Düsseldorf Reker-Attentäter zeigt keine Reue

Düsseldorf · Im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf nimmt Frank S. das Urteil - 14 Jahre Haft - gelassen entgegen. Doch bei der Auflistung seiner Kindheits- und Jugendjahre schießen ihm Tränen in die Augen.

Frank S. hat das letzte Wort
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Foto: dpa, ve sab

Verstohlen wischt sich Frank S., der im Prozess bislang eher einen kühlen Eindruck gemacht hat, ein paar Tränen aus den Augen. Soeben hat Richterin Barbara Havliza im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf das Urteil verkündet: Für sein Messerattentat auf die Kölner Politikerin Henriette Reker soll der 45-Jährige 14 Jahre hinter Gitter. Frank S. hat das Urteil mit hochgerecktem Kopf anscheinend ungerührt angehört. Doch jetzt, da die Richterin bei der Urteilsbegründung seine Vita auffächert, werden ihm mehrfach die Augen feucht. Nicht aus Reue, sondern aus Mitleid mit sich selbst.

Bis zu seinem vierten Lebensjahr wuchs S. in Düsseldorf in einem verwahrlosten Elternhaus auf. Schließlich übergab ihn das Jugendamt einer Bonner Pflegeeinrichtung. Auch dort hatte S. offenbar einen schweren Stand. Er wurde geschlagen und später regelrecht isoliert. Als er 18 war und die Pflegeeltern kein Geld mehr vom Staat erhielten, setzte man ihn kurzerhand vor die Tür.

In diesen jungen Jahren bildete sich bei S. nach Expertenmeinung eine doppelte Persönlichkeitsstörung heraus. Die Rede ist von paranoiden und narzisstischen Tendenzen. Er gelte als aufbrausend, rechthaberisch und fühle sich ständig benachteiligt. All dies, so Barbara Havliza, habe das Gericht bei seiner Urteilsfindung zu berücksichtigen gehabt und deshalb von einer lebenslangen Freiheitsstrafe, wie sie die Bundesanwaltschaft gefordert hat, abgesehen. Die Richterin Havliza erklärte in ihrer rund einstündigen Urteilsbegründung, das Gesetz sehe auch bei Mordversuch eine zeitliche Haftstrafe vor.

Allerdings nehme man dem Täter nicht ab, dass er mit seinem Messerangriff die parteilose Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin Reker nur habe verletzen wollen, wie er seit Prozessbeginn Mitte April stets beteuert hat. Gegen diese Behauptung sprächen die gründliche Planung, die Auswahl des schweren "Rambo-Messers" (das er zehn Zentimeter tief in Rekers Hals stieß) sowie seine Einlassungen unmittelbar nach der Tat. Er habe Reker töten wollen, um ein Zeichen zu setzen, habe Frank bei seiner Festnahme erklärt und hinzugefügt: "Ich habe das für euch alle getan."

Doch warum ausgerechnet Reker? S. ist ein Rechtsradikaler. Seine E-Mail-Adresse beinhaltete die Ziffernkombination 1488 - in der Szene das Synonym für "Deutschland. Heil Hitler". Quer über den Bauch hat er sich in seiner Bonner Zeit den Schriftzug der rechtsradikalen Gang "Berserker" tätowieren lassen. Wegen Schlägereien mit Körperverletzung hat er bereits von 1998 bis 2000 im Gefängnis gesessen. Danach wollte er eigenen Worten zufolge "ein neues Leben anfangen" und zog nach Köln um.

In seiner dortigen Wohnung fand die Polizei nach der Bluttat rechtsradikale Schriften und Musik-CDs. Reker ist für S. die Repräsentantin einer völlig verfehlten Flüchtlingspolitik. Die Frau, bis zur OB-Wahl Kölner Sozialdezernentin, habe sich nur um die Flüchtlinge gekümmert und sei eine "Marionette der Grünen". Im Prozess hat er sein Opfer als "linksradikale Schickeria-Ideologin" beschimpft. Gegen diese Politik müsse er Widerstand leisten, hat er sich eingeredet. Vor Gericht hat er sogar ausgesagt, dass er am liebsten Angela Merkel getötet hätte, aber an die Kanzlerin sei nicht heranzukommen.

Reker dagegen, die Kölns Oberbürgermeisterin werden wollte (und es dann auch wurde), stand an jenem 17. Oktober 2015 morgens arglos und ungeschützt an ihrem Wahlkampfstand, um Rosen an Passanten zu verteilen. Da kam S. auf sie zu, zog das schwere Messer aus der Hose und stach zu. "Zack, zack", so hat er den Vorgang vor Gericht beschrieben. Danach sei für ihn "die Sache gegessen" gewesen. Als Umstehende auf ihn zueilten, verletzte er allerdings drei weitere Menschen mit dem Messer.

"Ich hoffe, dass das Urteil auch für meine Unterstützerinnen und Unterstützer, die bei dem Messerangriff verletzt worden sind, ein Schlussstrich sein kann, der hilft, die körperlichen und seelischen Verletzungen zu überwinden", sagte Henriette Reker in einem Statement. "Ich wünsche dem Attentäter, dass er zu der Einsicht kommt, dass Hass und Gewalt keine Lösung sind." Sie werde nun nach vorne schauen und sich "weiterhin mit ganzer Kraft" ihrer Arbeit für die Stadt Köln widmen.

Für den Mordversuch an Reker und die Verletzung ihrer Begleiter soll Frank S. nun 14 Jahre büßen. Die Bundesanwaltschaft sagt, sie werde das Urteil in Ruhe prüfen. Frank S. dagegen kündigt noch im Gerichtssaal Revision an.

(hüw)
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