Indien In Stein gemeißelt

Mit Hammer und Meißel trieb man auf dem indischen Subkontinent etwa 1000 Jahre lang riesige Tempelanlagen in monolithisches Gestein. Die meisten Anlagen befinden sich im Bundesstaat Maharashtra.

Etwa 90 mal 60 Meter misst die Grundfläche des Kailasa. Es ist der weltweit größte monolithische Tempel in Ellora, 30 Kilometer vor den Toren der indischen Metropole Aurangabad. Während der etwa 150-jährigen Bauzeit mussten per Hand 200.000 Tonnen Basalt aus einem riesigen Felsmonolithen herausgeschlagen werden, bis ein filigran gearbeiteter Tempelkomplex mit unterschiedlichen Funktionsräumen und Hallen entstand, reichlich verziert und innen geschmückt mit Skulpturen, die der hinduistischen Lehre entstammen. Man muss kein Hindu sein, um von der Schönheit und Magie des Tempels verzaubert zu werden. Und doch weist die Statistik für 2014 nur 25.000 ausländische Besucher aus.

Im etwa 100 Kilometer entfernten Ajanta sind 30 ähnliche Monolithtempel zu Ehren Buddhas zu bewundern, in denen noch Wandmalereien in der ursprünglichen Farbenpracht die Besucher in Erstaunen versetzen. In den vom 2. Jahrhundert vor Christus bis zum 7. Jahrhundert entstandenen Gebetstempeln und Mönchsunterkünften befinden sich erstaunlich detailgetreue und perspektivische Malereien auf Putz - Zeugnisse von hohem künstlerischem Ausdruck und wirtschaftlicher Blütezeit. "Sowohl Ajanta als auch Ellora lagen einst an der Gewürzroute, die etwa 50 Kilometer nördlich des heutigen Mumbai bis tief ins Landesinnere führte", erklärt Guide Narayan Sethi den einstigen Wohlstand, mit dem Hunderte Steinmetze, Maler und Handwerker bezahlt werden konnten.

Mit dem Aufschwung des Seehandels entstanden weitere Handelsrouten, die von der indischen Westküste ins Landesinnere und bis nach China reichten. Im 16. Jahrhundert kamen die Portugiesen und machten aus der vor den Toren Mumbais liegenden Insel Elephanta kurzerhand ein Ausbildungslager für Soldaten. Dabei zerstörten sie viele der Kunstschätze in den Monolithtempeln.

Für die 20 Millionen Einwohner der Küstenmetropole ist Elephanta dennoch ein äußerst beliebtes Freizeitziel, denn die hiesigen Shiva-Skulpturen rechnen Wissenschaftler zu den wichtigsten hinduistischen Kunstschätzen. Nicht einmal eine Stunde benötigen die Fähren für die Überfahrt vom "Gateway of India" im Hafen von Mumbai bis zum Eiland mit den aus schwarzem Vulkangestein geschlagenen Höhlentempeln, in denen Hindus täglich ihrem Gott Shiva mit Blumen und Früchten huldigen.

Daheim vor dem Fernsehgerät oder in einem der vielen Multiplexkinos Mumbais werden allerdings ganz andere "Götter" verehrt. Bollywood produziert weltweit die meisten Filme. Selbst Geringverdiener kratzen jede Woche 150 bis 500 Rupien (2,50 bis 7,50 Euro) zusammen, um freitags ja nicht die Premiere des neuesten Films zu verpassen.

In der 1977 gegründeten Filmcity erhält man einen Einblick ins Filmgeschäft. "Etwa 500 Produzenten nutzen unser Gelände jährlich", weiß der stellvertretende Geschäftsführer der Filmcity Omveer Saini zu berichten. "Täglich wird hier an durchschnittlich 50 Filmsets mit je 100 Leuten gearbeitet."

Fährt man über das 208 Hektar große Gelände, so trifft man tatsächlich an jeder Ecke auf Regisseure, Schauspieler und den zugehörigen Tross an Technikern, Maskenbildnern und Assistenten. Der 25 Jahre alte Schauspieler Varun Toorkey schaffte vor anderthalb Jahren den Sprung vom Model-Leben zum Fernsehstar - seit über zwei Monaten läuft seine Serie auf einem der etwa 100 indischen Fernsehkanäle. Doch der junge Mann gibt sich bescheiden: "Gerade in den ländlichen Regionen eifert man gerne seinen Filmidolen nach. Deshalb sollten wir Schauspieler zeigen, dass wir ganz normale Menschen sind und keine Götzen." Schlägt man allerdings die Tageszeitung "Times of India" auf, so nehmen die Klatschgeschichten über Schauspieler jeden Tag zwei bis drei Seiten in Anspruch. Und fährt man am Wohnhaus des Schauspielers Sha Rukh Khan im noblen Stadtteil Bandra West vorbei, so trifft man auf Hunderte Jugendliche, die auf ihr Idol warten. Das Wohnhaus ist scharf bewacht und ähnelt eher einem Tempel - scheint so, als schließe sich hier der Kreis zu den Göttertempeln.

Die Redaktion wurde von India Tourism und Maharashtra Tourism zu der Reise eingeladen.

(RP)
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