Issum Liebesschwüre auf Sevelener Platt

Issum · Vieles klingt einfach netter, wenn es in Mundart ausgesprochen wird. Welche Weisheiten sich in so manchem Spruch verstecken, dass erklären Anneliese und Theo Deckers. Miteinander sprechen sie übrigens Hochdeutsch.

 Für die Sevelener Anneliese und Theo Deckers ist "Platt" ein Stück Heimat.

Für die Sevelener Anneliese und Theo Deckers ist "Platt" ein Stück Heimat.

Foto: Gottfried Evers

Die ersten Erinnerungen, das sind die an Sevelen, sagt Anneliese Deckers. Das ist ihre Heimat. Das ist nicht selbstverständlich. Denn geboren ist sie in Krefeld. Als sie sprechen lernte, waren die Eltern nach Sevelen gezogen.

"Ich bin aus einer Familie, in der noch Platt gesprochen wurde", sagt die Sevelenerin. Der Vater war aus Nieukerk, die Mutter aus Sevelen. Die Nähe zur Mundart hat sie bis heute behalten. Auch wenn sie mit ihrem Mann Theo Hochdeutsch spricht. "Eine Ameland-Liebe", sagen die beiden über ihr Kennenlernen. Seit 42-einhalb Jahren sind sie miteinander verheiratet. Sprüche auf Platt, die rutschen ab und zu im Alltag doch mal heraus.

"Das ist auch ein Stück Heimat", sagt Anneliese Deckers. Einmal im Jahr sind die beiden dabei, wenn es den Heimatabend auf Platt der St.-Antonius-St.-Hubertus-Bruderschaft mit einem Theaterstück in Sevelen gibt. Da kommt dann auch manche deftige Lebensweisheit aufs Tapet. Theo Deckers hat sich hingesetzt und einige Sprüche zusammengefasst, die sich um das Leben zu zweit drehen. Zu lesen sind sie mit einem Augenzwinkern, oder wie Anneliese Deckers es ausdrückt: "Das Platt ist eine gemütliche Sprache, vieles klingt einfach netter." Beginnen wir mal mit einer deftigen Aussage: "Ingetraud, Lärve versaut", das bedeutet so viel wie: Verheiratet, dann ist es mit dem guten Leben vorbei. Vielleicht hilft es, vorher die Augen aufzumachen, zum Beispiel bei der Brautwahl. "Die Denn haert wat anne Füüt", etwas an den Füßen, also Geld zu haben, den Ausdruck kennen sicher noch viele. Es gibt auch: "Die Denn hätt kenn Stroh inne Klompen", wenn das junge Mädchen kein Stroh im Holzschuh hat, dann konnte sie sich wohl Socken leisten und war damit schon eine gute Partie. "En jonge Frau on en ald Huus, dann häste Daag on Naach Ärbett", warnt ein anderer Spruch. Für diejenigen, die der Mundart nicht so nah sind, hier die Übersetzung: "Mit einer jungen Frau und einem alten Haus hat man Tag und Nacht Arbeit."

Die "Dörpelmaid" ist ein Mädchen, das gerne zeigt, was sie hat. "Bordsteinschwalbe würde man heute sagen", übersetzt Deckers. Und "Dörpel", das sind die Stufen, die zu einem Haus führen. "Sej löpt wie Katt in ett Frugjoohr", heißt es über ein Mädchen, das um Männer wie eine Katze um den Kater im Frühjahr scharwenzelt. Wenn ein Paar nicht bis zur Hochzeit mit dem Kinderkriegen gewartet hat, dann kommentierten die Menschen in Mundart das mit einem "Die häbbe vürgekiennt (vorgekeimt), dat wor enne mottes." Die "mussten" also heiraten, weil die junge Frau schwanger war. Aber nicht nur die jungen Leute trifft die Liebe. "Dän tweede Plöck", das zweite Pflücken ist Sinnbild fürs nochmal Verliebtsein. "Ennen alden Geet löss ook gern enn grün Blädsche", ein alter Ziegenbock hat auch gern mal ein grünes Blättchen sagt in nett, dass ein alter Mann auch eine junge Frau toll finden würde. Und dann kann folgendes passieren: "Wenn ennen aalde Schür braant, braant hä lichterloh." (Wenn eine alte Scheune brennt, dann brennt sie lichterloh.) "Alte Leute sind oft stärker verliebt als junge", übersetzt Deckers.

Für alle, die noch nicht die Richtige fürs Leben gefunden haben, gibt es einen Trost: "Andere Mürdesch häm ock feine Döchter."

(RP)
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