Reisen in Zeiten des Terrors Wie sicher sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?

Berlin/Wilhelmshaven · Terroranschläge und politische Krisen verunsichern viele Urlauber. Die Kreuzfahrtbranche scheint davon völlig unbeeinflusst. Ist die Seereise die letzte sichere Urlaubsform?

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Foto: Unsplash/Alonso Reyes

Schiffsreisen sind im Trend: Mehr als zwei Millionen Deutsche haben 2016 eine Kreuzfahrt unternommen, ein Plus von rund 11 Prozent. Der Umsatz des Gesamtreisemarktes dagegen ist laut Deutschem Reiseverband (DRV) leicht geschrumpft.

Ursache dafür war nicht zuletzt die Krise nach den Anschlägen unter anderem in der Türkei. Während viele Hotels in dem Land unter der Flaute litten, konnten die Reedereien ihre Schiffe einfach in andere Fahrtgebiete verlegen. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob die Kreuzfahrt ein Profiteur der politischen Unsicherheit und der Angst vor Anschlägen ist. Oder anders formuliert: Ist die Kreuzfahrt die letzte sichere Reiseform?

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Umfragen zeigen, dass die gefühlte Sicherheit einer Destination immer größeren Einfluss auf die Urlaubsentscheidung hat. "Sicherheit wird, anders als früher, nicht mehr per se im Urlaub vorausgesetzt, sondern hinterfragt und als Qualitätselement einer Reise oder einer Destination wahrgenommen", sagte der Tourismusforscher Prof. Torsten Kirstges von der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven anlässlich der Reisemesse ITB in Berlin. Grundsätzlich schrecke Terror und politische Unsicherheit Urlauber ab, wenn die Probleme medial präsent sind - siehe Türkei. Und wenn eine Destination immer wieder negativ in den Schlagzeilen ist, komme der Tourismus dort irgendwann zum Erliegen.

Laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) wird aktuell die politische Lage als Kriterium der Reisezielwahl stärker als früher thematisiert. Das Gesamtvolumen an Reisen sei zwar nicht gesunken, es habe jedoch deutliche Verschiebungen der Reiseströme gegeben. Laut einer Umfrage des Instituts Norstat im Auftrag des Reiseportals Travelzoo beschäftigen sich heute 72 Prozent der Urlauber stärker als früher bei der Auswahl ihres Urlaubsziels mit dem Thema Sicherheit.

Interessant ist laut Kirstges auch: Je weiter entfernt man von einer Destination wohnt, desto großräumiger wird sie wahrgenommen. "Als in einigen afrikanischen Regionen Ebola auftrat, brachen im deutschen Quellmarkt für viele afrikanische Destinationen die Buchungen weg - auch wenn zum Beispiel Südafrika oder Namibia Tausende Kilometer von den Epidemien entfernt sind und überhaupt nicht betroffen waren."

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Auf den ersten Blick ja. Die Zahl der Kreuzfahrtgäste ist in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen. 2016 verbrachten 2,02 Millionen Deutsche ihren Urlaub auf dem Meer - 11,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Frage ist jedoch, was die Ursachen für dieses starke Wachstum sind. "Die großen Zuwächse haben vor allem andere Gründe", ist Helge Grammerstorf vom Kreuzfahrtverband Clia Deutschland überzeugt. "Die Kreuzfahrtbranche hat in den vergangenen Jahren immer große Zuwächse erzielt - egal, ob es Anschläge und politische Krisen gab oder nicht." Als wichtigsten Grund für das Wachstum nennt er das immer größere Angebot an Schiffen - sowohl die Zahl der Schiffe als auch die Vielfalt habe zugenommen.

Auch für Kirstges ist die Sicherheit ein Aspekt für den Erfolg von Kreuzfahrten - "aber nicht der alleinige oder entscheidende Grund". Vielmehr würden Kreuzfahrten für immer mehr Leute bekannt, verfügbar und erschwinglich. Die Sicherheitsvorteile gäben dem Gast allerdings ein "leichteres, unbeschwertes Urlaubsgefühl": "Man weiß, dass man sich auch nach einem gegebenenfalls abenteuerlichen Landausflug wieder in sein sicheres schwimmendes Resort zurückziehen kann. Man ist immer wieder in der vertrauten, sicheren Umgebung."

Die Travelzoo-Umfrage stützt die These, dass es nur einen kleinen Zusammenhang gibt. Nur 4 Prozent der Befragten antworteten, dass sie sich für eine Kreuzfahrt statt einer anderen Art von Urlaub entscheiden würden, um dadurch ihre Sicherheit zu erhöhen.

Hier sind zwei Aspekte zu unterscheiden: die Gefahr von Unfällen sowie Havarien und die Gefahr von terroristischen Anschlägen. Bei ersterem verweist Grammerstorf auf aktuelle Unfallzahlen. Demnach ist die Bettenkapazität auf Kreuzfahrtschiffen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, die Zahl der tödlichen Unfälle jedoch im gleichen Zeitraum gesunken.

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Bei der Frage, wie gut Kreuzfahrtschiffe gegen terroristische Angriffe geschützt sind, lassen sich die Reedereien nicht gerne in die Karten schauen - aus gutem Grund: Schließlich sollen Terroristen keinen Einblick bekommen. "Es wird im Hintergrund viel unternommen, was Urlauber gar nicht mitbekommen", sagt Grammerstorf.

Sichtbar für Urlauber ist zum Beispiel, dass es in allen größeren Häfen um die Schiffe herum weiträumig abgesperrte Bereiche gibt. Der Zutritt auf das Schiff ist nur für Berechtigte erlaubt, niemand kommt an Bord, ohne durch einen Metalldetektor zu laufen. "Da gilt der gleiche Standard wie an Flughäfen", so Grammerstorf. Am wichtigsten sei jedoch der Schutz im Vorfeld der Reise. Hier werden zum Beispiel Passagierdaten erfasst. Insgesamt seien die Sicherheitsmaßnahmen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht worden.

Für Kirstges sind die Gefahren auf einem Kreuzfahrtschiff geringer als bei einem Landurlaub. Dennoch: "Man muss kein großer Prophet sein, um vorherzusagen, dass der Tag kommen wird, an dem auch ein Kreuzfahrtschiff Ziel eines terroristischen Anschlags werden wird." Sei es durch das Eindringen im Hafen über Land auf das Schiff, sei es vom Wasser aus.

Die schwimmenden Hotels können - vor allem im Hochseebereich - notfalls relativ einfach verlegt werden. "Theoretisch kann man innerhalb von Sekunden umrouten und beispielsweise einen Hafen nicht anlaufen", so Grammerstorf. "Das ist ein Vorteil gegenüber dem Landurlaub. Das liegt aber in der Natur der Sache und ist kein besonderes Verdienst der Kreuzfahrt."

Grundsätzlich setzen Reedereien die Schiffe dort ein, wo es Nachfrage von Gästen gibt. Derzeit läuft beispielsweise kaum ein Kreuzfahrtschiff die Türkei an - weil viele Urlauber nicht mehr in das Land wollen. Sowohl für 2017 als auch 2018 haben viele Reedereien ihre Anläufe abgesagt. "Wenn ich etwas seriös planen will, ist ein Vorlauf von zwei Jahren nicht unwichtig", erklärt Grammerstorf. Theoretisch könne man das kurzfristig zurückändern, in der Praxis passiere das meist aber nicht. Schließlich muss bei einer Änderung der Route die ganze Logistikkette geändert werden: Liegeplätze in den Häfen, Flüge, Ausflüge.

In der Flusskreuzfahrt ist eine Verlegung in ein anderes Fahrtgebiet deutlich schwieriger. Theoretisch ist das zwar möglich, in der Praxis gibt es jedoch viele Hürden. Zum Beispiel ist nicht jedes Schiff für jeden Fluss geeignet. Zudem ist ein Transport der Schiffe sehr teuer und zeitaufwendig.

(dpa)
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