Gwen Weisser Und Patrick Allgaier Im Taxi durchs Taliban-Gebiet

Seit über zwei Jahren tourt ein junges Paar durch die Welt - ohne Flugzeug und mit knappem Budget. Gwen Weisser und Patrick Allgaier erzählen, warum sie das tun - und selbst vermeintlich gefährliche Länder bereisen.

Die gefährlichsten Länder der Welt 2010
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Die gefährlichsten Länder der Welt 2010

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Sie sind im März 2013 in Freiburg aufgebrochen - dann quer durch Asien gereist und weiter nach Amerika. Was war Ihr schlimmster kultureller Fehltritt?

Allgaier Trampen in Iran! Bei uns streckt man den Daumen nach oben, um zu signalisieren, dass man mitgenommen werden möchte. In Iran bedeutet die Geste so etwas wie bei uns ein gestreckter Mittelfinger.

Und was war Ihr spannendstes Erlebnis?

Allgaier Mit dem Taxi durch Pakistan zu fahren. Wir haben lange gehadert, ob wir das machen sollen. Erst als wir im Iran waren, ist uns klar geworden, dass man ein Pakistan-Visum nur im Heimatland beantragen kann. Zum Glück hat jeder von uns zwei Pässe dabei, sodass wir einen davon an die pakistanische Botschaft in Deutschland schicken konnten.

Wie ist es, dort zu reisen?

Weisser Bevor es losging, hatten wir Schiss. In dem Moment aber, als wir die Grenze überquert hatten und uns der pakistanische Zöllner mit einem Wahnsinnslächeln begrüßte, wussten wir, dass wir das Richtige taten. Die Leute haben sich sehr gefreut, und sich sogar teilweise dafür bedankt, dass Fremde in ihr Land kommen und sich für sie interessieren.

Die Grenzregion gilt als Taliban-Hochburg, in der Europäer schon verschleppt wurden...

Weisser Ja, wir waren sehr angespannt. Einmal saßen wir im Taxi, als es plötzlich laut knallte. Wir haben uns an den Sitzen festgekrallt und gedacht: Jetzt hat jemand geschossen. In Wahrheit war nur der Reifen geplatzt.

Wo befinden Sie sich jetzt gerade?

Allgaier In Santa Maria del Oro in Mexiko. Das ist ein ganz kleiner Ort im Mittleren Westen. Wir haben hier für zweieinhalb Monate ein Häuschen mit Garten gemietet. Unser Sohn Bruno ist hier Anfang Mai auf die Welt gekommen.

Also ist die große Weltreise fürs Erste unterbrochen?

Allgaier Nein. Wir haben uns einen alten VW-Bus gekauft und wenn das Auto will, ziehen wir bald nach Mittelamerika weiter: Guatemala, Honduras, Nicaragua. Weisser Unser Minibus ist gerade in der Werkstatt. Da gehen immer mal wieder Teile kaputt, und er überhitzt ständig. Das kriegen die Mechaniker aber hoffentlich wieder hin.

Sie hatten sich vorgenommen, bei Ihrer Reise komplett aufs Flugzeug zu verzichten. Wie klappt das?

Allgaier Mit dem Fliegen geht die Romantik der Distanz verloren, das Gefühl für die Strecke. Anfangs wollten wir durch Europa trampen und ab Moskau die Transsibirische Eisenbahn Richtung Kasachstan nehmen. Dann aber hat das Trampen auch in Russland, Zentralasien, im Kaukasus, im Iran und sogar in Pakistan so gut funktioniert, dass wir bis Indien durchgetrampt sind.

Sie hatten sich vorgenommen, nicht mehr als fünf Euro pro Tag auszugeben. Hat das bisher funktioniert?

Weisser Fünf Euro pro Person - das muss man fairerweise sagen. Die ersten anderthalb Jahre bis Tokio haben wir im Schnitt sogar weniger gebraucht. Mittlerweile sehen wir das nicht mehr ganz so eng.

Wie finanzieren Sie Ihre Reise?

Allgaier Wir hatten vorher gespart. Wenn man in Deutschland ranklotzt und bereit ist, auf bestimmte Dinge zu verzichten, kann man in kurzer Zeit genug Geld verdienen. Oft arbeiten wir unterwegs auch für Kost und Logis. Weisser Ich hatte innerhalb von acht Monaten mein komplettes Reisebudget zusammen. Bis jetzt haben wir oft sogar deutlich weniger als fünf Euro am Tag ausgegeben. Richtig ins Geld ging nur unsere erste Fahrt mit dem Containerschiff, von Tokio nach Mexiko über den Pazifik.

Sie drehen Dokumentarfilme über Einheimische, zuletzt über die Mutter eines behinderten Jungen in Mexiko. Mit welchem Konzept?

Weisser Von Zeit zu Zeit suchen wir jemanden und fragen, ob wir einen beliebigen Tag seines Lebens dokumentieren dürfen. Während des Drehs nehmen wir keinen Einfluss, machen weder Ansagen noch Vorschläge, wir schauen lediglich mit der Kamera zu. Wenn nichts passiert, dann passiert eben nichts. So ist eben manchmal der Alltag.

Wie hat sich in den zwei Jahren Ihre Sicht auf die Welt verändert?

Allgaier Wenn man selbst vor Ort ist, löst die Erfahrung die Phantasie ab. Das kann manchmal ernüchternd sein, zum Beispiel wenn die Hochglanzfotos aus dem Internet dem Original seine Überraschung nehmen. Aber es kann auch umgekehrt sein: Gerade in Gegenden, die als gefährlich gelten, haben wir eine wunderbare Offenheit und Gastfreundschaft kennen gelernt.

Wie stellen Sie sich die erste Zeit zu Hause vor?

Weisser Hoffentlich kehrt nicht so schnell der Alltag ein. Wir werden eine ganze Weile damit beschäftigt sein, unseren Film zu schneiden und damit auf Tour zu gehen. Eigentlich träumen wir wie jede Familie von einem kleinen Haus mit Garten. Aber wer weiß, vielleicht packt uns nach ein paar Monaten wieder das Fernweh.

DAS INTERVIEW FÜHRTE STEVE PRZYBILLA.

(RP)
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