Ärger bei Pauschalreisen NRW-Minister kritisiert riesige Anzahlungen

(RP). Eigentlich dürfen Anbieter von Pauschalreisen nur 20 Prozent als Anzahlung nehmen. Manche verlangen aber bis zu 40 Prozent. Verbraucherschützer halten das für überzogen. NRW-Verbraucherminister Remmel verlangt nun neue Standards von der Bundesregierung.

Pauschalreisen mit fünf Sternen
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Nach Auffassung von Verbraucherschützern lassen sich deutsche Reiseveranstalter von ihren Kunden zinslose Kredite in Milliardenhöhe geben. Hintergrund sind bei Pauschalreisen "inzwischen übliche Anzahlungen in Höhe von 30 bis 40 Prozent des Reisepreises", wie mehrere Verbraucherzentralen beklagen.

"Diese Praxis ist eine erhebliche Benachteiligung der Kunden", sagt Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg, die wegen überzogener Vorauszahlungs-Rechnungen bereits erfolgreich gegen den Veranstalter RUF Jugendreisen aus Bielefeld geklagt hat. Beate Wagner von der Verbraucherzentrale NRW prozessiert derzeit gegen den Leipziger Veranstalter Urlaubstours GmbH, der von einem Kunden 40 Prozent Anzahlung auf eine Pauschalreise verlangt hat.

"Offensichtlich testen die Veranstalter neue Obergrenzen aus", so Wagner. Ihrer Meinung nach verstößt die Praxis gegen den Rechtsgrundsatz des Zug-um-Zug-Prinzips: Laut Bürgerlichem Gesetzbuch müssten Kunden im Grundsatz erst zahlen, wenn sie auch eine Leistung erhalten haben.

Das alarmiert auch NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne). "Mit dieser Praxis finanzieren sich viele Firmen der Reisebranche auf dem Rücken der Verbraucher", sagt Remmel und fordert Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) auf, "endlich für einheitliche Standards zu sorgen".

Denn die Vergangenheit habe gezeigt, dass ein Teil der Branche die Anzahlungen "immer weiter in die Höhe getrieben" habe. Nach Recherchen des Ministeriums ist ursprünglich eine Anzahlung von zehn Prozent üblich gewesen, später galten 15 und seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2006 höchstens 20 Prozent als angemessen.

Anzahlungsforderungen von 30 bis 40 Prozent, wie sie inzwischen zu Hauf gestellt werden, hält der Minister für "völlig induskutabel" und für "rechtlich äußerst bedenklich". Zudem sei auch fraglich, ob die Versicherungen im Falle einer Veranstalter-Pleite "Anzahlungen von mehr als 20 Prozent des Reisepreises überhaupt abdecken".

Unserer Redaktion liegen Rechnungen vor, die die zweifelhafte Praxis belegen. So forderte der Veranstalter Byebye, eine Tochter des Duisburger Reiseanbieters Alltours, für eine jetzt erst angetretene Reise schon vor sechs Monaten 1328 Euro Anzahlung — bei einem Komplettreisepreis von 2734 Euro.

In einem anderen Fall verlangte die Thomas-Cook-Tochter Bucher im vergangenen November 30 Prozent Anzahlung. Auch von Neckermann und anderen Veranstaltern liegen strittige Rechnungen vor. "TUI verlangt teilweise 40 Prozent Anzahlung", berichtet Marija Linnhoff, die ein Reisebüro in Iserlohn betreibt. Betroffen seien bundesweit zigtausend Kunden.

Für die Veranstalter sind die hohen Vorauszahlungen ein gutes Geschäft: Die Branche setzt pro Jahr 20 bis 22 Milliarden Euro um, das meiste davon mit Pauschalreisen. Folglich geben ihnen die Kunden Jahr für Jahr einen zinslosen Milliarden-Vorschuss. Ein Sprecher des Deutschen Reiseverbandes (DRV), dem Dachverband der Reiseveranstalter, sagt dazu: "Es obliegt dem wirtschaftlichen Ermessen des Anbieters, wie hoch er die Anzahlung taxiert."

Der Bundesgerichtshof habe nur einen Einzelfall entschieden und keineswegs Höchstgrenzen formuliert. "Tatsächlich kann ein Veranstalter auch mehr, zum Beispiel 60 Prozent des Reisepreises als Anzahlung verlangen." In Deutschland gebe es 2500 Anbieter. "Dem Kunden steht es ja frei, einen anderen zu wählen", so der DRV.

(RP)
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