Wir in NRW Frauenförderung vertagt

Düsseldorf · Deutschland zählt in Sachen Gleichstellung im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern. Die neue schwarz-gelbe Landesregierung räumt dem Thema auch nicht gerade hohe Priorität ein.

Wir in NRW: Frauenförderung vertagt
Foto: Kirsten Bialdiga

Emmanuel Macron findet in Frauenfragen klare Worte. Der wirtschaftsliberale französische Präsident braucht nur eine Zahl, um die Lage zu beschreiben: 20. In westlichen Ländern gelte die 20-Prozent-Regel, heißt es im Programm seiner Partei En Marche: 20 Prozent der Parlamentsposten sind für Frauen, 20 Prozent weniger Gehalt bekämen sie, 20 Prozent der Frauen würden im Lauf ihres Lebens vergewaltigt — und nur 20 Prozent der unbezahlten Hausarbeit übernähmen Männer. Als Konsequenz fordert Macron für die Hälfte der Menschheit 50 Prozent der Posten.

Für Frauen in Deutschland klingen solche Ziele wie aus einer anderen Welt. Wenn es überhaupt Quoten oder Zielgrößen gibt, dann liegen sie allerhöchstens bei 40 Prozent, meist aber weit darunter. Der Frauenanteil in Konzernvorständen deutscher Unternehmen liegt im Schnitt gerade mal bei knapp sieben Prozent, eine Quote gibt es nicht.

Fast 70 Prozent der Firmen, darunter viele aus NRW, finden sich sogar explizit mit einem Frauenanteil von Null ab. Was für eine Ohrfeige — Chefs von Konzernen mit zum Teil mehr als 100.000 Beschäftigten wollen es gar nicht schaffen, auch nur eine einzige Frau in eine Spitzenposition zu holen. Und Bundesfrauenministerin Katarina Barley (SPD) gewährt ihnen weiteren Aufschub.

Auch von der neuen schwarz-gelben Koalition in NRW gehen in Frauenfragen nicht gerade ermutigende Signale aus. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen beseitigen CDU und FDP die Dienstrechtsreform ihrer Vorgänger. Bei "im Wesentlichen gleicher Eignung" sollten Frauen nach dem Willen von Rot-Grün bei der Besetzung von Landesstellen Vorrang haben, um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen.

FDP-Chef Christian Lindner sah darin jedoch einen Verstoß gegen das Leistungsprinzip. Eine Auffassung, die beispielsweise der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, nicht teilt. Er wendet ein, es habe schon öfter Ausnahmen vom Leistungsprinzip gegeben.

Allerdings hätten davon bisher praktisch ausschließlich Männer profitiert: "Offensichtlich wird es weniger hinterfragt, wenn Männern ein Ausgleich dafür gewährt wird, dass sie aus letztlich gesamtgesellschaftlich zu verantwortenden Gründen am beruflichen Fortkommen gehindert werden", hatte er im Stile eines Feministen erklärt. Zwar verspricht die neue Landesregierung nun ein wirkungsvolleres Instrument der Frauenförderung. Doch bis dahin wird es wohl mindestens ein Jahr dauern.

Vertrauenerweckend ist es dabei nicht gerade, dass dem neuen zwölfköpfigen NRW-Kabinett nur vier Frauen angehören.

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(kib)
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