Paderborn "Es ging ihnen um Machtausübung"

Paderborn · Das Folterpaar von Höxter muss sich seit gestern wegen zweifachen Mordes vor Gericht verantworten.

Wilfried W. versteckt sich nicht vor den Kameras. Im Gegenteil. Der 46-Jährige schaut fest in die Objektive, wirkt selbstbewusst, fast gleichgültig. Anders seine Ex-Frau Angelika W. Die 47-Jährige hält sich noch eine Aktenmappe vors Gesicht, als die Fotografen den Saal verlassen haben. Auch Wilfried W. wird sie an diesem ersten Prozesstag keines Blickes würdigen. Ihr Anwalt, Peter Wüller, hatte gesagt, seine Mandantin solle möglichst weit weg von Wilfried W. sitzen, damit er sie nicht beeinflussen könne. Im April waren beide verhaftet worden.

Als "Folterpaar von Höxter" erreichten sie zweifelhafte Berühmtheit. Die Staatsanwaltschaft wirft Angelika und Wilfried W. zweifachen Mord durch Unterlassen vor, zudem 30 Fälle von Körperverletzung. Sie sollen mindestens sechs Frauen schwer misshandelt haben, zwei weitere Frauen starben. Möglicherweise gibt es noch mehr Opfer. Die Ermittlungen dauern an. Die Akten füllen mehr als 3000 Seiten.

Das Paar habe laut Anklage im Sommer 2013 entschieden, dass "Wilfried eine neue Partnerin benötigt." Die Verbindung sollte ein Ziel haben: das Leben der neuen Frau zu kontrollieren und sie wie eine Leibeigene zu halten, heißt es in der Anklageschrift. Wilfried W. schaltete eine Anzeige. Anika W. antwortete, damals 33 Jahre alt. Im Herbst 2013 zog sie bei ihm und Angelika W. ein.

Bald darauf soll das Paar begonnen haben, die Mitbewohnerin zu quälen. Laut Anklage überschüttete Wilfried W. sie unter anderem mit kochend heißem Tee und stellte seinen Fuß auf ihre Kehle, wenn sie am Boden lag. "Die Misshandlungen führten dazu, dass ihr Wille gebrochen wurde", sagt Staatsanwalt Ralf Meyer. Es ginge um Machtausübung, Manipulation und Erniedrigung. Folgt man der Anklage, hat das Paar die Frau in einer Badewanne im Keller angekettet. Einmal soll Angelika W. die Wanne vollaufen lassen haben, in der Anika W. mit dem Kopf nach unten lag. Wilfried W. zog die Bewusstlose heraus, ließ sie liegen, bis sie zu sich kam. Spätestens im August 2014 konnte Anika W. nicht mehr gehen. Bei einem Sturz verletzte sie sich so schwer am Kopf, dass sie verstarb. Ihre Leiche soll das Paar verbrannt haben.

Keine zwei Jahre später soll das Paar Susanne F. aus Niedersachsen in ihr Haus gelockt haben. Auch die 41-Jährige soll von beiden misshandelt und gedemütigt worden sein. Am 21. April dieses Jahres entschieden Angelika und Wilfried W. aber, die todkranke Frau zurück nach Niedersachsen zu bringen. Als das Auto eine Panne hatte, rief Angelika W. einen Krankenwagen. Die Ärzte verständigten die Polizei. Susanne F. starb am 21. April in der Klinik.

Nach Verlesung der Details durch den Staatsanwalt versicherte der Vorsitzende Richter der Ersten Großen Strafkammer, Bernd Emminghaus, dass bei allem Medienrummel Grundlage der Entscheidung nur das sein werde, was Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sein wird. Der erste Prozesstag endet mit einem Antrag von Detlef Binder, der Wilfried W. verteidigt. Er zweifelt die fachliche Kompetenz des psychiatrischen Gutachters an. Die Kammer hat den Antrag vorerst zurückgestellt. Angelika W. hat die Taten schon vor dem Prozess gestanden und will sich auch vor Gericht äußern. Sie belastet ihren Ex-Mann schwer. Der schweigt, nachdem er in einer ersten Vernehmung die Vorwürfe bestritten hat. Ein Urteil wird für Ende März erwartet. Beiden Angeklagten drohen lebenslange Haftstrafen.

(RP)
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