Karneval Die zwei Gesichter des Rheinländers

Düsseldorf · Rheinländer haben eine besondere Mentalität, und nie wird das offenkundiger als im Karneval. Am Mittwoch starten die Jecken in die Session - wie immer "begeisterungsfähig, respektlos und ein wenig selbstbesoffen", sagt ein Brauchtumsexperte.

15 Impressionen vom Düsseldorfer Karneval 2015: ein Rückblick
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Foto: Cenk Cigdem

Ab 11.11 Uhr zeigen die Rheinländer - und auch ein paar Zugezogene - wieder, was in ihnen steckt. Denn im Karneval bricht sich das Bahn, was das Völkchen entlang des Stroms ausmacht: Feierfreude, Begeisterungsfähigkeit und Respektlosigkeit. Und so werden Fremde, die heute zum ersten Mal das Rheinland betreten, sich wundern, welch kindliche Freude man an dieser Fastelovend-Sache haben kann.

"Schon die Preußen trauten den Rheinländern vor 200 Jahren nicht über den Weg", sagt Brauchtumsexperte Fritz Langensiepen, der sich intensiv mit der Mentalität der Rheinländer auseinandergesetzt hat. Sie hätten nicht gewusst, ob sie den Menschen hier trauen konnten. Der Rheinländer lege sich halt nicht gerne fest, sagt Langensiepen, er schwanke hin und her. Fremde verstünden das meist als Unzuverlässigkeit, dabei könnten sie es auch als Flexibilität bewerten.

Flexibel sind auch die Jecken - zumindest, was das Feiern angeht. Sie sind gastfreundlich, nehmen jeden in ihrer Mitte auf. "Wie die Menschen hier zusammen feiern, das gibt es woanders nicht", sagt der 72-jährige Experte, der früher beim Landschaftsverband Rheinland gearbeitet hat. Sie sind offen für andere, halten nicht viel von Obrigkeiten und holen diese besonders gerne im Karneval von ihren Sockeln herunter. Beim Schunkeln ist jeder sofort beim Du. Frauen bekommen für ihren Namen häufig ein "-chen" verpasst, das ist nicht herabwürdigend, eher eine Ehre. Schließlich wird selbst der liebe Gott zum "Herrjöttchen". "Der Rheinländer ist auch per Du mit einer Größe, die kaum zu fassen ist", stellt Langensiepen fest.

Das Leben im Rheinland bewegt sich zwischen zwei Polen: dem Exklusiven und dem Alltäglichen. Beide finden sich auch bei den Narren, die sich beim Lackschuhkarneval und Prinzenball elegant drehen oder im Straßenkarneval das Frikadellchen aus der Tupperdose essen, dazu ein Bier in der Hand. Die Rheinländer neigen häufig zur Übertreibung und zum Extrem - Karneval ist deshalb ein Glückszustand und kein Ausnahmezustand. "Sie beherrschen die Lebenskunst, immer mehr aus dem Alltag zu machen, auch in schlechten Zeiten", sagt der Brauchtumsexperte. Und natürlich gehört dazu die Selbstliebe. "Sie sind auch selbstbesoffen." So schön ist es eben nur am Rhein!

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Foto: dpa, ve cul

Ein wichtiger Schlüssel zu dieser Welt und zu den Herzen der Menschen ist die Sprache. Besonders im Karneval hat die Mundart ihre Heimat, und während der Session verfällt manch einer in einen stärkeren Singsang als sonst - da ist einfach zu viel Jeföhl im Spiel. Die Büttenredner geben den Menschen, was sie auch im Alltag schätzen: rasche Rede, Wortwitz und Humor.

Der Rheinländer liebt es, sich zu präsentieren, der Karneval mit seinen Kostümen, Tänzen und Liedern bereitet ihm die Bühne, auf der er sich mit Stolz bewegt. "Er macht sich die Welt gerne schöner als sie ist, auch wenn es gar nicht nötig wäre", sagt Langensiepen. Der rheinische Mensch mag vielleicht nicht immer realistisch sein, dafür aber glücklich. Karneval kostet die hiesige Wirtschaft jedes Jahr Millionen wegen gemeinsamen Feiern, Krankheitstagen und Katertagen. Noch habe sich aber niemand die Mühe gemacht, so Langensiepen, zu ergründen, wie viel die Mentalität dank Improvisationstalent und Optimismus den Unternehmen auch einbringe. "Deren Elemente spielen gewiss eine große Rolle beim erfolgreichen Handeln und für die rheinische Produktivität."

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Foto: Anna Radowski

Rein geografisch gesehen ist das Rheinland groß, es umfasst den Niederrhein, aber je nach Definition zum Beispiel auch Trier innerhalb der Grenzen der alten Rheinprovinz. "Deshalb gibt es im Rheinland gewaltige Mentalitätsunterschiede", betont Langensiepen. Der Weseler ist anders als der Düsseldorfer, der wiederum anders als der Kölner. Und das macht sich auch, aber nicht nur, beim Karneval bemerkbar.

(mso)
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