Nach Wahl in NRW Offenbar Ärger um AfD-Sitz im Landtagspräsidium

Düsseldorf · Zwei Tage vor der konstituierenden Sitzung des neu gewählten NRW-Landtags fallen in den Fraktionen wichtige Personalentscheidungen. Schon bei der konstituierenden Sitzung droht laut einem Medienbericht Ärger. In der AfD regt sich Unmut.

 Der nordrhein-westfälische AfD-Landesvorsitzende Marcus Pretzell.

Der nordrhein-westfälische AfD-Landesvorsitzende Marcus Pretzell.

Foto: dpa, ve gfh

Eine Zusammenarbeit mit der AfD haben alle Parteien bereits im Vorfeld der Wahl ausgeschlossen. Nun wollen einige die Rechtspopulisten offenbar nicht im Präsidium sehen.

Der frisch zum Fraktionsvorsitzenden gewählte Landesparteichef Marcus Pretzell kündigt zwar auf Twitter in Richtung des künftigen Ministerpräsidenten Armin Laschet an: "Sie werden Ihr blaues Wunder erleben." Das könnte aber vor allem für die AfD selbst gelten, wenn sie im bundesweit 13. Landtag Farbe bekennen muss.

Der neue Abgeordnete Sven Tritschler, zugleich Bundeschef der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative, moniert: "Es soll schon Runden geben, in denen man bespricht, dass die AfD möglichst wenige Plätze in den Ausschüssen bekommen soll und keinen Stellvertretersitz im Landtagspräsidium." Werde die AfD im Präsidium schlechter gestellt als die kleinere Grünen-Fraktion, "dann würden wir da wohl gegen vorgehen. Dann müssten sich Juristen den Fall angucken." Zum Präsidium gehören der Landtagspräsident und seine Stellvertreter - alle müssen gewählt werden.

Offiziell äußern sich die Fraktionen von CDU, SPD und FDP dazu bisher nicht, sondern verweisen auf die Wahl des Präsidiums an diesem Donnerstag. Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" berichtete am Dienstag, CDU, SPD, FDP und Grüne hätten sich "informell offenbar darauf verständigt, neben dem Parlamentspräsidenten für die kommenden fünf Jahre nur drei Stellvertreter wählen zu lassen". Für den dritten Vize-Posten wäre eigentlich ein AfD-Kandidat vorgesehen, da die AfD die viertgrößte Fraktion im Parlament stellt. Hier könnte dem Bericht zufolge jedoch ein Grüner in eine Kampfkandidatur geschickt werden - und mit der Wahl von CDU, SPD und FDP rechnen.

Der Grünen-Abgeordnete Mehrdad Mostofizadeh stellte laut Nachrichtenagentur dpa klar: Der AfD stehe es frei, eine Person für ein Vize-Amt zu benennen. "Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass ein Mitglied meiner Fraktion einen AfD-Abgeordneten wählen wird." Und betont: "Die AfD steht für Rassismus, Diskriminierung und Hass."

Der aller Voraussicht nach neue CDU-Regierungschef Armin Laschet - er steckt aktuell in Koalitionsgesprächen mit der FDP - hatte mehrfach mitgeteilt, die AfD argumentativ stellen zu wollen. Die SPD - nach sieben Jahren in NRW wieder auf der Oppositionsbank - will "mit allen demokratischen und parlamentarischen Mitteln deutlich machen, dass die sogenannte Alternative für Deutschland keine ist." Auch die FDP setzt auf sachliches Kontra.

Aus der Blickrichtung des Landtagspräsidiums werden die 16 Neuen ganz rechts außen Platz nehmen. Vor allem auf Pretzell - den auch innerparteilich umstrittenen Ehemann der Bundesvorsitzenden Frauke Petry - wird sich der Blick richten. Der 46-Jährige will weiter in der ENF-Fraktion im Straßburger EU-Parlament tätig bleiben. Pretzell habe noch nicht entschieden, ob er sein EU-Mandat niederlege, sagt Michael Schwarzer, Pressesprecher der NRW-AfD. Die ENF wird von der Chefin des rechtsextremen französischen Front National, Marine Le Pen, geführt.

Ob Pretzell zusätzlich zu den rund 11.000 Euro Brutto-Bezügen als Landtagsmitglied noch eine "Entschädigung" aus Straßburg erhält und wie hoch diese ausfallen würde, konnte Schwarzer zunächst nicht sagen. Die Düsseldorfer Bezüge müssen laut EU-Statut auf die Straßburger Entschädigung angerechnet werden.

Pretzells NRW-AfD, mit 4500 Mitgliedern größter Landesverband, hat bisher vor allem mit Streit Schlagzeilen produziert. Pretzell-Kontrahent Thomas Röckemann war gegen den 46-Jährigen als Spitzenkandidat angetreten.

Über die Abgeordneten ist noch nicht viel bekannt. Mit Markus Wagner ist ein Ex-Bundeschef der früheren Hamburger rechtspopulistischen Schill-Partei dabei. Frank Neppe ist im Iserlohner Stadtrat und als Landesschatzmeister tätig. Comic-Händler Nic Vogel hat seinem Steckbrief zufolge "Menschheitsgeschichte" studiert.

Unter den Neuen sind nur zwei Frauen. Um eine gibt es einige Aufregung und schon eine presserechtliche Auseinandersetzung. Auf dpa-Anfrage bei der Abgeordneten zum Wirbel um ihre Person und zu ihren politischen Zielen kommt ein Anwaltsschreiben, in dem jede offizielle Stellungnahme abgelehnt wird.

Das Kölner AfD-Mitglied Helmut Waniczek hält für eine solide Oppositionsarbeit einen "Reinigungsprozess" für nötig. Er hatte aus Protest seinen Vorstandsposten im Kölner Kreisverband niedergelegt, zusammen mit weiteren AfD-lern in führender Position. Zum Fall der Abgeordneten meint er: "Das wird sich nicht unter dem Teppich halten lassen." Die AfD-Fraktion werde damit viel Angriffsfläche bieten, ein Skandal im Landtag sei zu erwarten. Sprecher Schwarzer merkt an: "Wir nehmen das sehr ernst."

(oko/lnw)
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