Popsongs über NRW-Städte Und alles, watte siehst, is…

Düsseldorf · Über Hamburg, Berlin und München schrieben Musiker berühmte Lieder. Doch was ist mit den Städten in Nordrhein-Westfalen? Ein Best-Of von Bad Salzuflen bis Bonn mit Landkarte.

 Das Gasometer in Oberhausen

Das Gasometer in Oberhausen

Foto: dpa, mbk lre

In Hamburg wurde die Reeperbahn besungen, in München das Hofbräuhaus, in Berlin sogar die Luft. Doch wenn es um Städte in NRW geht, setzt schnell das Grübeln ein. "Bochum” von Herbert Grönemeyer und… und… Doch wer viel Geduld hat, findet sogar Popsongs über Kaldenkirchen und Bad Salzuflen. Wir haben sie alle auf eine Landkarte gepackt.


Emma (Erdmöbel)

Der Niers-Express verbindet die Städte Kleve und Düsseldorf. Dazwischen Halt an den Bahnhöfen von Bedburg-Hau, Goch, Weeze, Kevelaer, Geldern, Nieukerk, Aldekerk und so weiter. Der linksrheinische Niederrhein eben. Nur Menschen wie Markus Berges, Sänger der Kölner Band "Erdmöbel”, finden dort etwas zu besingen. Emma ist nicht sein Spitzname für den Zug, sondern der Orkan, der 2008 den Niers-Express zum Anhalten in der niederrheinischen Pampa zwingt. Dass Berges ihn Niederrhein-Express nennt, sei ihm verziehen. Vielleicht gefiel ihm auch der Klang besser.

"Kurz hinter Geldern in leeren Feldern, Wäldern in Nordrhein-Westfalen. Fliegt am Fenster vorbei blaue Silage-Plane.”

Oberhausen (Missfits)

Es gehört viel Trotz dazu, einer Stadt wie Oberhausen eine Hymne zu schreiben. Die Oberhausenerinnen Stephanie Überall und Gerburg Jahnke, damals unterwegs als Kabarettduo Missfits, wagten es und erzählten fast noch lieber von den Schwächen als von den Stärken der Stadt am Rande des Ruhrgebiets. Fast möchte man hinreisen.

"Stehse auffem Gasometer im Sturmesbrausen und alles, watte siehst, is Oberhausen.”

Song bei Youtube anhören

Düsseldorf (Teleman)

Mit der Aussprache hapert es. Tom, Sänger der englischen Band Teleman, spricht die Landeshauptstadt von NRW im Song "Düsseldorf" eher wie Dusseldorf aus. Das Lied hat er nicht nur in Düsseldorf geschrieben — im Dezember 2014 war die Band in der Gegend — die Handlung trägt sich auch dort zu. Vor allem geht es um ein Mädchen aus Düsseldorf, auch von einem Karussell ist die Rede, vermutlich auf einem der Weihnachtsmärkte.

"Dusseldorf lives in a cold gray life / I love everyone that I met tonight / Another great town in the afternoon / hello to the girl with the yellow balloon.”

Bad Salzuflen weltweit (Bernd Begemann)

Bad Salzuflen war für Bernd Begemann viel zu klein. Deshalb verließ der Musiker seine Heimatstadt nach Ablauf seiner Jugend und zog nach Hamburg, um dort Mitbegründer der "Hamburger Schule” zu werden. Trotzdem hat er den Kurort im äußersten Nordosten von NRW nicht vergessen und stellt sich in dem Song "Bad Salzuflen weltweit” vor, wie das wäre, wenn alle Städte so wären wie seine.

"Die Kriege würden aufhören, wenn alle wie Bad Salzufler wären. Denn Bad Salzufler vertragen sich, nur auf dem Schützenfest manchmal nicht.”

Mönchengladbach Love (Eko Fresh)

Mönchengladbach verfügt zwar über kein Ghetto, ist aber ein ausreichend raues Pflaster, um Rap-Karrieren voranzutreiben. Eko Fresh wuchs im Stadtteil Rheydt bei seiner alleinerziehenden Mutter auf. In der Hymne "Mönchengladbach Love” beschreibt er die Besonderheiten der niederrheinischen Provinzmetropole.

"Wir rollen mit dem Wagen, die Stadt, in der die Türken noch Goldketten tragen.”

Haldern (Tommy Finke)

Tommy Finke ist Bochumer, aber er hat sein Herz an und in Haldern verloren. Genauer: an das Haldern Pop Festival, das jedes Jahr im August auf einem Reitplatz des Reeser Stadtteils stattfindet. Dort beschreibt er weniger, was das Festival musikalisch auszeichnet, sondern was dort sonst noch wichtig ist: das Leben drumherum, das Bad im See, zu wenig Schlaf.

"Die Augen sind rot, Schlafmangel und Tränen, das meiste verpasst, aber dafür am Leben.”

Cologne (Ben Folds)

Songs über Köln neigen zur bierseligen Fröhlichkeit - der Song "Cologne" des US-amerikanischen Musikers Ben Folds tut das nicht. Es ist ein Breakup-Song. Der Erzähler macht einen Trip nach Deutschland und trifft seine Freundin in Köln. Dort muss er erkennen, dass sie die längste Zeit zusammengewesen sind. Sie bleibt in Europa, er reist wieder heim.

"Here in Cologne I know I said it wrong / I walked you to the train and back across alone.”

Frechen (Rainald Grebe)

Rainald Grebe hat mit einem Song das Bundesland Brandenburg weltberühmt gemacht, mit seiner Heimatstadt Frechen vor den Toren Kölns ist ihm das allerdings nicht gelungen. Der ist er in seinem gleichnamigen Song deutlich wohlgesonnener. Er weiß um ihre Schwächen - und liebt sie doch.

"Ich fahr aus Köln raus - mit der Linie 7 durch Gewerbegebiete und Zuckerrüben. Hinter Lekkerland und Toys-R-Us - da liegt noch was. Da liegt Frechen 50226 - and this is my hometown.”

Pa-Pa-Paderborn (Abstürzende Brieftauben)

Sitzt ein Mann in einer Kneipe und denkt an das Mädchen, das er liebt - bloß sie nicht ihn. Das ist die Geschichte, die die Hannoveraner Punkband Abstürzende Brieftauben in diesem Song erzählt. Das Mädchen kommt aus Paderborn, vermutlich bloß, weil sich das so schön reimt. Andere NRW-Städte, die in dem Text auftauchen: Bielefeld, Rheda-Wiedenbrück, Erkenschwick, Wipperfürth und Attendorn.

"Pa Pa Paderborn, dort hab ich mein Herz verlorn.”

Frühling in Kaldenkirchen (Kai Pfeiffer)

Kaldenkirchen kennen Durchreisende bloß als letzten Halt vor Venlo, doch er ist auch der Ort, an dem Kai Pfeiffer in einem Auto seine Unschuld verlor. Geschrieben für den Karneval 2016 schildert er in "Frühling in Kaldenkirchen”, wie er mit seiner Freundin an einen See fuhr und so weiter. Den Karneval außerhalb von Kaldenkirchen hat der Song aus nicht nachvollziehbaren Gründen nie erreicht.

"Es war im Frühling in Kaldenkirchen, als ich meine Unschuld verlor, Frühling in Kaldenkirchen, meine Hose war weg und ich fror.”

Weserwasser (Curse)

Wer den Mindener Rapper Curse über seine Heimatstadt texten hört, muss die Stadt zwischen Bielefeld, Bremen und Hannover für ein ziemlich hartes Pflaster halten. Ganz zeitlos ist der Song nicht. Damals im Jahr 2000 suchten die Leute auch noch mit anderen Suchmaschinen als Google.

"Minden ist Mythos, mit der Box in Südost. Such uns mit Lycos, das Stichwort ist: Blunts so lang wie Pythons.”

Wick es d'r Wäch noh Kevelaer (Bläck Fööss)

Wer die Fremdsprache Kölsch nicht spricht, der wird schon mit dem Titel der Bläck Fööss Probleme bekommen - "Weit ist der Weg nach Kevelaer”. Der Text ist auch nur schwer zu verstehen. Die Band beschreibt dort allerlei Sünden von Ehebruch bis Steuerhinterziehung, weshalb die Musiker nun nach Kevelaer pilgern müssen, um sich von ihren Sünden reinzuwaschen. Dass der Song mehr als sieben Minuten lang ist, liegt auch an einem Orgelsolo.

"Hätte ich das doch nie getan, dann bräuchte ich jetzt nicht nach Kevelaer zu gehen." (hochdeutsche Übersetzung)

Ratingen-West (Fresh Familee)

Der deutsche HipHop wurde auch in Ratingen-West erfunden. Ende der 80er taten sich in dem sozialen Brennpunkt türkische, marokkanische, mazedonische und deutsche Jugendliche zusammen und gründeten "Fresh Familee”. In dem Song über ihr Heimatviertel geben sie sich ironisch als die großen Gangster.

"Ich komm aus West, hau jedem in die Fress, der hier nichts zu suchen hat, ich bin total asozial, skrupellos und voll brutal.”

Wuppertal (Grandbrothers)

Wenig zu erzählen über Wuppertal hat das deutsche Duo Grandbrothers, im Grunde nichts. Denn "Wuppertal” ist ein Instrumentalstück, das Klavier mit Synthesizern verbindet und klingt wie ein sehr schöner Traum - was vielleicht nicht unbedingt passt zur Metropole des Dauerregens. Vielleicht ein frommer Wunsch von Pianist Erol Sarp, der in Wuppertal aufwuchs.

Komm nach Hagen (Extrabreit)

Wer's in Berlin und Hamburg nicht schafft, der sollte es mal in Hagen versuchen, der Stadt auf der Grenze von Ruhrgebiet und Sauerland. Das ist die Botschaft, die die NDW-Band Extrabreit in ihrem Song "Komm nach Hagen” formuliert. Was nicht weiter wundert, schließlich kommen die Musiker selbst dort her.

"Begreif doch, in den Metropolen ist für dich nichts mehr zu holen. Dort wirst du maßlos unterschätzt, komm, komm jetzt! Komm, komm, komm, komm, komm nach Hagen.”

Krefeld (Incoming Leergut)

Lokalpatriotismus geht auch für Punkbands in Ordnung. Und so haben die Jungs von Incoming Leergut aus Krefeld eine kurze, laute und gitarrenlastige Hymne für ihre Stadt geschrieben.

"Krefeld, Krefeld, von Hüls bis an den Rhein. Ich lebe hier, ich sterbe hier, Kindergarten, Altersheim.”

Bonn 17 (SSIO)

Was Ssiawosh Sadat alias SSIO über Bonn rappt, wird nicht jedem Bonner gefallen. Sadat hat afghanische Wurzeln und ist im Problemstadtteil Tannenbusch aufgewachsen. In "Bonn 17” beschreibt er, wie ihn der Türsteher mal wieder nicht in den Club lässt und er deshalb mal wieder im Bordell landet. Das liegt an der Immenburgstraße 17.

"Bonn 17, Bonn 17, Kanacken landen in Bonn 17."

Immer wieder Neuss (MaximNoise)

Aus Neuss kommt der Rapper mit den dicksten Brillengläsern der Welt. Die trägt Max Jäger, seitdem er als Kind gegen eine Wand lief. Als MaximNoise feiert er ab, was es an Neuss abzufeiern gibt.

"Denn zum Glück liegt meine Welt zwischen Düsseldorf und Köln. Dort, wo die Erft den Rhein begrüßt, da lacht mein Herz, wenn Neuss aufblüht.”

Bunkerwelt in Witten (Creutzfeld & Jakob)

Um Witten geht es den Rappern von Creutzfeld & Jakob in dem Track "Bunkerwelt in Witten” weniger, sondern viel mehr um Creutzfeld & Jakob. Sie kommen halt bloß aus Witten. "Bunkerwelt” ist der Name ihres Labels.

"Hier kommt fettes Zeug für Euch aus Witten City, per Express geliefert. Fünf MCs im Stress und Fieber, Jungs, Ihr seid komplett geliefert.”

Essen City (PA Sports)

PA Sports kann noch so hart tun, der Rapper ist doch Sohn einer iranischen Akademikerfamilie, der in Essen-Rüttenscheid aufwuchs. Wer mit seinem Song über Essen und das Ruhrgebiet durch ist, wird danach nur noch bewaffnet anreisen.

"Hier ist Hardcore, hier schlägt dich dein Vater mit einem Gürtel."

Hammer Straße (Kir Royal)

Die Hammer Straße ist eine von sechs Ausfallstraßen Münsters, aber nicht gerade die schönste Straße der Stadt. Und doch ist sie die liebste Straße der Rapper von Kir Royal. Eben weil sie so unspektakulär ist.

"Hammer Street, die geile Meile, meistens klein und spießig, gemachtes Beet statt Szenetyp, genau den Scheiß, den lieb ich.”

Nordstadt Blues (IndiRekt, Pappmaul & Heideck)

Wer über die Dortmunder Nordstadt sprechen möchte, kann über ihre Probleme nicht schweigen. Die Rapper IndiRekt, Pappmaul und Heideck tun das auch nicht - die Nordstadt gilt schließlich als eines der größten Problemviertel NRWs - aber sie sehen auch die Hilfsbereitschaft und den Zusammenhalt.

"Nordstadt, hier werden Grundrechte zum Spielball, man macht, watt man will, hier hat niemand was zu sagen, und Kinder spielen verstecken zwischen Sperrmüll auf den Straßen."

Bochum (Herbert Grönemeyer)

Herbert Grönemeyer kam in Göttingen zur Welt, doch als er ein Jahr alt war, zogen seine Eltern mit ihm nach Bochum. Dort machte er Abi, wurde musikalischer Leiter am Schauspielhaus. Mit dem Album "4630” feierte er 1984 seinen Durchbruch, der darauf enthaltene Song "Bochum” wurde zum bekanntesten Popsong über eine deutsche Stadt.

"Dein Grubengold hat uns wieder hochgeholt, du Blume im Revier. Bochum, ich komm' aus dir. Bochum, ich häng' an dir. Glück auf, Bochum.”

Gelsenkirchen (Georg Kreisler)

Als der NDR dieses Lied des österreichischen Musikers Georg Kreisler 1961 sendete, protestierte die Gelsenkirchener Stadtspitze vehement. Ganz und gar nicht gefiel dem Oberstadtdirektor, dass Kreisler ein, zwei, drei oder sogar vier spöttische Zeilen eingebaut hatte.

"Das gibt es nur bei uns in Gelsenkirchen. Fahren auch Sie statt an die Riviera im Urlaub zu uns. Ruhen Sie aus im Schatten der Meiler auf einem Strand von Anthrazit. Statt der Seeluft atmen Sie Pressluft oder Kohlendioxid. Wo ist der Kinobesuch und der Alkoholismus erheblich? Wo ist die Bettwäsche grau und die Seifenreklame vergeblich?”

Rätselhaftes Bielefeld (Udo Lindenberg)

Mit Bielefeld hat dieser Song nicht viel am Hut. Der Ich-Erzähler, also Udo Lindenberg, berichtet, wie er bei einem Hai-Angriff stirbt, zuerst in die Hölle kommt, dann in den Himmel und schließlich auf die Venus. Doch im Refrain hat Bielefeld seinen großen Auftritt - vermutlich bloß, weil es sich auf Welt reimt.

"Und sehen wir uns nicht in dieser Welt, dann sehen wir uns in Bielefeld!”

Kiosk (Flowerpornoes)

Tom Liwa, Sänger der Flowerpornoes, war nie bodenständig und passte deshalb auch nie so richtig in seine Heimatstadt Duisburg. Vermutlich hat er aus diesem Grund nie eine Hymne auf die Stadt geschrieben. In dem Song "Kiosk” von 1993 allerdings fällt der Name gleich zu Beginn. Was der Rest des Stücks mit Duisburg zu tun hat und worum es überhaupt geht - unklar.

"Duisburg, ich kenn alles hier, jedes scheiß Gefühl."

Inspiriert wurde dieser Text durch Susanne Kriegs Popsong-Stadtplan von Hamburg.

(seda)
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