Info Von der Gefängnisinsel zum Strandparadies

Die größte vietnamesische Insel Phu Quoc hat eine bewegte Vergangenheit. Die Schrecken des Vietnamkriegs werden in einem Museum dokumentiert - und bilden einen krassen Kontrast zur Schönheit der Insel.

Der Ong Lang Beach ist menschenleer. Eigentlich wie immer. Ein paar vereinzelte Fischerboote treiben in den ruhigen Wellen. Die Blätter der Palmen wehen sanft im Wind. Früher war es nicht so friedlich auf Vietnams größter Insel Phu Quoc. Denn im Krieg mit den Vereinigten Staaten war das Eiland für eine Aufgabe vorgesehen, über die noch heute niemand gerne redet.

Phu Quoc ist eine Perle im Golf von Thailand, mit der Form Afrikas und einer bewegten Vergangenheit. Lange Zeit war sie eine Gefängnisinsel. 1953 von französischen Kolonialisten gebaut, wurden ab 1956 Revolutionäre im "Coconut Tree Training Camp" im Süden, kurz vor der Hafenstadt An Thoi, inhaftiert. Mit Beginn des Vietnamkriegs 1967 nutzte das von den USA unterstütze südvietnamesische Saigoner Regime das Gefängnis. Rund 40.000 Vietnamesen wurden dort unter teilweise barbarischen Bedingungen eingesperrt und gefoltert. Ein Gefängnismuseum mit den Originalbaracken und lebensgroßen Puppen zeigt auf drastische Weise, was sich dort abspielte. An den Wochenenden werden das Gefängnis und die gegenüberliegende Gedenkstätte von vietnamesischen Familien besucht.

"Viele Vietnamesen glauben, dass sich die Vergangenheit wiederholen könnte, wenn man immer von ihr spricht", erklärt Khoi den schweigsamen Umgang mit dieser Zeit. Lieber spricht der 28-Jährige, der mit seiner Familie direkt am Sao Beach ein kleines Restaurant betreibt, über seinen frischen Fisch oder das blaue Meer, das in dieser Bucht besonders intensiv zu strahlen scheint. An keinem anderen Strand der Insel ist der Sand außerdem so fein und weiß. Im flachen, klaren Wasser tummeln sich kleine Seesterne und andere Meeresbewohner. Nur über eine unbefestigte Straße ist der etwa vier Kilometer lange Strand an der Ostküste, ganz in der Nähe des Gefängnismuseums, zu erreichen. Der Kontrast zwischen Schrecken und Schönheit - er könnte kaum größer sein.

Phu Quoc ist aber auch eine sehr grüne Insel. Über 70 Prozent sind mit Wald bedeckt. Der 314 Quadratkilometer große Nationalpark besteht zu 90 Prozent aus Regenwald und beheimatet mehr als 200 Tierarten, darunter seltene Languren-Arten und Nashornvögel. "Aktuell ist der Park in der Prüfung, von der Unesco ins Weltkulturerbe aufgenommen zu werden", sagt Hotelier Olivier Petit, der in der Nähe des Ong Lang Beach das Chensea Resort betreibt. Die Berge in der Inselmitte sind bis zu 600 Meter hoch (Mount Chua), aber nur wenige schmale Wege führen ins Landesinnere.

Wer gut zu Fuß ist, gelangt auf einer zweistündigen Bergtour zum zentral gelegenen Da Ban Wasserfall hinauf. Vietnamesen nutzen die Kulisse gerne für Grillabende und Erinnerungsfotos. Deutlich komfor-tabler ist der weiter südlich gelegene Tranh Wasserfall erreichbar, der direkt an der Hauptstraße zwischen Duong Dong im Westen und der Hafenstadt Ham Ninh im Osten der Insel liegt.

Das Leben auf Phu Quoc spielt sich vor allem in Duong Dong ab. Rund 20.000 Menschen wohnen in der Hauptstadt, mittendrin der kleine Inselflughafen. Beim Landeanflug überqueren die Propellermaschinen, die gut eine Stunde für die Strecke von Ho Chi Minh City benötigen, die Hauptstraße in nur wenigen Metern Höhe. Weit weniger ruhig geht es zwei Straßen weiter auf dem Markt am Duong Dong River zu. Von früh bis spät wird verkauft, gehandelt, diskutiert und lamentiert. Mittendrin hupende Roller, die sich ihren Weg durch die Menschenmenge bahnen.

Immer liegt der etwas süßliche Geruch der Fischsoße Nuoc Mam über der Stadt, die in zahlreichen kleinen Betrieben produziert wird. Mindestens ein Jahr werden hierzu kleine Anchovis in Holzfässern vor allem mit viel Salz fermentiert. Die proteinreiche, äußerst köstliche Soße ist neben dem Pfeffer der wichtigste Exportartikel Phu Quocs, darf aber nicht im Flugzeug ausgeführt werden. Der Grund ist schlicht die Intensität der Soße: Würde eine Flasche auslaufen, wäre der Flieger regelrecht kontaminiert.

Am On Lang Beach geht inzwischen die Sonne unter und zaubert grandiose Farben auf Himmel und Meer. Die Fischer haben es sich auf einem der großen Steine am Ufer gemütlich gemacht. Auch wenn hier und da ein Moped vorbeiknattert: Phu Quoc hat sich ihre Ursprünglichkeit bewahrt.

(RP)
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