Münster JVA Münster ist einsturzgefährdet

Münster · Am Gebäude der Justizvollzugsanstalt Münster gibt es massive Probleme mit der Statik. Die Decken der Haftanstalt drohen herabzufallen. Sensoren messen jede Bewegung im Mauerwerk. Trotzdem läuft der Betrieb normal weiter.

Immer wenn Timo Karl (Name geändert) ein Knacken im Gemäuer der Justizvollzugsanstalt (JVA) Münster wahrnimmt, zuckt er kurz zusammen. "Das Gefängnis ist in einem derart schlechten baulichen Zustand, dass man jederzeit mit einer sofortigen Schließung rechnen muss", sagt der JVA-Bedienstete. Derzeit seien dort Messinstrumente im Gebäude platziert, um vor einer möglichen Einsturzgefahr zu warnen, sagt er.

Ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty (SPD) bestätigt, dass es große Probleme mit der Statik des Gebäudes gebe. "Sensoren überwachen deswegen das Gewölbe", sagt er. "Der Betrieb wird aber weiter ganz normal aufrechterhalten."

Peter Brock, Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), erklärt, dass die meisten dieser Sensoren erst vor Kurzem in die Decken der JVA eingebaut worden seien. "Sie melden jede Bewegung und Schwingung im Mauerwerk", erklärt Brock. Sobald die Messungen irgendetwas Ungewöhnliches anzeigen, geht sofort ein Alarm los. "Statiker, die rund um die Uhr erreichbar sind, werden dann informiert und müssen sofort zur JVA kommen", erklärt Brock. "Sollten sie feststellen, dass Einsturzgefahr besteht, werden die Gebäudeteile leergeräumt", so Brock.

In so einem Fall müssen die Häftlinge die JVA innerhalb kürzester Zeit verlassen. Doch dieses Szenario sollte möglichst nicht eintreten. Denn niemand weiß derzeit genau, wo man die vielen Häftlinge des Gefängnisses dann so schnell unterbringen soll. Die 1853 erbaute und unter Denkmalschutz stehende JVA Münster ist derzeit überbelegt. Nach einem internen Bericht des Justizministeriums, der unserer Redaktion vorliegt, sitzen dort aktuell 542 Insassen ein, obwohl eigentlich nur Platz für 519 wäre. Das entspricht einer Belegungsquote von exakt 104,43 Prozent.

Die JVA Münster ist keine Ausnahme. Landesweit sind viele der 36 Gefängnisse voll. Insgesamt sind in NRW derzeit 16.644 Menschen inhaftiert. Nach Angaben des BSBD gibt es für den Erwachsenenvollzug landesweit nur noch 239 freie Haftplätze. Beim Justizministerium erklärt man, dass die hohen Belegungszahlen vor allem saisonbedingt seien. "Am Anfang des Jahres steigen die Gefangenenzahlen immer. Die Situation wird sich in den Sommermonaten aller Voraussicht nach wieder entspannen", betont ein Ministeriumssprecher.

Carsten Heim leitet die JVA in Münster. Das Amt hat er erst im Januar übernommen. Noch ist er wegen des maroden Gemäuers entspannt. "Wir müssen jedenfalls noch keine Schutzhelme aufziehen", sagt er. "Wir sind aber alle froh, dass die Sensoren da sind. So wissen wir immer, was los ist", betont er. Die zuständigen Statiker hätten ihm zuletzt versichert, dass man sich aktuell keine großen Sorgen machen müsse, dass einem die Decke auf den Kopf stürze. Die Decken, erklärt Heim, müsse man sich wie alte Gewölbe in Kirchen vorstellen. "Da sind schon Risse drin, die sich je nach Witterung zusammenziehen oder aufgehen", so Heim.

Pläne für einen Neubau der maroden JVA Münster gibt es seit Jahren. "Wir wissen, dass wir dringend ein neues Gebäude brauchen", so der Ministeriumssprecher. Nur konnte das Justizministerium bislang noch keinen passenden Standort finden, gegen den es keine Einwände gab. Entweder waren es Anwohner, die protestierten, oder Naturschützer, die dem Vorhaben ein Ende setzten. Kutschaty wollte eigentlich im Frühjahr eine Lösung präsentieren. "Wir können derzeit nur sagen, dass es Gespräche mit Eigentümern von Grundstücken gibt, die für einen Neubau in Frage kommen", sagt sein Sprecher.

Doch selbst wenn bald ein Standort gefunden werden sollte, werden noch viele Jahre vergehen, bis das neue Gefängnis steht. Bis dahin muss die alte JVA halten. Sonst drohe eine "Häftlingskatastrophe", meint Timo Karl, weil man nicht wüsste, wohin mit den vielen Insassen aus Münster. "Wir können diesen Fall derzeit nicht verkraften."

(csh)
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