1,1 Milliarden Fahrgäste im Jahr Londoner U-Bahn feiert 150. Geburtstag

London · Mehr als 30 000 Menschen schauten am 10. Januar 1863 der Premierenfahrt der weltweit ersten Untergrundbahn zu. Mittlerweile nutzen jedes Jahr rund 1,1 Milliarden Fahrgäste das weit verzweigte Netz der Londoner "Tube".

Die Londoner U-Bahn wird 150 Jahre alt
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Die Londoner U-Bahn wird 150 Jahre alt

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Mit lautem Zischen rast die schwarze Lokomotive durch die Tunnel der schlafenden Großstadt, immer weiter, bis die Tonne Kohle an Bord verbraucht ist. An der Station Moorgate verlassen die Passagiere den mit Gaslampen beleuchteten Erste-Klasse-Waggon aus dem Jahr 1892. Die nächtliche Zeitreise in die viktorianische Ära ist vorbei. Die herbeigeeilten Bahnarbeiter knipsen aufgeregt das antike Transportmittel mit ihren Handys. Es ist ein historischer Tag: Erstmals seit mehr als 100 Jahren haben die Londoner wieder eine unterirdische Dampffahrt erlebt.

Nostalgie-Lok für Ehrengäste

Nach dem Testlauf im Dezember wird sich alles am 13. Januar wiederholen: die Dampfschwaden über den Bahnsteigen, der Gestank der glühenden Kohle, das Rattern der alten Waggonräder. Die britische Hauptstadt feiert den 150. Geburtstag ihrer berühmten "Tube". Dazu inszeniert sie detailgenau die erste Zugreise unter der Erde mit einer liebevoll restaurierten Nostalgie-Lok, die einige wenige Ehrengäste von Paddington nach Farringdon befördern soll. Die Organisatoren der Jubiläumsfahrt müssen mit Pannen und Chaos rechnen. So wurde bei der Probe am 16. Dezember die Station Baker Street wegen eines Ventilausfalls bei einem Zughalt fast komplett in Rauch eingehüllt.

Doch Freude und Frust gehörten bei der ältesten U-Bahn der Welt schon immer zusammen. Am Anfang war die Freude. 30 000 Menschen schauten zu, als der erste Zug der Metropolitan Railway zu seiner sechs Kilometer weiten Pionierfahrt unter den Londoner Straßen aufbrach. Die Presse bejubelte das "erstaunlichste technische Vorhaben der Welt".

Die unterirdische Strecke mit sieben Stationen zu bauen, dauerte drei Jahre. Das neue Transportmittel war schnell und komfortabel, und der "Guardian" lobte bei der Premiere die Gasbeleuchtung als ein Mittel, um die "unangenehmen Gefühle der Ladies in den langen Tunneln" zu lindern. Binnen Stunden nach der Eröffnung des regulären Betriebs am 10. Januar 1863 war die "Underground" ein Hit bei den Londonern, die Riesenschlangen auf den Bahnsteigen bildeten und die ohne die gültigen Tickets in die Erste-Klasse-Waggons drängten. Schon am ersten Tag schaffte es die Mutter aller U-Bahnen, 40 000 Menschen zu transportieren. Sie wurde bald unentbehrlich für die Weltstadt, deren schnelles Wachstum sie geprägt hat.

U-Bahn im Olympia-Trubel

150 Jahre nach ihrer Geburt wird die "Röhre" jährlich von 1,1 Milliarden Menschen benutzt. Am 7. August 2012 bestand die U-Bahn ihre härteste Prüfung, als sie im Olympia-Trubel den Ansturm von 4,5 Millionen Reisenden bewältigte.

Es ist eine Mammutaufgabe, die verborgene Tunnelstadt mit 270 Stationen permanent in Schuss zu halten. Während nachts der Betrieb ruht, haben die 19 000 Mitarbeiter der "London Underground" nur vier Stunden Zeit, um bei Bedarf das Streckennetz von 402 Kilometern zu reparieren. Dennoch fallen immer wieder die alten Signalanlagen aus. Neben den Streckensperrungen bringen das Gedränge und die brütende Hitze in den schlecht belüfteten Stationen die Londoner regelmäßig zum Schwitzen.

"Die Leute sind frustriert, dabei läuft das System so gut", bedauert Zugführer Andy Cooper, der täglich die 36 Kilometer lange Strecke der "Jubilee Line" acht Mal zurücklegt und dabei im Schnitt je 1000 Menschen befördert. Dennoch liebt der 56-Jährige seinen Job und die einzigartige Atmosphäre der Unterwelt. Wie die anderen Zugfahrer unterhält Andy gerne seine Fahrgäste mit lustigen Sprüchen durch die Sprechanlage, was von der U-Bahn-Direktion ausdrücklich gebilligt wird. Trotz aller Pendler-Beschwerden ist die "Tube" ein heiterer Ort mit Livemusik und einer eigenen "U-Bahn-Poesie", mit der die Poster in den Zügen bedruckt werden.

Wifi-Netzwerk

Die Zukunft der "Tube" sieht dank der jährlichen Investitionen von 1,4 Milliarden Pfund rosig aus. "Wir haben klimatisierte Züge eingeführt und 66 Stationen behindertenfreundlich gemacht", erzählt Gareth Powell, der für die strategische Planung zuständig ist. "Als Nächstes werden wir das Wifi-Netzwerk ausbauen und bis 2018 zwei Drittel des Verkehrs auf Computersteuerung umstellen."

Erst einmal aber wollen Powell und seine Kollegen das Jubiläum feiern. "Ich bin stolz auf die ,Tube', die eine große Rolle in unserem Leben spielt", sagt der Experte. "Ohne die legendäre U-Bahn könnte London nicht überleben."

(RP/anch/sap)
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