Kreuzfahrten Traumreise mit hässlichen Nebenwirkungen

Düsseldorf · Kreuzfahrt-Passagiere bekommen viel zu sehen. Und der Markt wächst ständig. Aber wie sehr belasten die Reisen Umwelt und Gesundheit? Der Nabu kritisiert, dass die Reedereien beim Umweltschutz sparen.

Das sind die neuen Kreuzfahrtschiffe 2016
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Das sind die neuen Kreuzfahrtschiffe 2016

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Foto: dpa, zeh

Delfine, smaragdgrünes Meer, beeindruckende Fjorde, weiße Strände mit Palmen — die Hochglanzbilder und Werbefilme von Kreuzfahrten lassen uns von den Naturparadiesen dieser Welt träumen. Die riesigen, edlen Schiffe lassen den Traum Wirklichkeit werden: Wale, Korallen, Lagunen — garniert mit atemberaubenden Sonnenuntergängen zum Cocktail.

Allein die deutschen Reeder stellten vor zwei Jahren 29 Schiffe für solche Traumurlaube zur Verfügung. Traumurlaube, die für die Natur ein Albtraum sind, findet der Naturschutzbund Nabu. "Es ist eine Katastrophe, was die Branche da macht”, sagt Daniel Rieger, Verkehrsbeauftragter beim Nabu. "Die Schiffe fahren mit Schweröl und haben in der Regel keine Abgastechnik.” Schweröl, mit dem fast alle Kreuzfahrtschiffe unterwegs sind, enthält 3,5 Prozent Schwefel.

Das bei der Verbrennung dieses Öls freigesetzte Schwefeldioxid reizt die Schleimhäute und verursacht sauren Regen. Letzterer gefährdet das Ökosystem von Wäldern und Seen und greift zum Beispiel auch die Fassaden von Häusern an. Gleichzeitig verstärkt der Schadstoff die Wolkenbildung. Auf Nord- und Ostsee müssen die Schiffe zwar wegen der neuen Schwefel-Grenzwerte mit etwas besseren Kraftstoffen fahren, aber auch im schwefelärmeren Schiffsdiesel läge der Schwefelgehalt mit 0,1 Prozent noch 100 Mal über dem von Pkw-Diesel.

Und die Umweltbelastung durch Schiffe nimmt zu, denn: Immer mehr Menschen erfüllen sich den Traum vom Luxusurlaub auf der Hochsee kombiniert mit Naturwundern. Mehr als 1,7 Millionen Deutsche sind im Jahr 2014 auf hoher See mit Kreuzfahrtschiffen gereist; zusammen mit den Flusskreuzfahrten waren es sogar fast 2,2 Millionen. Damit ist Deutschland in Europa führend. Weltweit kommen die meisten Fahrgäste aus Nordamerika. Prognosen gehen davon aus, dass in diesem Jahr weltweit fast 24 Millionen Menschen mit Kreuzfahrtschiffen über die Ozeane der Erde fahren werden.

Eine Sache nur für Senioren sind solche Reisen längst nicht mehr. 49 Prozent der Passagiere auf Schiffen von deutschen Reiseanbietern waren im Jahr 2014 unter 55 Jahren alt. Junge Passagiere wie zum Beispiel Anna Carina Mauel genießen es vor allem, in einem Urlaub viele verschiedene Länder und Städte kennenzulernen. "Das Schöne ist, dass man jeden Tag dasselbe Bett hat und trotzdem in einem anderen Hafen aufwacht. Anders als bei klassischen Rundreisen hat man nicht den Stress, die Koffer immer wieder packen zu müssen”, sagt Mauel. Die 26-Jährige hat bereits vier Mal auf Kreuzfahrtschiffen Urlaub gemacht. Mal ging es in die Karibik, mal in den Orient, mal durchs Mittelmeer. Die nächste Reise soll irgendwann zum Nordkap gehen.

Bei der Karibikrundfahrt zum Beispiel sei zwar jede Insel für sich toll gewesen. "Aber auf keiner hätte ich volle 14 Tage verbringen wollen.” Als Touristikkauffrau ist sie allein durch ihren Beruf schon an fremden Ländern interessiert. Besonders genieße sie daher die Landausflüge, bei denen sie die Kultur, die Natur und das Leben der Stadt erkunden können europäischen Häfen würde sie die Städte oft selbst erkunden, bei Fernreisen würde sie, je nachdem wie sicher die Städte sind, auch mal die begleiteten Ausflüge buchen. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr die Silvesternacht auf dem Meer vor Madeira, mit all den Feuerwerken entlang des 15 Kilometer langen Strandes. Bei der Auswahl des Reiseanbieters achtes sie vor allem auf die Route, nicht vorrangig auf den Standard des Schiffes, sagt Mauel.

Der Nabu veröffentlicht seit fünf Jahren ein Kreuzfahrt-Ranking und bewertete, wie viel Schadstoffe die einzelnen Reedereien mit ihren Kreuzfahrtschiffen verursachen. Seit dem habe sich zumindest auf dem deutschen Markt einiges am umwelttechnischen Stand getan, sagt Rieger. Für Neubauten haben einige Reeder angekündigt, neue Techniken und umweltfreundlichere Kraftstoffe einzusetzen. Insgesamt gebe es in der Schifffahrt derzeit die Diskussion, ob es nicht besser sei, mit Flüssiggas zu fahren. "Das ist sauberer zu verbrennen. Allerdings müssten die Methanemissionen in diesem Fall minimiert werden. Denn Methan hat eine größere Klimawirkung als Kohlenstoffdioxid”, sagt Rieger.

Aida, der Spitzenreiter im Nabu-Ranking 2016, rüstet seine neuen Schiffe zum Beispiel mit Technik aus, die einen Betrieb mit Flüssigerdgas (LNG) ermöglicht. Das neue Falgschiff des Unternehmens, die Aida Prima, soll nach Angaben des Unternehmens bereits mit einem Dual-Fuel-Motor ausgestattet sein. Dieser könne mit allen gängigen Schifftreibstoffen betrieben werden.

In Häfen können die Kreuzfahrtschiffe der neuen Aida-Generation außerdem mit Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden, teilte das Unternehmen auf Anfrage der Redaktion mit. Der Ausstoß von Schwefeldioxid und Rußpartikeln soll so vermieden werden. Getestet hat Aida diese Technik zum ersten Mal Anfang Mai 2016 im Hamburger Hafen. Seit Mitte Mai wird die Aida Prima auch in den Häfen Southampton, Le Havre und Zeebrügge testweise mit Flüssigerdgas betrieben. Für den Hafen in Rotterdam fehle noch die Zulassung.

Eigentlich hatte das Unternehmen auch angekündigt, in seiner neuen Schiffsgeneration mit einem Rußpartikelfilter zu fahren. Die "Prima” wäre dann das umweltfreundlichste Kreuzfahrtschiff. "Damit würde Aida tatsächlich in der Branche eine Benchmark setzen. Allerdings gehen wir davon aus, dass der Filter zwar eingebaut ist, aber noch nicht eingesetzt wird”, sagt Umweltschützer Rieger.

Der Nabu hat die ultrafeinen Partikel bei der ersten Fahrt in Hamburg gemessen. Der Zähler habe massiv ausgeschlagen. Mit Partikelfilter hätte das Messgerät kaum ausschlagen dürfen. Die Aida-Verantwortlichen sind sich dessen bewusst: Der Filter sei eingebaut, heißt es von dort, allerdings fehle noch die Zulassung für den Gebrauch.

Mit einer einmaligen Umwelttechnik zu werben und sie dann nicht einzusetzen, sei nicht lauter, findet der Nabu. Aida müsse nun beweisen, dass man tatsächlich Vorreiter in Sachen umweltfreundlicher Kreuzfahrt sei. "Bei der mehrstufigen Abgasnachbehandlung handelt es sich um ein komplett neues Verfahren, das es weltweit auf noch keinem anderen Schiff gibt”, sagt Aida. Das sei der Grund, warum es bisher noch keine Standards und definierte Genehmigungsverfahren gebe. Diese müssten auf Seiten der Behörden erst noch erarbeitet werden, sagt das Unternehmen zu den Vorwürfen, bisher noch unter falscher Umwelt-Flagge zu fahren. Mit der EU und dem Bund arbeitet Aida an einer Genehmigung. Sei die da, könne der Filter auch eingesetzt werden.

Die Anbieter würden Unsummen für Bespaßung und den gastronomischen Service an Bord ausgeben, während sie beim Umweltschutz weiter sparten, "wo es nur geht". "Diese Verantwortungslosigkeit geht vor allem auch zulasten der menschlichen Gesundheit, insbesondere von Anwohnern in Hafenstädten", sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller anlässlich der Veröffentlichung des Nabu-Kreuzfahrt-Rankings 2016. Der Nabu hielt den Reedereien vor, die Öffentlichkeit über den Einsatz von Abgastechnik an Bord ihrer Urlaubsschiffe im Unklaren zu lassen.

"Kreuzfahrten sind nicht gerade eine sehr umweltfreundliche Art zu reisen. Das ist mir, und vielen anderen Reisenden auch, bewusst”, sagt Anna Carina Mauel. Aber stattdessen mit dem Flugzeug beispielsweise nach Bangkok zu fliegen, sei ja auch nicht umweltfreundlich. Einmal an Bord, würde das Thema Umwelt für die Fahrgäste — ihrer Erfahrung nach — eher eine geringe Rolle spielen, sagt auch Mauel. Es gebe zwar Nautic-Stunden, bei denen man über die Natur der Reiseziele und Umwelt-Themen informiert wird, mehr bekomme man als Reisender von dem Thema aber nicht mit. Dafür könne man die Natur selbst erleben und vor Ort sehen, wie schön und schützenswert sie ist.

Tatsächlich ist es schwierig, zu ermitteln, welche Reiseart die umweltschädlichere ist. Denn je nach Messverfahren, Studie oder Modell variieren die Angaben über den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß von Kreuzfahrtschiffen, Flugzeugen und Pkw. Außerdem müssen auch Schadstoffe wie Stickoxide und Schwefeldioxid miteingerechnet werden. Geht man von den Zahlen des Umweltbundesamtes aus, dann liegt der CO2-Auststoß eines Flugzeuges bei 226 Gramm pro Kilometer und Passagier — bei einer Platzauslastung von 73 Prozent.

Ein Kreuzfahrtschiff legt pro Tag 960 Kilometer zurück. Dabei produziert es pro Person (ausgegangen von 2600 Reisenden) 184 Kilo CO2. Auf gleicher Strecke läge der CO2-Ausstoß eines Flugzeugs deutlich höher — bei 364,8 Kilo pro Person. Wer hingegen in einem mit vier Personen besetzten Mittelklassewagen 960 Kilometer fährt, verzeichnet einen CO2-Ausstoß von 33,6 Kilo.

Hapag-Lloyd bietet seinen Kunden zusammen mit der Klimaschutzorganisation Atmosfair eine Kompensation des CO2-Ausstoßes an. Ein Programm errechnet den Klimaschutzbeitrag ihrer Reise, ein Viertel der Summe zahlt das Unternehmen an Klimaschutzprojekte, den Rest der Kunde. "Ein kleiner Teil unserer Gäste nimmt diese Möglichkeit zum CO2-Ausgleich in Anspruch”, sagt eine Sprecherin von Hapag-Lloyd.

Deutlich schlechter ist die Umweltbilanz der Kreuzfahrtschiffe beim Ausstoß von Stickoxiden und Schwefeldioxid. Beide Stoffe sind für die Entstehung von saurem Regen verantwortlich und damit für die Pflanzenwelt besonders schädlich. Stickoxide schädigen zudem die Lungenfunktion und sind unter Einfluss von UV-Strahlung für die Ozonbildung mitverantwortlich.

Schwefeldioxid ist ein starkes Atemgift, das zum Beispiel zu Husten oder Atemnot führt. 1560 Gramm Schwefeldioxid pustet ein Kreuzfahrtschiff am Tag pro Reisendem in die Luft. Ein Auto setzt auf gleicher Strecke 108,86 Gramm pro Person frei, während eines Fluges entsteht so gut wie gar kein Schwefeldioxid. Auch bei den Stickoxiden liegt die Schifffahrt vorne. 2020 Gramm muss jeder Passagier pro Tag in seiner Umweltbilanz verbuchen. Durch Katalysatoren stoßen neue Autos hingegen auf 960 Kilometern, der Strecke, die ein Kreuzfahrtschiff am Tag zurücklegt, im Durchschnitt 22,32 Gramm pro Person aus. Und ein Flugzeug stößt pro Person auf einem 960-Kilometer-Flug 460,8 Gramm an Stickoxiden aus.

Deshalb fordert der Nabu, dass in der Schifffahrt die gleichen Umweltmaßstäbe angesetzt werden wie an Land. "Alle Landindustrien müssen Filter und Katalysatoren haben. Auf See gilt das alles dann nicht mehr”, sagt der Nabu-Experte. Es müsse die gleichen Abgasfilter wie bei Pkw und Lkw geben und hochwertigen, schwefelarmen Diesel oder Flüssiggas. Die Reeder müssten mehr Geld für hochwertigen Kraftstoff in die Hand nehmen.

Bei seinem noch recht neuen Kreuzfahrtschiff Europa 2 — dem luxuriösesten der Welt — setzt Hapag-Lloyd zum Beispiel bereits einen Katalysator ein, der den Stickoxidausstoß um bis zu 95 Prozent reduzieren soll. Gleichzeitig werde in den europäischen Häfen Diesel mit 0,1 Prozent Schwefelgehalt eingesetzt. Kreuzfahrtschiffe liegen etwa 40 Prozent der Reisezeit in Häfen. Den Großteil der Reise sind sie auf See. Dann setzen die Reeder in der Regel Schweröl ein.

Die "Mein Schiff” 3, 4 und 5 von Tui Cruises setzen ebenfalls einen Katalysator ein, einige Reeder benutzen sogenannte Scrubber, die die Schwefeloxide aus dem Abgas waschen und als gipsartige Masse binden. Zum Teil wird dabei Waschwasser ins Meer gespült. "Bei diesem Verfahren weiß niemand, wie viele Schadstoffe wo im Meer landen und die Auswirkungen sind noch nicht absehbar”, sagt Rieger. Das Problem werde aus der Luft ins Wasser verlagert.

Fortschrittlicher sind die Unternehmen da bei der Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs. Hapag-Lloyd setzt auf eine geringere Fahrtgeschwindigkeit, um Kraftstoff zu sparen und damit die Emission — und die eigenen Betriebskosten — zu reduzieren. Aida lässt die neuen Schiffe so bauen, dass sie auf einem Teppich auf Luftblasen über das Wasser gleiten sollen. Dadurch werde die Reibung verringert und Antriebsenergie eingespart.

"Umweltfreundliches Kreuzfahren ist derzeit aber nicht möglich, das muss jedem bewusst sein”, sagt Rieger.

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