Guillermo Mordillo in Oberhausen Humor als Hoffnungsträger

Oberhausen · Die erste große Retrospektive des Werks von Guillermo Mordillo ist jetzt in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zu bestaunen: 150 Originale des Cartoonisten, alle unglaublich, liebevoll und immer ein kleiner Widerstand gegen die Welt.

 Einen Zeichentrickfilm von Guillermo Mordillo schaut sich in der Ludwig Gallerie im Schloss Oberhausen eine Fachbesucherin an

Einen Zeichentrickfilm von Guillermo Mordillo schaut sich in der Ludwig Gallerie im Schloss Oberhausen eine Fachbesucherin an

Foto: dpa, rwe kno

Alles ist aussichtslos, aber es gibt noch Hoffnung. Angesichts der Cartoons und Comics des argentinischen Zeichners Guillermo Mordillo kommt der Betrachter manchmal unweigerlich auf solch paradoxe Gedanken: Da steht eins seiner berühmten Knollnasenmännchen auf einem winzigen Planeten in einem komplett schwarzen All, im Nichts, im Nirgendwo. Aber es hat ja noch sein Streichholz, das ein bisschen Licht ins Dunkel bringt.

"Mordillo wird immer aktuell sein, weil er allgemeingültige Fragen behandelt: Wer sind wir, wo sind wir - und warum?". Das sagt Christine Vogt, Direktorin der feinen Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, die es mit der Schau "The Very Optimistic Pessimist" geschafft hat, zum ersten Mal seit 25 Jahren eine umfassende retrospektive Ausstellung mit vielen Originalen in ein deutsches Museum zu holen.

"Die Originale zu bekommen, war gar nicht einfach", erzählt sie. "Mordillo sagte: Das sind doch meine Babys." Bei einem Besuch in Monaco konnten die Direktorin und ihre Volontärin Linda Schmitz, die die Ausstellung kuratiert hat, den mittlerweile 85-jährigen Zeichner jedoch überzeugen, Material aus allen Jahrzehnten auszuleihen. Sogar Vorstudien zu berühmten Onepagern, also Comics auf einer Seite, sind dabei.

Die Argumente der Ludwiggalerie: Sie ist ein renommiertes Haus mit rund 900 Quadratmetern Ausstellungsfläche; und sie präsentiert darin Comic-Künstler genauso ernsthaft wie das anderswo mit Rembrandt oder Dürer geschieht - oder Hieronymus Bosch, an dessen detailreiche Gemälde wie "Der Garten der Lüste" die Wimmelbilder Mordillos erinnern.

Hierzulande wurde der Argentinier 1970 mit seinem Kinderbuch "Das Piratenschiff" bekannt, das in großformatigen Zeichnungen ohne Worte die verrückte Reise einer Piratenmannschaft erzählt. Das ist auch für Erwachsene irre komisch, weil Mordillo darin alle Facetten seines in langen Jahren entwickelten Stils zum Ausdruck bringt: Das Absurde und Surreale, das Niedliche, zu Herzen gehende genauso wie das Schwarzhumorige.

Ein Raum ist in Oberhausen ganz seiner Biographie und damit der Entwicklung dieses Stils gewidmet. 1932 als Sohn spanischer Einwanderer in Buenos Aires geboren, verfiel Guillermo Mordillo wegen seiner Begeisterung für Walt-Disney-Filme wie "Schneewittchen" der Idee, selbst Zeichner zu werden. Wie Disney fertigte er selbst eine Illustration des Märchens "Die drei kleinen Schweine"; und auch Mordillos Wolf trägt Hut und Hosenträger. In den 1950er-Jahren ging er als freier Werbegrafiker nach Lima, 1960 wechselte er nach New York und zeichnete Gag-Postkarten. 1963 erschien sein erstes Knollnasenmännchen im Comic-Pin-Up-Kalender "The OZ Working Girls". Im selben Jahr zog es ihn nach Paris, wo ihm dann ohne französische Sprachkenntnisse nicht viel anderes übrig blieb, als Geschichten ohne Worte zu erzählen.

Ein großer Teil seiner Werke in der Ludwiggalerie sind der Liebe und den Beziehungen zwischen den Geschlechtern gewidmet. Denn die Knollnasen gibt es in zwei Ausführungen: Männer zeichnet Mordillo mit drei Kreisen, die Frauen mit fünf. Zwei Motive kehren immer wieder: Jemand versucht, eine Person des anderen Geschlechts zu erobern. Jemand versucht alles, um diese Person wieder loszuwerden. Und so entsorgt die Braut, die der Bräutigam eben noch mühevoll über die Schwelle des gemeinsamen Hauses getragen hat, ihn im nächsten Bild kurzerhand im Müll.

Mordillos Bilder und kurzen Bildgeschichten, die durch Magazine, Fernsehausstrahlungen und Bildschirme an U-Bahnhöfen bekannt sind, zeigen immer wieder auch Tiere - besonders Giraffen, Elefanten und Mäuse (Vorbild: Micky Maus) haben es ihm angetan - oder Sportler, Hochhäuser, Herzen, den Mond, den die Melancholiker anschmachten und um den sich Hochhäuser winden.

Im Obergeschoss zeigt die Ludwiggalerie neben kunstgeschichtlichen Bezügen und einer Formanalyse, dass der Zeichner mit diesem Repertoire auch politisch gearbeitet hat: "Der Individualist" von 1973 zeigt ein Knollnasenmännchen, das von der Polizei abgeführt wird, weil es sein Haus in der grauen Monotonie der Vorstadtsiedlung bunt angestrichen hat. Amnesty International nutzt das Motiv 1984 in einer Plakatkampagne gegen totalitäre Systeme.

Momentan sind keine von Mordillos Büchern mehr lieferbar. Neben der gelungenen Ausstellung schließt deshalb auch der Katalog eine Lücke in der Erhaltung eines unbedingt erhaltenswerten Werks.

(RP)
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