Duisburg Junge Muslime besuchen Auschwitz

Duisburg · Das Duisburger Projekt soll Wissen vermitteln und helfen, Vorurteile gegenüber Juden abzubauen.

Jungen Muslimen den Holocaust nahezubringen, hat sich der Duisburger Burak Yilmaz auf die Fahne geschrieben. Seit 2012 fährt der Projektleiter mit Jugendlichen nach Auschwitz, so auch dieses Jahr. Bevor sie zu Yilmaz kommen, wissen sie wenig über den Holocaust, sagt er. Nur das, was sie im Geschichtsunterricht gelernt haben, was nicht viel sei. Stärker sei die Prägung durch die Familie: "Jude" werde von vielen muslimischen Jugendlichen als Schimpfwort verwendet, als Synonym für dreckig, hinterhältig oder abgezockt. Dem will Yilmaz entgegenwirken - und den Teilnehmern vermitteln, was in der NS-Zeit geschah.

Das gesamte Projekt "Junge Muslime in Auschwitz" geht über rund zehn Monate, die Fahrt nach Auschwitz nimmt dabei nur einen kleinen Teil ein. Vorher wird über die Familiengeschichte der Jugendlichen gesprochen. "Uns interessiert, woher sie stammen, wie sie nach Deutschland gekommen sind. Anschließend setzen wir uns mit Duisburg in der NS-Zeit auseinander - wir holen also die Geschichte vor ihre Haustür", sagt Yilmaz. Schließlich würde über den Holocaust, Antisemitismus und den Nahost-Konflikt geredet und mit diesem Input dann nach Auschwitz gefahren.

Alle Jugendlichen, die an dem Projekt teilnehmen, tun dies freiwillig. "Sie setzen sich dann intensiver mit dem Thema auseinander", sagt Yilmaz. Die Motive seien vielfältig. Einige würden sich als Antisemiten stigmatisiert fühlen und wollten das nicht mehr hinnehmen. Andere seien selbst von Rassismus betroffen. Viele erlebten auch, erzählt Yilmaz, wie in ihrer Klasse gegen Juden und andere Bevölkerungsgruppen gehetzt werde und wollten etwas dagegen unternehmen.

Für viele junge Muslime breche in Auschwitz eine Welt zusammen, sagt Yilmaz. "Gerade Jugendliche aus reaktionären muslimischen Familien realisieren zum ersten Mal, welche Leidensgeschichte die Juden erlebt haben. Sie spüren Empathie mit den Menschen, die bisher ihr Feindbild waren." Die Jugendlichen treffen in Auschwitz zudem das erste Mal auf israelische Jugendliche und unterhalten sich mit ihnen. Daraus würden Freundschaften entstehen. Aber auch etwas anderes sei wichtig. "In Auschwitz werden sie von anderen als Deutsche wahrgenommen und müssen sich für die deutsche Geschichte rechtfertigen. Einer der Jugendlichen sagte mir, er habe zum ersten Mal begriffen, welche Verantwortung das Deutschsein mit sich bringe."

Einen Pflicht-Besuch von KZ-Gedenkstätten befürwortet Yilmaz dennoch nicht. "Erst recht nicht für Flüchtlinge. KZ-Gedenkstätten sind Orte des Terrors. Viele Flüchtlinge haben selbst Terror erlebt." Man müsse auch nicht in ein KZ fahren, um zu begreifen, wie schlimm Antisemitismus sei. Yilmaz: "Das kann man auch in der Schule lernen."

(RP)
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