Im Kreis der Kreuzfahrer

Wer mit dem Wohnmobil den Kreis Kleve entdecken will, muss mit allem rechnen: katholischen Karawanen, rollenden Bibliotheken und der letzten Hallig vor Hooge.

 Pater Hans Peters (2. v. li.) segnet die Teilnehmer der Reisemobilwallfahrt.

Pater Hans Peters (2. v. li.) segnet die Teilnehmer der Reisemobilwallfahrt.

Foto: Stadt Goch

Reisemobilfahrer lieben die Freiheit, das Abenteuer und manchmal auch den schrägen Humor. "Wir verprassen das Erbe unserer Kinder" haben sich Irmtraud und Roland Thelen auf das Heck ihres Wohnmobils pinseln lassen. Und sie stehen dazu - übrigens in Absprache mit den Kindern. "Wenn mein Mann im nächsten Jahr in Rente geht, starten wir zur großen Europatour", sagt Irmtraud Thelen und zählt ihre Traumziele auf: Norwegen, die baltischen Staaten, Italien, Portugal und - so klein ist die Welt - der Niederrhein. "Wir lieben die weite Landschaft, die Radwege und die perfekte Infrastruktur für uns Reisemobilfahrer", sagt das Ehepaar einmündig. Bad Kreuznach, wohin es die gebürtigen Rheinländer aus beruflichen Gründen verschlagen hat, "kann damit nicht punkten".

Was für den Niederrhein im Allgemeinen, gilt für den Kreis Kleve im Besonderen: Denn dort gibt es nicht nur ein gut ausgebautes und beschildertes 2000 Kilometer langes Radwegenetz zu erkunden, sondern auch eine Reisemobil-Stellplatzdichte, die ihresgleichen sucht. Alle 16 Städte und Kommunen des Kreises haben mindestens einen Stellplatz. Eine Kombination, die ankommt. Das bestätigt auch Hans-Josef Kuypers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Kreis Kleve: "Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Übernachtungen erstmals auf über 900.000 gestiegen."

Rund 100.000 davon gehen auf das Konto der Reisemobilfahrer, die zwischen Rhein und Maas zur Land-Kreuzfahrt aufbrechen. Heute Goch, morgen Geldern und dann vielleicht nach Kleve? Oder gleich nach Kevelaer-Twisteden, wo der Stellplatz Den Heyberg mit dem Zusatz "Reisemobilhafen" den Kreuzfahrtgedanken aufgreift?

Martijn und Lis Caris sind dort am Rande des Naturschutzgebietes "De Hamert" mit ihrem elf Meter langen, zum Wohnmobil umgebauten kommunalen Bücherbus vor Anker gegangen. "Wir kommen wegen der ,Gezelligheid' immer gerne", sagt der Rentner aus Panningen bei Eindhoven. Seine Frau schätzt den vielfältigen Einzelhandel in Kevelaer, und beide genießen die Radtouren in der nahen Heidelandschaft mit ihrer sehenswerten Möwenkolonie. Ob sie im Sommer auch nach Goch fahren werden, steht noch nicht fest. Es würde sich lohnen, denn dann hat die alte Weberstadt Ungewöhnliches zu bieten: die Arnold-Janssen-Reisemobilwallfahrt. In diesem Sommer (20. bis 23. Juli) erfährt das deutschlandweit einmalige Spektakel - benannt nach dem in Goch geborenen Gründer der Steyler Mission - seine zehnte Auflage. Weit über 200 Reisemobile werden erwartet. Für den spirituellen Input sorgen Kirchenkonzerte und Andachten. Bier vom Fass und Würstchen vom Grill sichern das leibliche Wohl. Ein Magazin beschrieb die Reisemobilwallfahrt als "katholische Karawane". Und die Gocher freuen sich, dass ihre Wallfahrt nicht zu 1000 Prozent heilig ist. Mit oder ohne Segen, die 270 Stellplätze auf dem Friedensplatz werden an dem Wochenende belegt sein.

Zu Reisemobilstaus kommt es aber auch dann nicht, denn im Kreis Kleve herrschen nahezu skandinavische Verkehrsverhältnisse. Jeder Wohnmobilist, der einmal in südlichen Gefilden unterwegs war, weiß das zu schätzen. Zwischen Emmerich und Wachtendonk gibt es immer Platz zum Fahren, Parken, Rangieren und Übernachten. Beispielsweise auf dem Womopark Moyland im Schatten des gleichnamigen Schlosses. Neben der umfangreichen Joseph-Beuys-Sammlung lockt am 27. und 28. Mai das Kräutergartenfest. Es ist der angesagte Treffpunkt für Garten- und Naturliebhaber, die sich für Kräuter, deren Wirkung und Anwendung interessieren.

Wer die Niederrhein-Einsamkeit wirklich sucht, sollte den Stellplatz in Schenkenschanz ansteuern. Das Dorf auf der Halbinsel Salmorth ist ein Ort der Stille und liegt dort, wo der Rhein Deutschland verlässt. Als die "letzte Hallig vor Hooge" beschrieb der Niederrhein-Philosoph und Poet Hanns Dieter Hüsch das von Deichen und Flutmauern umgebene Nest. Nicht einmal 100 Menschen und eine unbekannte Anzahl Kühe leben in Schenkenschanz. Touristenführerin Hildegard Liebeton kennt sie alle. Und als Melkerin Änneken in Klompen und Kittel weiß sie so manches Döneken aus dem Alltag der "Insulaner" zu berichten.

(RP)
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