Mallorca Kunst am Kap: Roter Fels und bunte Bilder

Tropfsteinhöhlen und grüne Hügel, ursprüngliche Bauten und moderne Kunst prägen die Region um das Cap Vermell im Nordosten Mallorcas.

Vermell: Ein interessanter Ort auf Mallorca
Foto: Nadine Fischer

Gemächlich durchquert Golden-Retriever Mimi das Atelierhaus des Künstlers Gustavo. Die füllige Hundedame tappt vorbei an riesigen Leinwänden, auf denen bunte Fantasiefiguren herumwirbeln. Sie passiert Dutzende mit angemischten Ölfarben gefüllte alte Joghurtgläser und kurvt um eine gut zwei Meter hohe Skulptur herum, die an ein Huhn erinnert. Dann legt sich Mimi langsam auf die linke Seite, mitten im Raum, neben einem Sessel. Sie lässt etwas aus ihrem Maul auf die Terrakotta-Bodenfliesen kullern - und die Atelierbesucher sind irritiert. Ein Kauknochen hätte sofort Sinn ergeben, aber was will der Hund mit dem Stein?

"Mimi schleppt fast immer einen Stein mit sich herum", sagt Regine Hillmann de Peñalver, beugt sich im Sessel vor und tätschelt dem Golden-Retriever den Kopf. Ein entspannter Hund mit kleinem Tick passt irgendwie genau hier her: auf das Anwesen des lebenslustigen Spaniers Gustavo und seiner fröhlichen Frau Regine in den Hügeln im äußersten Nordosten Mallorcas. Ein steiler gepflasterter Weg führt zum Atelierhaus, gesäumt von Mandel- und Feigenbäumen. Irgendwo zwischen den Urlaubsorten Cala Ratjada, Canyamel und dem für seine mittelalterliche Burg, aber auch für seine Korbflechtkunst bekannten Städtchen Capdepera hat sich das Ehepaar vor 20 Jahren ein Zuhause im Bauhaus-Stil geschaffen. Noch ist es in der Gegend recht beschaulich, doch das könnte sich bald ändern: Im Frühjahr 2016 sollen ganz in der Nähe am Cap Vermell, einem rotfelsigen Kap an der Nordspitze des Strandes Playa de Canyamel, neben einem Dutzend Luxusvillen ein Countryclub und ein Luxushotel-Komplex der Hyatt-Gruppe eröffnen. Wie ein mallorquinisches Dorf werde das Hotel-Areal später aussehen, sagt John Beveridge, General-Manager des Projektes. Eine eigene kleine Kunstwelt, umgeben von Golfplätzen, Wäldchen, Dörfern und Schafweiden. Das kommt nicht bei allen Einheimischen gut an.

"Ich war nie dagegen, anders als einige Leute hier", erzählt Gustavo. Denn das Projekt locke eine ganz neue dezente Touristengruppe in die Region, "und es schafft Arbeitsplätze." Er selbst profitiert davon, eine seiner Bronzeskulpturen wird auf der Zufahrt zum Hotel installiert. "Der verliebte holländische Poet" soll die Gäste später bei ihrer Ankunft begrüßen. Noch ist das Hotelgelände eine riesige Baustelle. Wo Gustavos Skulptur aufgestellt werden soll, parken Lkw, die Bauteile anliefern.

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Foto: Patryk Kosmider /Shutterstock.com

Eine kleine Ausgabe des holländischen Poeten bewahrt der 76-Jährige in seinem Atelierhaus auf. Dort führt er - nach Anmeldung - ab und zu Kunstinteressierte herum, zeigt ihnen seine Arbeiten, erzählt aus seinem Leben. Gustavo stammt vom spanischen Festland, lebte auch mal 20 Jahre in Berlin, der Heimatstadt seiner Frau Regine. Auf der Insel hat er schon einige Spuren hinterlassen: So hängen etwa zwei seiner Werke an den Hafenmauern Cala Ratjadas, das Cap Vermell Beach Hotel zeigt einige Gemälde, für das Weingut Macià Batle hat er neben Künstlern wie Neo Rauch ein Flaschenetikett entworfen.

Beim Atelierbesuch erzählt Gustavo, was ihn zu seinen bunten Fantasiefiguren inspiriert: "Vor allem die Musik, zum Beispiel von Jacques Brel." Es ist auch schon vorgekommen, dass er auf einem der Wege in der Umgebung, die gerne von Rad- und Wandertouristen genutzt werden, ein Stück Draht gefunden und gedacht hat: "Das ist doch eine Figur!" Zurück zu Hause entwarf er ein Fassadenbild mit einem schwarzen Wurm als Motiv. Eine Version davon ziert auch einen Plattenbau in Berlin: das Gustavo-Haus im Bezirk Lichtenberg.

Während Gustavo in seinem Atelier konzentriert seine Arbeiten komponiert, gedeihen nicht weit von ihm entfernt Kunstwerke ganz ohne menschliches Zutun. Bis zu rund 20 Meter hohe Stalagmiten sehen die Besucher in den Tropfsteinhöhlen Cuevas de Artá am Cap Vermell, die Decken bedeckt ein Meer von Stalaktiten. Als wäre das nicht beeindruckend genug, sollen die Besucher mit einer Extra-Show so richtig zum Staunen gebracht werden: In einer der Höhlen sind die Tropfsteine jeweils für ein paar Minuten mit Lichteffekten in Szene gesetzt, dazu spielt laute und paukenlastige klassische Musik.

Bei Gustavo im Atelier geht es da wesentlich ruhiger zu. Der Künstler läuft herum, zeigt und erzählt, seine Frau sitzt im Sessel, der Hund liegt davor und döst. Irgendwann trottet Mimi wieder nach draußen - natürlich nicht ohne ihren Stein.

Die Redaktion wurde von Cap Vermell Estate zu der Reise eingeladen.

(RP)
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