Nrw-Schulministerin Sylvia Löhrmann "Bessere Schul-Ausstattung gibt es nur schrittweise"

Düsseldorf Sylvia Löhrmann muss lachen, wenn man fragt, ob sie Filme über das Internet streamt. Dafür fehle ihr die Zeit. Hin und wieder würde sie eine Folge der Serie "Borgen" gucken - auf DVD. Die 58-Jährige hat ein distanziertes Verhältnis zum Internet. Sie geht lieber in Geschäfte, statt bei Amazon zu bestellen, zieht gedruckte Bücher E-Books vor. Gleichzeitig muss sie sich in ihrem Beruf immer stärker mit neuen Technologien auseinandersetzen, denn an den Schulen werden digitale Medien immer wichtiger - und könnten langfristig das traditionelle Schulmodell sogar infrage stellen.

Düsseldorf Sylvia Löhrmann muss lachen, wenn man fragt, ob sie Filme über das Internet streamt. Dafür fehle ihr die Zeit. Hin und wieder würde sie eine Folge der Serie "Borgen" gucken - auf DVD. Die 58-Jährige hat ein distanziertes Verhältnis zum Internet. Sie geht lieber in Geschäfte, statt bei Amazon zu bestellen, zieht gedruckte Bücher E-Books vor. Gleichzeitig muss sie sich in ihrem Beruf immer stärker mit neuen Technologien auseinandersetzen, denn an den Schulen werden digitale Medien immer wichtiger - und könnten langfristig das traditionelle Schulmodell sogar infrage stellen.

Werden Lehrer durch die Digitalisierung überflüssig?

Sylvia Löhrmann Nein. Lehrer werden in der Schule immer eine Schlüsselrolle einnehmen. Digitale Medien bereichern den Unterricht, sie sind Werkzeuge, die pädagogische Konzepte nicht ersetzen, sondern darin integriert sind.

Im Grunde ist die Digitalisierung für Lehrer doch ein Fluch - sie können schließlich gar nicht mehr kontrollieren, ob Schüler ein Referat selbst erarbeitet oder nur mit Hilfe von Google zusammengestückelt haben.

Löhrmann Lehrer merken sehr schnell, ob Jugendliche etwas verstanden oder nur auswendig gelernt haben. Natürlich sollen Jugendliche neue Medien nutzen, aber sie sollen die Dinge auch durchdringen. In der Digitalisierung liegt eine große Chance, weil Lehrer die Schüler individueller fördern können. Auch die Inklusion kann davon profitieren. Deswegen verankern wir die Medienkompetenz systematisch in der Lehrerausbildung.

Eigentlich müssten Sie doch erstmal allen Lehrern über 50 Jahren eine Online-Fortbildung anbieten, oder?

Löhrmann Sie unterschätzen die Generation Ü-50. Es kommt darauf an, die Lehrer, die mit digitalen Medien noch nicht so vertraut sind, zu ermutigen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Rund 80 Prozent der Schüler in NRW sagen laut einer Studie des IT-Branchenverbands Bitkom, dass ihre Lehrer digitalen Medien positiv gegenüberstehen. Gleichzeitig sind an zwei Drittel der Schulen Handys im Unterricht verboten. Warum tun sich Lehrer so schwer, die moderne Technik in den Unterricht einzubauen?

Löhrmann Das zeigt, dass es nicht um das "Ob", sondern um das "Wie" geht. Manchmal hat ein Lehrer einfach nur Sorge, dass die Technik nicht klappt, wenn es darauf ankommt und sie dann doch nicht allen zur Verfügung steht. Daher müssen wir mit den Kommunen an einer besseren Ausstattung arbeiten.

Den Kommunen fehlt dafür oft das Geld. Reiche Städte können Schulen mit Tablets ausstatten, in armen Kommunen gibt es nur den Overhead-Projektor.

Löhrmann Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Ausstattung bei den Kommunen. Natürlich sollten Schulen und Schulträger die Digitalisierung im Blick haben, wenn sie Anschaffungen vornehmen - das geschieht aber auch. Das Land ist im Austausch mit den Kommunalen Spitzenverbänden über die zeitgemäße - auch digitale - Ausstattung von Schulen. Vor ein paar Jahren gab es bereits eine gemeinsame Ausstattungsinitiative bei der Anschaffung von PCs.

Sollte nicht der Bund ein Programm für ganz Deutschland auflegen?

Löhrmann Gerne. Ich habe aber den Eindruck, dass die Digitalisierung für das Bundesbildungsministerium keine große Rolle spielt.

Was ist mit dem gestalterischen Ehrgeiz von NRW? Immerhin will Rot-Grün das Land zum "Place to be" der Digitalwirtschaft machen.

Löhrmann Das stimmt. Deswegen werden wir auch Mittel aus der Versteigerung der Funklizenzen für die Digitalisierung einsetzen, und wir sind in Gesprächen mit der EU. Natürlich werden wir beim Breitbandausbau darauf achten, öffentliche Einrichtungen wie Schulen oder die Zentren für die schulpraktische Lehrerausbildung mit anzuschließen.

Da haben die Schüler wenig von, wenn in den Schulen Geräte fehlen.

Löhrmann Eine bessere Ausstattung ist nur Schritt für Schritt zu erreichen.

Woher sollen die Informatiklehrer kommen, wenn schon in der freien Wirtschaft Programmierer fehlen?

Löhrmann Indem wir intensiv für den Lehrerberuf werben. Es gibt junge Frauen und Männer, die Spaß an den MINT-Fächern haben und nicht in einem Unternehmen, sondern lieber pädagogisch arbeiten wollen. Und natürlich bilden wir auch Informatik-Lehrkräfte aus.

In Australien lernen Schüler per Video-Konferenz. Wäre so etwas für Deutschland denkbar?

Löhrmann Das gibt es zum Teil schon, zum Beispiel wenn Schüler längerfristig krank sind. Das wird aber als Notlösung verstanden.

Sie glauben also nicht, dass es in 20 Jahren Online-Schulen gibt?

Löhrmann Ich kann mir vorstellen, dass es mehr Online-Elemente gibt. Aber ich glaube nicht, dass Schule ausschließlich so gestaltet wird. Dazu ist der Bedarf an unmittelbarer menschlicher Kommunikation zu wichtig. Schule ist mehr als die Aneinanderreihung von 45-Minuten-Takten - sie ist Theaterspiel, miteinander Lernen, Gestaltung. Das ist für die Persönlichkeitsentwicklung ungeheuer wichtig und aus einer guten Schule nicht wegzudenken.

FRANK VOLLMER UND FLORIAN RINKE FÜHRTEN DAS GESPRÄCH. WEITERE ANTWORTEN FINDEN SIE AUF RP-ONLINE.

(frin)
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