Nach zwei Stunden emotionalem Schlagabtausch steht die knappe Entscheidung, sich dann doch erst mit der Abwahl zu befassen - allerdings hinter verschlossenen Türen. Die Mehrheit stimmt dafür, Pressevertreter und Gäste für den Tagesordnungspunkt vor die Tür zu schicken. Drinnen geht es dem Vernehmen nach hoch her; Ko-Chef Renner wird Illoyalität vorgeworfen, er spalte die Partei, und soll parteiinterne Dinge an den "Stern" weitergegeben haben, um die Landesliste infrage zu stellen. Im Gegenzug werde Marcus Pretzell vorgeworfen, über unlautere Mittel an seinen Wahlberechtigungsschein gekommen zu sein, indem er bei seiner Meldeadresse nicht ganz ehrlich gewesen sei, berichten einige Mitglieder.

Nach zwei Stunden steht fest: Die Zweidrittel-Mehrheit zur Abwahl Renners ist nicht erreicht. Nur 200 der 372 Stimmberechtigten stimmten für die Abwahl des Ko-Chefs, 153 dagegen. Renner scheint erleichtert, spricht von einer fairen Debatte ohne Beleidigungen und sagt: "Das Ergebnis zeigt die Verhältnisse in unserem Verband." Eine Spaltung will er das nicht nennen, aber es gehe jetzt darum, die verschiedenen Gruppen wieder zusammenzuführen. "Das sehe ich als meine Aufgabe." Wie er sich die Zusammenarbeit mit einem Vorstand vorstellt, der sich komplett gegen ihn stellt? "Für mich ist der Konflikt ausgefochten." Marcus Pretzell hingegen, der getrennt von Renner mit der Presse sprechen möchte, wird deutlich: "Ich wüsste, was ich täte, wenn ich 53 Prozent der Stimmen gegen mich hätte", sagt er und fordert indirekt seinen Rücktritt. Einen gemeinsamen Wahlkampf hat er schon vorher ausgeschlossen.

Proteste zum Afd-Parteitag in Oberhausen
10 Bilder

Proteste zum Afd-Parteitag in Oberhausen

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Foto: dpa, rwe fdt

Ein Landesverband, zwei Gegenpole an der Spitze und die Frage, die bleibt: Wie geht das weiter? Zumindest inhaltlich kann sich der Verband auf sein Pogramm einigen. Der Saal ist sichtlich geleert, als letzte Feinheiten abgestimmt, Formulierungen verbessert, Überschriften geändert werden. Punkt 17 Uhr ist das Wahlprogramm beschlossen, Applaus. Pretzell betont, er hoffe, dass künftig nicht wieder Dinge an Medien weitergegeben werden.

Update: In einer früheren Version des Textes war die Anzahl der Anträge mit "Nein" mit 163 angegeben. Es waren jedoch 153.

(RP)
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