Schwerin Gesichter eines Wahlabends

Schwerin · Ein Jahr vor der Bundestagswahl ist die AfD nicht zu stoppen. In Mecklenburg-Vorpommern überrollt sie die CDU von Kanzlerin Merkel. Die rot-schwarze Koalition zieht sich erhebliche Schrammen zu.

Als die ersten Prognosen über die Fernsehgeräte huschten, gab es unter den Parteianhängern kein Halten mehr. Jubelschreie, in die Luft gestreckte Arme, weit aufgerissene Augen. 21,4 Prozent. Für die AfD ein historisches Ergebnis - wieder müsste es wohl heißen. Bereits im März erreichte die Partei 24,3 Prozent in Sachsen-Anhalt. Das Schweriner Schloss - der Sitz des Landtags in Mecklenburg-Vorpommern - fest im Blick feierten die AfD-Anhänger nun im Segelclub an der Schweriner Schlossbucht. Rund 90 Journalistenteams nicht nur aus Deutschland, sondern aus diversen Ländern wie China, Schweden und Russland waren angereist, um die Wahlparty zu beobachten. "So viel Interesse haben wir noch nie gehabt", sagte AfD-Sprecher Frank Kortmann. "Das Ergebnis hat große Symbolkraft für die Bundestagswahl in einem Jahr", sagte Bundesparteivize Alexander Gauland bei der Feier.

Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry sieht im Wahlerfolg ihrer Partei vor allem ein Signal gegen die bisherigen Parteien. Die AfD habe aus allen Parteien Wähler für sich gewinnen können, sagte Petry. "Das liegt daran, dass sie die Wähler zu lange nicht gehört haben." Dass ein Teil der Wähler von der NPD zur AfD gewandert ist, wollte sie nicht als Problem sehen. Doch auch diese Szene gab es bei der Wahlparty in Schwerin, auf der auch Vertreter der sogenannten Neuen Rechten gesehen werden: Bei der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen brandete der Applaus noch einmal besonders auf, als das Scheitern der rechtsextremen NPD und der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde deutlich wird.

Auch bei der SPD gab es großen Jubel. Mit 30,4 Prozent schnitt die Partei zwar knapp fünf Prozentpunkte schlechter ab als 2011, doch stärkste Kraft blieb die SPD dennoch. Ministerpräsident Erwin Sellering schwärmte vom "schwersten, aber auch schönsten Wahlkampf". Die Sozialdemokraten feierten in einem italienischen Restaurant in der Schweriner Innenstadt. Der Beifall bei den Genossen wollte kaum enden, dazu gab es frenetische "Erwin, Erwin"-Sprechchöre.

Bei den Grünen herrschte bis zuletzt noch Zuversicht, dass die Partei im Landtag vertreten sein würde. Als dann aber um 18 Uhr die erste Hochrechnung eintraf, entglitten den Parteimitgliedern die Gesichtszüge. Mit 4,7 beziehungsweise 4,9 Prozent (je nach Institut) scheitern die Grünen wohl an der Fünf-Prozent-Hürde.

CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier räumte nach dem historisch schlechten Ergebnis seiner Partei (19,1 Prozent) ein: "Wir haben alles versucht, eine gute Mannschaft gehabt und gute Themen gesetzt. Aber wir mussten feststellen, dass diese Themen die Menschen nicht erreicht haben. Denn die Menschen werden derzeit vor allem von Emotionen bestimmt." Nun müsse man sich mit der AfD auseinandersetzen. Caffier schob die Schuld nach Berlin: Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern habe sich in einer Situation befunden, "dass die positiven landespolitischen Entwicklungen, die wir alle gemeinsam hier im Land erreicht haben, die Bevölkerung nicht ansatzweise erreicht haben. Es gab nur ein Thema: Und das hieß und heißt Flüchtlingspolitik". Spekulationen über einen möglichen Rücktritt von der Parteispitze wies Caffier zurück: "Ich werde gemeinsam mit der Mannschaft weiterkämpfen", versprach er.

Die FDP mit ihrer Spitzenkandidatin Cécile Bonnet-Weidhofer stellte erneut ihre Schwäche in Ostdeutschland unter Beweis, wo sie bei den vergangenen Wahlen stets den Sprung in die Landtage verpasst hat. Sie konnte nicht an ihre Erfolge in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz anknüpfen.

Die Linkspartei erlebte einen rabenschwarzen Wahltag. Sie fuhr mit ihrem Spitzenkandidaten Helmut Holter das schlechteste Ergebnis seit 1990 ein. Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren hatte die Linke noch 18,4 Prozent erreicht, jetzt nur noch 12,9 Prozent. Holter, der einst der erste Linke-Minister einer Landesregierung war, zeigte sich besonders geschockt vom starken Ergebnis der AfD. Mit Blick auf die künftige Arbeit im Parlament sagte er vor rund 60 Anhängern: "Unsere Aufgabe ist es nun, dieser Partei die Maske des Biedermanns herunterzureißen, damit die Fratze des Hasses sichtbar wird."

(RP)
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