Sieben Monate nach Germanwings-Unglück Merkel würdigt Trauerarbeit in Haltern

Haltern · Sieben Monate nach dem Absturz der Germanwings-Maschine hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Schüler in Haltern besucht. Sie sprach mit ihnen und Angehörigen über die Verarbeitung der Katastrophe.

Nach Germanwings-Unglück: Merkel besucht Gymnasium in Haltern
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Foto: afp, RP EJ

Viele sind es nicht, die vor das Joseph-König-Gymnasium in Haltern am See gekommen sind, um Angela Merkel zu sehen. Anders als sonst, wenn die Bundeskanzlerin irgendwo auftaucht, werden diesmal nur wenige Handys gezückt. Niemand fragt nach einem Selfie mit der CDU-Politikerin. Stattdessen applaudieren die Menschen verhalten, als Merkel vor dem Schulgebäude von Bürgermeister Bodo Klimpel und Schulleiter Ulrich Wessel empfangen wird.

Die 61-Jährige ist gestern Vormittag nach Haltern gekommen, um ihr Versprechen einzulösen, das sie den Familien nach dem Flugzeugabsturz bei einer Trauerfeier in Köln gegeben hat. Sie spricht mit Hinterbliebenen, mit Schülern und Angehörigen in dem Gymnasium, das um zwei Lehrerinnen und 16 Schüler trauert. Die Katastrophe war ein Schock, die Kleinstadt am östlichen Rand des Ruhrgebiets ist am 24. März zum Symbol für die Trauer um die Absturzopfer geworden. Bilder des Kerzenmeeres vor der Schule sind um die Welt gegangen.

Der Schulleiter ist froh, dass Merkel den Schülern und dem Kollegium beisteht. "Ihr Kommen ist ein Zeichen der Anteilnahme, das den Hinterbliebenen zeigt, dass ihre Kinder nicht vergessen sind."

Merkel legt auf dem Schulhof an der Gedenktafel, in der die Namen der Toten eingraviert sind, eine Blume nieder und hält für einen kurzen Moment inne. Später wird sie sagen, dass ihr in diesem Augenblick deutlich geworden sei, mit wie viel Liebe und Mitgefühl diese Schule mit dem schrecklichen Ereignis umgehe und so versuche, damit fertig zu werden.

Die Frage nach dem Warum eines solchen Unglücks könne niemand beantworten, sagt Merkel, als sie nach den vertraulichen Gesprächen auf dem Schulhof zu allen Schülern spricht. Sie sei gekommen, weil sie "deutlich machen möchte, dass ich an sie denke, dass die Bundesregierung an sie denkt, aber dass auch viele andere Menschen an sie denken."

Mit der Bundeskanzlerin ist aber auch noch einmal für einen Tag der große Medientross zurückgekehrt. Die Übertragungswagen vieler Fernsehsender stehen vor dem Schulgebäude. Die Schüler hoffen, dass es das letzte Mal gewesen ist, dass sie von den Kameras und Foto-objektiven bedrängt werden, die diesmal aber keinesfalls so intensiv und aufdringlich auf die Jugendlichen gerichtet sind wie in den Tagen nach dem Absturz. Dafür sorgt schon die Polizei, die das Gymnasium mit einem Großaufgebot abschirmt.

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Foto: ap

Es gibt viele Schüler, die es nicht so gut finden, dass die Kanzlerin sieben Monate nach dem Unglück zu ihnen in die Schule gekommen ist. Das reiße die noch nicht verheilten Wunden wieder von Neuem auf, sagt eine Oberstufenschülerin, die mit vielen der Toten befreundet gewesen ist. Es seien besonders die immer gleichen Fragen nach Normalität, die ihr und den anderen Schülern gestellt werden und die sie nerven. "Normalität?", fragt die angehende Abiturientin. "Normalität kann es nach so einem schrecklichen Ereignis für keinen von uns mehr geben."

Eine Einschätzung, die auch Schulleiter Ulrich Wessel teilt. Zwar, sagt er, herrsche auf den Gängen und Fluren seines Gymnasiums eine scheinbare Unbefangenheit. Schaue man aber genauer hin, so stelle man fest, dass das nur eine oberflächliche Gelassenheit sei. "Besonders bei den älteren Schülern, die die Toten kannten, spüre ich nach wie vor eine tiefe Trauer", sagt er. Aber es sind nicht nur seine Schüler, die die Tragödie nicht verarbeitet haben. Auch Wessel selbst leidet. "Aber es geht hier nicht um mich, sondern um die Angehörigen", sagt er, wenn man ihn auf seine Gefühle anspricht. Die Bilder von der Beisetzung, von der tiefen Trauer, holen ihn wieder ein. Im Frühjahr, zum Jahrestag des Absturzes, will er mit Schülern nach Frankreich fliegen und zur schwer zugänglichen Unglücksstelle wandern. Er hofft, dass das Unfassbare dadurch vielleicht ein wenig fassbarer wird.

Um 13.30 Uhr steigt Merkel wieder in ihre Limousine. Mit ihr verschwinden auch die Kameras und Übertragungswagen. Die Schüler hoffen für immer.

(csh)
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