Berlin/Neu-Delhi Der Dieselmotor ist deutsche Staatsräson

Berlin/Neu-Delhi · Wie sehr der Diesel zu Deutschland gehört, erfährt man ausgerechnet in Indien. Denn am Smog über Großstädten wie Delhi oder Mumbai ist Deutschland nicht unschuldig. Das behauptet zumindest die Umweltaktivistin Sunita Narain. Jedes Mal, wenn man aktiv gegen Diesel-Fahrzeuge vorgegangen sei, habe jemand von der deutschen Botschaft sie attackiert, sagte die indische Aktivistin bei einem Treffen im vergangenen Jahr.

Und so sind es ausgerechnet Indien und Europa, die beim Verkehr einen Sonderweg gehen. Während der Anteil an Diesel-Fahrzeugen in den USA, Japan oder China laut einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger unter fünf Prozent liegt, fuhr 2015 in Europa und Indien mehr als jedes zweite Fahrzeug mit Selbstzünder. Immer wieder hat sich die deutsche Politik für die Automobilindustrie starkgemacht - und dabei auch eine höhere Umweltbelastung in Kauf genommen. Nicht nur durch Diesel, auch durch Benziner.

Seit der Abgasskandal bei Volkswagen vor zwei Jahren bekannt wurde, steht die Branche unter verschärfter Beobachtung. Doch Fortschritte gibt es kaum.

Nach einer gestern vorgestellten Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) verbrauchen Neuwagen in Europa immer noch viel mehr Sprit als von den Herstellern angegeben. Demnach liegt der reale Verbrauch neuer Pkw im Durchschnitt um 42 Prozent höher als im Testbetrieb. Noch vor zehn Jahren seien es nur etwa 15 Prozent gewesen, sagte Peter Mock vom ICCT. Die Forschungsorganisation hatte den VW-Diesel-Skandal in den USA mit aufgedeckt. Der höhere Verbrauch bedeute nicht nur eine stärkere Belastung der Umwelt, sondern auch Mehrkosten für Sprit von rund 400 Euro pro Jahr.

In Zukunft sollen Tests in der EU weniger Schlupflöcher bieten. Auch wird gerade über schärfere Grenzwerte bei den Abgasen diskutiert. Die Grünen würden den Verbrennungsmotor in Deutschland am liebsten ab 2030 verbieten. Unterstützung finden sie bei den Sondierungen bislang nicht - nun rückt Parteichef Cem Özdemir vom Datum 2030 ab und verlangt nur noch "ein klares Bekenntnis, dass wir alles dafür tun, um die Fahrzeuge der Zukunft zu bekommen".

(frin)
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