Taiwan In der Götter-WG

In Taipeh kuppeln die Götter und sorgen für das ganz große Lebensglück. Mit einer guten Portion Aberglauben, koreanischer Tradition, japanischer Pop-Kultur sowie chinesischen Gaumenfreuden bietet Taiwan auf kleinstem Raum ein "Best of" Asien.

Eine Rundreise durch Taiwan
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Der alte Mann unter dem Mond hat einen süßen Zahn. Er ist umringt von Coladosen, Kokoscrackern und Ananaskuchen. Offensichtlich genau sein Geschmack, und so lächelt er gnädig auf die Betenden im Longshan-Tempel herab. Sachi macht gerade ihr drittes Räucherstäbchen an und hüllt die hölzerne Statue in den Dunst. Heute entscheidet sich mitten in Taipeh ihr Schicksal. Denn der alte Mann unter dem Mond ist so etwas wie der Amor unter den chinesischen Göttern. Mit seinem verschmitzten Lächeln hält die Figur das Hochzeitsbuch in der Hand und knüpft der Sage nach mit einem roten Band, mit dem er zwei Liebende an den Füßen zusammenbindet, Verbindungen fürs Leben - oder auch nicht.

Die 24-jährige Sachi geht nervös vor der kleinen Statue auf und ab. Seit sechs Jahren kennt sie ihren Liebsten, eigentlich würden die beiden gerne bald heiraten. Aber was sagt der alte Mann unter dem Mond dazu? "Wenn er nicht einverstanden ist, dann muss ich mich von meinem Freund trennen, denn die Götter wissen, wer der Richtige für einen ist. Ich hoffe so sehr, dass das klappt, denn wir sind so glücklich", erklärt sie und nimmt zwei rote, halbmondförmige Hölzer in die Hand und wirft sie auf den Boden. Die Zeichen stehen gut, noch zweimal würfeln zur Bestätigung - und der alte Mann unter dem Mond gibt seinen Segen und sagt dreimal "Ja" zu den Liebenden. Sachi macht einen Luftsprung und zückt sofort ihr Handy, denn ihr Freund wartet sehnsüchtig auf den Schicksalsspruch. "Ich bin so glücklich - ich glaube, ich gehe jetzt direkt noch nach nebenan." Ein Altar weiter wartet die Göttin, die für den Nachwuchs zuständig ist.

Viele Taiwaner sind eher praktisch veranlagt, wenn es um Glaubensfragen geht, und versuchen, mit Riten und einer guten Portion Aberglauben für das eigene Lebensglück ausreichend vorzusorgen. So steht zum Beispiel der August ganz im Zeichen der bösen Geister. Es finden keine Hochzeiten statt, Operationen werden verschoben, Reisen nicht gebucht und Umzüge vertagt - alles würde in diesem Monat schiefgehen und einen ins Unglück stürzen. Und bloß nicht einfach so an eine Hauswand lehnen - ein böser Geist könnte sich genau dort an einen festklammern.

Und so kann man mit einem Besuch im Longshan-Tempel vorsorgen und bei mehr als 100 verschiedenen Gottheiten gleich für das Rundumpaket Lebensglück beten - für Gesundheit, Kreativität oder erfolgreiche Prüfungen. Und dabei nicht vergessen, dem jeweiligen Gott einen Zettel mit Name und Anschrift zuzustecken, damit das Glück auch bloß den richtigen Weg findet.

Hier in der Götter-WG mitten im Großstadtdschungel von Taipeh kann der Besucher eine Tempel-Atmosphäre wie aus dem Bilderbuch erleben. Dichte Rauchschwaden ziehen durch die prächtige Tempelanlage, der Soundtrack der Großstadt vermischt sich hier mit dumpfen Glockenschlägen und säuselnden Gebeten.

Von hier aus lässt sich wunderbar das alte Taipei erkunden - mit buntem Nachtmarkttreiben und kleinen, gemütlichen Tee-, Gewürz- und Stoffgeschäften, wo man sich durch die kulinarische Welt von ganz Asien durchprobiert - hier ein paar Nüsse, da süß-klebrige Kuchen, kandierte Beeren und dazu ein Tässchen Oolong-Tee. Dazu herrliche Aussichten auf große Säcke voll mit Chrysanthemen-Blüten, Lavendel, Wurzeln, Knollen und bunten Gewürzen inklusive. So stellt man sich Asien vor.

Wenn man dann noch die Metropole Taipeh verlässt und aufs Land fährt, ist das Taiwan-Erlebnis komplett. Nur etwa 30 Autominuten von Taipeh entfernt, schmiegen sich kleine Dörfer an die sattgrüne Hügellandschaft. In Shifen und Pingxi wird mit der Hoffnung auf eine glückliche Zukunft sogar ein gutes Geschäft gemacht - in Form von Papierlaternen, die als fliegende Wunschzettel in den Himmel schweben. Hier reiht sich Geschäft an Geschäft, das die riesigen Papierlaternen verkauft. Im Hinterzimmer können die Glücksjäger dann die kühlschrankgroßen Laternen mit ihren ganz persönlichen Botschaften versehen und in den Abendhimmel verabschieden.

Die selbst gebastelte Laterne von Emily Tsoi und Jay Kwok ist mit Herzen übersät. Dazu verzieren die Namen ihrer zukünftigen Kinder und eine Zeichnung von einem Haus mit Garten das gute Stück. "Wir wollen so schnell wie möglich heiraten und eine Familie gründen. Hier helfen wir unserem Glück mit diesem Brauch etwas nach", erklärt das Paar und lässt die bemalte Laterne Richtung Nachthimmel entschweben. Die beiden schauen ihren Wünschen hinterher, bis sie in der Ferne vom Nebel verschluckt werden.

Die Redaktion wurde vom Tourismusbüro Taiwan zu der Reise eingeladen.

(RP)
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