Freizeit im Sauerland Wandern auf dem Waldskulpturenweg

Schmallenberg · Kunst im Museum kennt jeder. Im Sauerland haben elf Künstler ihre Werke in die Natur gesetzt. 23 Kilometer lang ist der Waldskulpturenweg bei Schmallenberg. Die Kunstwerke überwinden auch Grenzen, wo eigentlich gar keine mehr sein sollten.

Der Waldskulpturenweg in Schmallenberg
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Der Waldskulpturenweg in Schmallenberg

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Foto: dpa

Hoch auf dem Berg blitzt ein metallenes Rechteck in der prallen Sonne. Weiße Wolken am blauen Himmel huschen über die blankpolierte Metallwand, die mit ihren Ausmaßen von 11,83 Meter mal 7,19 Meter unwillkürlich an die Filmleinwand eines Autokinos erinnert. "Blinker II. Ein Lichtspieltheater" nennt der Künstler Timm Ulrichs denn auch sein Werk, bei dem Licht und Luft, die Sonne und vor allem der Wind die Regie führen. Ulrichs Metallwand besteht aus 196 einzelnen Edelstahl-Segmenten, die sich bei jedem Luftzug bewegen.

"Blinker II. Ein Lichtspieltheater" wurde im Oktober 2010 als letztes von elf Kunstobjekten am Waldskulpturenweg zwischen Schmallenberg im Hochsauerland und Bad Berleburg im Wittgensteiner Land eingeweiht. "Damit endete eine zwölfjährige Geschichte", so Projektleiter Wolfgang Völker aus Bad Berleburg.

Nichts dem Zufall überlassen

Der pensionierte Sparkassendirektor ist hin und wieder mit Wanderern auf dem Kunstpfad unterwegs und erinnert sich noch genau an dessen Entstehungsgeschichte: "Schon 1996 hatten wir in Bad Berleburg mit der Wittgensteiner Akademie Mal- und Bildhauerkurse etabliert." Doch das Interesse daran war nur mäßig, und so kamen die Kunstfreunde auf die Idee, Kunstwerke aus Holz in der freien Natur des waldreichen Wittgensteiner Landes zu zeigen. Daraus entwickelte sich der Gedanke des Waldskulpturenweges zwischen zwei Regionen, dem Hochsauerland und Siegen-Wittgenstein.

Wer heute als Wanderer auf der 23 Kilometer langen Route unterwegs ist, merkt schnell beim Betrachten der großformatigen Objekte: Der Waldskulpturenweg ist mehr als nur eine Aneinanderreihung von elf Werken renommierter Künstler. Nichts ist hier zufällig.

Das wird besonders deutlich bei Ansgar Nierhoffs überdimensionaler Stahlplastik auf dem Kamm des Rothaargebirges in mehr als 700 Meter Höhe. "Kein leichtes Spiel" heißt das Kunstwerk, das im Jahr 2000 als erstes Objekt am Waldskulpturenpfad aufgestellt wurde. Massive, geöffnete Stahltore und Verschlussplatten, mit einem Gewicht von 64 Tonnen, installiert im Fichtenwald auf der Grenzlinie zwischen dem Hochsauerland und dem Wittgensteiner Land.

Es sind zwei Nachbarregionen, wie sie unterschiedlicher wohl kaum sein können: Auf der einen Seite Schmallenberg im kurkölnischen Hochsauerland, katholisch geprägt und westfälisch. Auf der anderen Seite Bad Berleburg im Wittgensteiner Land, ab dem 14. Jahrhundert durch die Grafen und Fürsten des Hauses Sayn-Wittgenstein beherrscht und seit der Reformation evangelisch-calvinistisch ausgerichtet.
Familiäre Verbindungen etwa durch Heirat galten über viele Generationen als unerwünscht.

Ein Wald, zwei Kulturen

Auch die Sprache ist unterschiedlich. Während die Sauerländer im Norden Niederdeutsch sprechen, ist die Berleburger Mundart dem mitteldeutschen Dialekt verwandt. Und bis heute besteht zwischen den beiden Städten weder eine direkte Straßenroute, noch gibt es eine schnelle Busverbindung.

Die Fahrt mit dem Auto über das Rothaargebirge dauert 40 Minuten.
Für Reisende mit dem Linienbus führt der Umweg stets über Winterberg mit einer Fahrtzeit von eineinhalb Stunden. "Kein leichtes Spiel" also für die Menschen diesseits und jenseits der Rothaargipfel zusammenzukommen.

Der Waldskulpturenweg schafft dagegen die erste Direktverbindung zwischen Schmallenberg und Bad Berleburg. Damit baut die gekennzeichnete Kunstroute auf ihre besondere Weise Brücken zwischen Kulturen, Religionen, Regionen und Sprachen. Sportliche Tourengeher bewältigen die Strecke - Start und Ziel ist jeweils an den Rathäusern der beiden Städte - in einem flotten Marsch von sechs bis acht Stunden. Die Rückfahrt ab Bad Berleburg erfolgt mit dem Linienbus über Winterberg zurück nach Schmallenberg.

Zwischen Hängebrücke, Kunst und Rothaargebirge

Genusswanderer sollten sich jedoch Zeit nehmen und eine Übernachtung einplanen, um Deutschlands ungewöhnlichen Kunstweg zu erleben. Zwischendurch lockt der Abstecher auf den Fernwanderweg Rothaarsteig mit der 40 Meter langen Hängebrücke, die im Buchenforst über eine Talschlucht schwingt.

Ein wenig Fitness kann bei der Tour zur Kultur nicht schaden, da etliche Höhenmeter überwunden werden: Von 380 Metern in Schmallenberg geht es über Grafschaft stetig bergan bis zum Rothaar-Gebirgskamm bei Schanze auf 720 Meter, weiter über Kühhude (700 Meter), danach talwärts bis Bad Berleburg, 420 Meter hoch gelegen.

Auch wer nur einen Tag Zeit hat, kann zur Kunst kommen. Mit dem Auto geht es dann bis zu den Wanderparkplätzen in Schmallenberg-Schanze oder Bad Berleburg-Kühhude. Zwischen den beiden Orten sind auf einer Teilstrecke von wenigen Kilometern gleich drei Kunstwerke zu erleben. Den Anfang macht Heinrich Brummacks monumentale Skulptur "Der Krummstab". Nahe des einsamen Dörfchens Schanze erinnert sie an das benachbarte Benediktinerkloster Grafschaft und dessen Gründung im Jahr 1072.

Das Kunstwerk weist auf die Jahrhunderte währende Macht hin, die erst 1804 mit der Säkularisation endete - das Kloster wurde aufgelöst, die Bedeutung des Krummstabes als bischöfliches Zeichen verschwand. Daran erinnert die Gravur an der über sieben Meter hohen Landmarke, ein Zitat von Martin Luther: "Eine allzu große Macht stürzt durch ihre eigene Masse".

(dpa)
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