Paul McCartney in Düsseldorf Begegnung mit dem Museumsdirektor des Pop

Düsseldorf · Der 73-jährige Ex-Beatle tritt in der Esprit-Arena auf. Der Großteil des Abends dürfte den Song-Juwelen der Fab Four gewidmet sein. Doch es wird auch der großartige Solokünstler zu erleben sein.

"One on One": Hier wird die Bühne für Paul McCartney aufgebaut
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Hier wird die Bühne für Paul McCartney aufgebaut

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Paul McCartney wird unterschätzt. Das mag erstaunlich klingen bei einem Musiker, der als erfolgreichster und berühmtester Komponist der Popgeschichte gilt, als einer der reichsten ohnehin. Aber wenn man ehrlich ist, haben selbst die meisten Sympathisanten den 73-Jährigen als ewigen Beatle abgelegt, und ganz viele der weniger Wohlmeinenden sogar als Kitsch-Beatle — wegen "Yesterday", "The Long And Winding Road" und so.

Nach 1970, das ist die gängige Meinung, gelang ihm kaum etwas, das annähernd so hell strahlt wie die Kronjuwelen aus dem Schatz der Beatles-Songs. Höchstens mal ein mit weit aufgerissenen Augen gesungener Ohrwurm wie "Hope Of Deliverance" von 1992, der für seinen wohl größten Solo-Erfolg steht. Das Konzert in Düsseldorf am Samstagabend ist nun ein feiner Anlass, gegen diesen Irrglauben zu predigen.

Die Beatles als Bürde

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Foto: Franziska Hein

McCartney ging in den 70er Jahren verkrampft mit der Bürde um, einer der zwei kreativen Köpfe in der besten Band der Welt gewesen zu sein. Bei Konzerten seiner Gruppe "Wings" lehnte er es ab, Titel aus der großen alten Zeit zu spielen. Er war erst Ende 20 und wollte seine jeweils aktuelle Musik gewürdigt wissen. Die konnte sich durchaus hören lassen.

Seine erste Solo-Platte "McCartney", eine Woche nach dem Ende der Beatles auf den Markt gebracht, birgt Kompositionen wie "Maybe I'm Amazed" und "Every Night", die noch heute gültig sind. Die Wings-LP "Band On The Run" gehört zu den besten Alben der 70er Jahre. Und "McCartney II", 1980 von der Kritik abgelehnt, klingt bei nochmaligem Hören in seiner Skizzenhaftigkeit modern.

McCartney selbst ist auf die Synthesizer-Sound-Experimente von damals so stolz, dass er von der Platte noch immer das Stück "Temporary Secretary" im Programm hat. Es ist Teil der Setlist dieser Tour, die Sir Paul bereits durch die USA und Argentinien führte. Überhaupt flicht er weniger bekannte Solo-Stücke in das Programm, "Queenie Eye" und "New" etwa oder "My Valentine" - in der Studio-Version des letztgenannten Lieds spielte Eric Clapton Gitarre, und man sollte sich unbedingt den Video-Clip mit Natalie Portman bei Youtube ansehen, der ist nämlich ziemlich schön.

In Klang übersetzte Jugendlichkeit

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Foto: afp, pk/JK

Erst allmählich akzeptierte McCartney, dass er die Schatten von John, Ringo und George nicht würde abschütteln können. Sie reichen weit über seine Lebenszeit hinaus, so groß war der gemeinsame Entwurf von in Klang übersetzter Jugendlichkeit. Er suchte nach einer Rolle, vielleicht kann man die künstlerische Phase so auf einen Nenner bringen, die von der Mitte der 80er bis tief in die 90er Jahre reicht und in der viel Unfug entstand — das Album "Give My Regards To Broad Street" etwa.

Spätestens seit dem Tod George Harrisons vor 15 Jahren akzeptierte McCartney den Job als Museumsdirektor des Pop. Er verwaltet mit durchaus angebrachter Eitelkeit und Selbstironie das Repertoire der Fab Four, sorgt sich um das Andenken an jene Zeit — und vor allem: Er tradiert die mehr als 40 Jahre alten Lieder in die Gegenwart. Seine Konzerte variieren das Bekannte, jedes eine live dargereichte Best-of-Sammlung. McCartney spielt auf der Bühne die Rolle, in der ihn die Menschen am liebsten sehen, die des ewigen Beatle. Der Großteil des Materials stammt aus den 60ern, kein Fan dürfte bei dem Konzert ein Lieblingslied vermissen: Vom Eröffnungsstück "A Hard Day's Night" bis "Let It Be" ist alles dabei, sogar ein Stück der Quarrymen wird es zu hören geben, jener Schülerband also, aus der die Beatles hervorgegangen sind. Dazu natürlich Wings-Evergreens der 70er, "Live And Let Die" und "Jet" zum Beispiel.

Neben dem Kerngeschäft unterhält Sir Paul eine Werkstatt, in der künstlerisch ambitionierte, klassische wie populäre Musik entsteht. Die Platten seines Fireman-Projekts etwa, auf denen er mit dem Produzenten Youth elektronische Klangteppiche ausrollt, die nur ausnahmsweise die Struktur von Songs haben. Und: McCartney hält Kontakt zu jungen Kreativen, zur Band Radiohead etwa, deren Produzent Nigel Godrich er 2005 für das Album "Chaos And Creation In The Backyard" engagierte. Es ist sein bislang bestes; stilsicher, reif und zeitgemäß.

Album exklusiv bei Starbucks veröffentlicht

McCartney hatte im vergangenen Jahr den Hit "FourFiveSeconds" mit Kanye West und Rihanna, den er auch auf der aktuellen Tour spielt. Und soeben veröffentlichte er noch einmal das tolle Lied "Nineteen Hundred And Eighty Five", das einst die B-Seite der Single "Band On The Run" war, diesmal in einer von Timo Maas eingerichteten House-Version. Auch was die Vertriebswege seiner Werke betrifft, mag McCartney es progressiv. Das Album "Memory Almost Full" etwa bot er vor ein paar Jahren zunächst ausschließlich über die Kaffeehaus-Kette "Starbucks" an.

Man darf sich McCartney also als glücklichen Künstler vorstellen, als Teil der musikalischen Gegenwart. Auf der Bühne repräsentiert er indes die alte Schule. Er trinkt dort nie, nicht mal Wasser. "Du solltest dein Konzert spielen, das ist dein Job", sagt er. "Es gehört sich nicht, die Show zu unterbrechen."

(hols)
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