Karneval in NRW So teuer ist lustig

Die Jecken starten am heutigen Samstag in ihre Session. Ein Vereinspräsident aus Moers-Holderberg erklärt, wie er eine Sitzung konzipiert und finanziert. Fest steht: Großverdiener sind die Musikbands - sie betreiben auch den größten Aufwand.

 Die Galasitzung der Karnevalsfreunde Holderberg im Februar.

Die Galasitzung der Karnevalsfreunde Holderberg im Februar.

Foto: Dieker, Klaus

Heinz-Gerd Hackstein lässt niemanden so leicht davonkommen. "Was ist mit deinem Vater?", fragt er die Kellnerin in einem Moerser Café. "Der hat noch keine Karten für dieses Jahr gekauft." Sie wird nachfragen, verspricht sie, und Hackstein erklärt, der Vater sei schließlich immer mit ein paar Freunden zur Herrensitzung der Karnevalsfreunde Holderberg gekommen. "120 Karten muss ich noch verkaufen, dann liege ich in meinem Wirtschaftsplan", erklärt er schmunzelnd. Und schiebt optimistisch hinterher: "Sind ja noch zweieinhalb Monate, das wird."

Der Präsident des knapp 50 Mitglieder großen Vereins beweist, wie gut Jecke nicht nur feiern und singen, sondern auch rechnen können müssen. Heinz-Gerd Hackstein, den alle nur "Hacky" nennen, richtet mit seinen Mitstreitern jedes Jahr in der Regel drei Sitzungen aus - im vergangenen Jahr waren es vier, aber da feierte der Verein auch zum 66-jährigen Bestehen ein jeckes Jubiläum. Immer rund zwei Wochen vor Beginn des Straßenkarnevals steigen in der Sporthalle im Nachbarort Kapellen eine Damen-, die Herren- und eine Galasitzung. Pro Sitzung passen rund 800 Besucher in den Saal, Hackstein kalkuliert mit 1800 verkauften Karten à 23 Euro.

Budget für die Künstler: Rund 36.000 Euro für drei Sitzungen

Die Buchung der Künstler ist von langer Hand geplant. Schon jetzt stehen die Auftritte für 2019. Hackstein arbeitet für sein Programm häufig mit der Kölner Agentur "Alaaf" zusammen. Dahinter steht die Go GmbH, bei der unter anderem Guido Cantz Geschäftsführer ist. Bei "Alaaf" gibt es Büttenredner, Bands und Tanzgruppen von A bis Z. Hackstein bekommt einen Vordruck als Liste mit Namen und Preisen. Und dann kreuzt er an.

Je nach Verfügbarkeit und Budget baut er sich so seine Sitzungen zusammen. Abwechslungsreich soll der Abend sein mit einem guten Mix zwischen Wortwitz und Liedern. Die Redner müssen geschickt platziert werden, sonst haben sie es schwer. "Wenn Sie bei einer Damensitzung drei Musikbands hintereinander auf die Bühne schicken, können Sie danach keinen in die Bütt schicken", erklärt Hackstein. Die Damen säßen dann längst nicht mehr.

Als Budget für die Künstler setzt er rund 36.000 Euro für die drei Sitzungen an, hinzu kommen rund 20.000 Euro für Nebenkosten wie Gema-Gebühren, Saalmiete, Dekoration und Bühnentechnik. Der Verein verdient noch am Getränkeausschank. "Aber ohne Sponsoren würde es nicht gehen", betont der 71-Jährige. Der Verein konzentriert sich auf die Sitzungen, andere Karnevalisten stecken zum Beispiel viel Geld in ihre Tanzgarden oder die Mitwirkung an Zügen.

Hauptverdiener im Sitzungskarneval sind die Musikbands

Wie viel genau welcher Künstler bei seinen Sitzungen bekommt, möchte Hackstein nicht sagen. "Das gehört sich nicht", findet er. Außerdem hängt die Gage von vielen Faktoren ab: zum Beispiel wie groß die Anzahl der auszurichtenden Sitzungen oder wie intensiv der persönliche Kontakt ist. Und natürlich vom Zeitpunkt der Veranstaltung: Zur Hochzeit des Straßen- und Sitzungskarnevals rund um Weiberfastnacht sind die Preise höher.

Außerdem bekommen die in der Regel gemeinnützigen Vereine als Veranstalter andere Preise als etwa kommerzielle Anbieter oder Firmen. Laut dem Festkomitee Kölner Karneval gibt es in der Session mindestens 800 Sitzungen in der Stadt. Die Zahl kommerzieller Anbieter habe zugenommen, auch Karnevalspartys, die mit dem traditionellen Sitzungskarneval nicht so viel zu tun haben, würden mehr.

Die Hauptverdiener im Sitzungskarneval sind die Musikbands: Sie betreiben aber auch den größten Aufwand, weil sie mit mehreren Live-Musikern unterwegs sind. Schätzungen von Insidern zufolge kosten Gruppen wie Höhner, Bläck Fööss, Räuber und Brings ab ca. 2500/3000 Euro. Für große Veranstaltungen kann die Gage schon fünfstellig werden. Wenn die Vereine aber solche Namen ankündigen, verkaufen sie im Vorfeld mehr Eintrittskarten. Das rechnet sich. Gute Büttenredner starten bei 1000 Euro.

Manchmal treten Künstler auch gratis auf

Wirklich seriös sind solche Schätzungen nicht, denn es gibt zu viele Faktoren, die diese beeinflussen. "Für die Gage werden unter anderem die Größe einer Sitzung und die weiteren Termine am selben Abend berücksichtigt", bestätigt Hans-Peter Suchand, Sprecher des Comitees Düsseldorfer Carneval (CC). Schließlich reicht die Bandbreite vom Pfarrheim bis zur 20.000-Mann-Arena. "Besonders bei den kleineren Sitzungen kommen die Künstler den Vereinen in der Regel entgegen."

In Düsseldorf haben sich die Literaten längst zusammengeschlossen, um ihr Programm besser aufeinander abzustimmen. Wenn die Künstler statt einer Veranstaltung drei bis vier Auftritte am Abend haben, verdienen sie in der Summe mehr, und die Vereine bekommen einen günstigeren Preis.

Laut Suchand kommt es auch vor, dass die Künstler sogar gratis auftreten, wenn ein Verein oder Mitglied ein besonderes Jubiläum feiert. Man kennt sich, man hilft sich. Auch das ist Karneval - jenseits des Riesengeschäfts.

(mso)
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