Überall Gegensätze Myanmar: Reiches Land, armes Land

Düsseldorf (RP). Myanmar, das frühere Burma, leidet unter der Misswirtschaft der Militärjunta. Die Schätze des Landes - Erdöl, Edelsteine, Fischreichtum, Kohle - können nicht genutzt werden, weil moderne Produktionsmittel fehlen. Korruption beherrscht das Leben.

Birma: Land der Gegensätze
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Foto: Barbara Jakoby, RP

Die Straße nach Mandalay, von Rudyard Kipling 1890 in dem Gedicht "On the Road to Mandalay" besungen, ist wie das Leben in Myanmar. Wer es nicht schafft zu überholen, wird abgehängt. Die Mittel, vorwärts zu kommen, sind ungleich verteilt. Auch auf der Straße. Lastwagen, Busse und hoch bepackte Pickups gewinnen den Verdrängungswettbewerb gegen Fahrräder, Mofas, Rinder- und Wasserbüffelgespanne.

Mandalay boomt. Vor allem Chinesen investieren in Fabriken, Hotels, Restaurants und Läden. Singapur und China sprangen ein, als der Westen die seit 1962 herrschende Militärdiktatur für ihre Schreckensherrschaft mit einer Wirtschaftsblockade abstrafte. "Wir brauchen die Chinesen", sagt mein Taxifahrer, ein Lehrer, der hinter dem Autolenkrad mehr Geld verdient als vor Schülern. Doch der neue Aufstieg hat seine Schattenseiten. Buchstäblich. Von einer Sekunde auf die andere ist abends die zuvor hell erleuchtete Stadt zappenduster. Stromausfall - einer von vielen in diesem Land. "Sie wollten Fabriken und Kaufhäuser, aber sie haben vergessen, dass die Strom brauchen", sagt unsere Reiseleiterin, nennen wir sie Yin Yin. Jetzt würden Wasser-Kraftwerke gebaut. "Wir hoffen, dass wir dann in vier Jahren genug Strom haben", meint die Mittfünfzigerin.

An Wasser mangelt es dem Land nicht. Vom Mandalay Hill aus fällt der Blick auf das sattgrüne Land und den Ayeyarwady. Das große, halbkreisförmige Gebäude sei das von den Briten erbaute Gefängnis, erklärt Yin Yin auf Nachfrage. Angeblich ist es fast leer. Nach Informationen von Amnesty International saßen 2003 rund 200 Gefangene in den Todeszellen des Landes. Damals habe die Regierung erklärt, es würden keine Hinrichtungen vollstreckt.

Bildung findet außerhalb der Stadt statt

Die Universität von Mandalay liegt weit außerhalb. "Man will die Studenten nicht in der Stadt haben, weil man Demonstrationen fürchtet", erklärt uns ein junger Mann. Es waren die Studenten, die sich als Erste 1987 gegen die herrschende Regierung auflehnten. Die Demonstrationen gegen die Gewaltherrschaft der Militärjunta weiteten sich über das ganze Land aus. Hunderte von Menschen wurden geköpft, tausende in die Gefängnisse geworfen. "Die abgeschlagenen Köpfe haben sie auf Tische gelegt und fotografiert", erzählt eine Frau, die das Massaker miterlebt hat, "wir hatten Angst, auf die Straße zu gehen."

Seit 1968 der Buddhismus zur Staatsreligion erhoben wurde, versucht das Land den "Burmesischen Weg" zu gehen, die Verbindung aus Sozialismus und Buddhismus. "Der Sozialismus hat nicht funktioniert", sagt Yin Yin. Und die Militärjunta hat das ehemals blühende Land noch weiter verkommen lassen. Der Reichtum - Erdöl, Erdgas, Steinkohle, Gold, Silber, Edelsteinen, landwirtschaftliche Produkte, große Fischvorkommen - werden nicht genutzt, weil die Produktionsmittel fehlen. Korruption beherrscht das Leben und die Herrscher füllen sich als Erste die Taschen. Die neue Fluggesellschaft Air Bagan gehöre "dem Schwiegersohn des Regierungschefs", erzählt uns ein Einheimischer. Das komfortable Hotel am Randes des Pagodenfeldes in Bagan auch. Es wirbt mit dem Versprechen: Strom rund um die Uhr.

Die meisten Menschen in Myanmar leben in ärmlichen Verhältnissen. Eine Schulpflicht gibt es nur vom sechsten bis zehnten Lebensjahr. Kinderarbeit ist offiziell verboten. Das Bild von jungen Mädchen, deren zierlichen Finger überall im Land die besonders feinen Seidenstoffe weben, straft die offizielle Auskunft Lügen.

Das Wenige, was man hat, opfert man Buddha

Der zweite Pfad des "Burmesischen Weges", der Buddhismus, funktioniert besser, als es der Sozialismus je getan hat. In dem Vertrauen darauf, dass Großzügigkeit in diesem Leben eine gutes Karma für das nächste garantiert, opfern die Menschen von dem Wenigen, das sie haben, Buddha, dem Erleuchteten. Vor allem Gold. Tonnenweise. In hauchdünnen Plättchen auf Buddha-Statuen und Pagoden geklebt. Und tausende und abertausende von Mönchen im ganzen Land erinnern bei ihren morgendlichen Bettelgängen die Gläubigen daran, dass Geben seliger macht als Nehmen. Den Mönchen ist die tägliche Reisration sicher. Das einfache Volk kaut Betel. "Das unterdrückt den Hunger und man kann besser arbeiten", erklärt Yin Yin auf einem der landestypischen Märkte, die den niedrigen Lebensstandard des Volkes widerspiegeln.

Aung San Suu Kyi, die große Hoffnung des Landes, sitzt derweil in ihrer Villa am Stadtrand von Yangon. Die Tochter von General Aung San, der 1947 die Unabhängigkeit des Landes von den Briten ausgehandelt hatte, stellte sich 1988 an die Spitze der demokratischen Bewegung. 1990 gewann ihre Nationale Liga für Demokratie (NLD) 397 von 489 Sitzen in der Nationalversammlung. Die Militärregierung weigert sich bis heute, ihren Wahlsieg anzuerkennen. 1991 bekam "die Lady", wie das Volk sie ehrfurchtsvoll nennt, den Friedensnobelpreis. Sie konnte ihn nicht entgegennehmen, weil die Militärjunta die politische Gegnerin unter Hausarrest stellte. Von wenigen Auflockerungen abgesehen, ist sie bis heute isoliert.

Die Regierung arbeite an einer Verfassung, titelt "The New Light of Myanmar", eine der verstaatlichten Zeitungen, an einem Tag im November 2006. "Ach, ja. Das tut sie schon lange," kommentiert Yin Yin spöttisch. Ob alles anders würde, wenn Aung San Suu Kyi das Land regieren dürfte? "Ob ihre Politik die richtige wäre, weiß man nicht. Aber die Amerikaner würden uns unterstützen", sagt Yin Yin und fügt nach kurzem Zögern hinzu: "Oder uns ausbeuten."

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