Analyse "Das Turbo-Abitur ist tot"

Düsseldorf · "Rette sich, wer kann", so lautet jetzt die Devise bei Rot-Grün, wenn es um das Abitur nach acht oder neun Gymnasialjahren (G 8/G 9) geht.

Die Anhänger von G 8 sind zu einer Minderheit geschrumpft; die große Mehrheit fordert die Abschaffung des Turbo-Abiturs. Das Festhalten an G 8 könnte also Wählerstimmen kosten. Diese düstere Aussicht hat Schulministerin Sylvia Löhrmann, die nächste Woche auf dem Parteitag der Grünen zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2017 gewählt werden will, zu einem radikalen Vorstoß veranlasst: Sie fordert nun die Flexibilisierung aller Schulstufen und -formen nach dem Motto: "Jedem Kind seine Lernzeit."

Allerdings weiß noch niemand, wie dies mit den vorhandenen Ressourcen umgesetzt werden kann. Vielleicht Löhrmann selber nicht. Für sie kommt es aber wohl in erster Linie darauf an, den lästigen G 8-Klotz endlich vom Bein zu bekommen. Die Brisanz ihrer überraschenden Kehrtwende ist ihr bewusst, denn sie beteuert, ihren Vorschlag nicht als Ministerin, sondern als Grünen-Politikerin gemacht zu haben. Diese Differenzierung wirkt allerdings geradezu grotesk. Man könnte ihr Vorpreschen auch als Revanche dafür werten, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) vor der Sommerpause ein Zwei-Milliarden-Hilfspaket für Schulen angekündigt hat, ohne sich mit den Grünen ausreichend zu verständigen.

Mit ihrem Überraschungs-Coup ist Löhrmann jedenfalls der SPD zuvorgekommen, deren Landesparteitag ebenfalls übernächsten Samstag stattfindet. Parteichefin Kraft ist bisher der Frage ausgewichen, wie es mit dem Turbo-Abitur weitergehen soll. Stattdessen hat sie - wie bis vorgestern auch Löhrmann - auf den für November anberaumten Runden Tisch verwiesen. Doch eine Debatte über G 8/G 9 ist auf dem SPD-Parteitag nächste Woche unausweichlich. Deshalb wird jetzt auch die SPD ein offizielles Rückzugsgefecht starten, indem sie sich beispielsweise für die Flexibilisierung der Oberstufe stark macht.

Im Wettlauf um die Beerdigung von G 8 aber hatte Löhrmann den Fuß in der Tür; sie wollte sich das Thema nicht von der SPD wegnehmen lassen. So sieht es auch der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft VBE, Udo Beckmann. Was auch immer am Ende dabei herauskommen mag - die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer dürfte wohl richtig liegen mit ihrer Einschätzung: "Das Turbo-Abi ist tot."

(hüw)
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