Hausboot Urlaub im schwimmenden Wohnwagen

Es war ja klar, dass die Radler auf dem Uferweg schneller sind. Aber auch die Jogger? Daran muss man sich als Hausbootkapitän erstmal gewöhnen. Eine Reise auf dem Canal du Midi im Südwesten Frankreichs.

 Millimeterarbeit: Immer wieder müssen die Hausbootkapitäne wie hier in Le Somail durch enge Brückendurchfahrten navigieren.

Millimeterarbeit: Immer wieder müssen die Hausbootkapitäne wie hier in Le Somail durch enge Brückendurchfahrten navigieren.

Foto: Christian Röwekamp

Rien ne va plus, nichts geht mehr. Gut einen Kilometer westlich von Capestang ist eine große Platane in den Kanal gestürzt. In der Nacht zuvor war ein Gewitter durch die Region zwischen Béziers und Carcassonne gezogen. Nun scheint wieder die Sonne, doch für den Moment ist der Bootstourismus in diesem Abschnitt des Canal du Midi völlig zum Stillstand gekommen.

Einen Gang herunterschalten, alles etwas langsamer angehen - das ist bei einem Hausbooturlaub auf dem Canal du Midi ohnehin das Programm. Mit maximal sechs bis acht Kilometern pro Stunde tuckern die schwimmenden Wohnwagen an den Weinbergen und Sonnenblumenfeldern der französischen Region Languedoc-Roussillon vorbei. Leicht verschärftes Schritttempo also. Der umgestürzte Baum bei Capestang treibt das Entschleunigungsprogramm des Canal du Midi also nur auf die Spitze.

Hausbooturlaub ist heute die wichtigste Aktivität auf dem Kanal, der von 1667 bis 1681 für den Frachtverkehr gebaut wurde. Er ermöglichte damals erstmals, Güter per Schiff zwischen Frankreichs Atlantik- und Mittelmeerküste zu bewegen, ohne die iberische Halbinsel umrunden zu müssen. Über 240 Kilometer verbindet der zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Kanal die Großstadt Toulouse und die Salzwasserlagune Étang de Thau bei Sète am Mittelmeer. Manche Boote sind für acht bis zehn Personen ausgelegt und werden von Familien samt Oma und Opa genutzt. Andere bieten gerade mal vier Fahrgästen Platz. Fast alle dürfen ohne Führerschein bewegt werden: Die Freizeitkapitäne erhalten eine kurze, begleitete Einführungsfahrt an der Bootsbasis - und das muss reichen.

Schnell ist man an heißen Tagen versucht, sich im Kanal Abkühlung zu verschaffen. Das aber ist verboten: Das Kanalwasser ist nicht nur wegen der Schiffsbewegungen eine trübe Brühe, sondern auch, weil die Hausboote ihre Spülbecken, Duschen und Toiletten darin entleeren.

Wer schwimmen gehen möchte, hat entlang des Kanals nicht allzu viele Möglichkeiten - eine besonders schöne allerdings ist der Natursee Lac de Jouarres bei Homps, per Fahrrad in 20 Minuten gut erreichbar. Homps bietet sich nicht nur wegen des Sees für einen Stopp an, hier gibt es auch gute Restaurants und Cafés direkt am Kanal. Gleiches gilt für Le Somail etwas weiter östlich.

Ein längerer Aufenthalt lohnt in Carcassonne, deren mittelalterliche Altstadt schon von weitem sichtbar ist. Vom Touristenrummel sollte man sich nicht verrückt machen lassen und die Cité früh am Vormittag besuchen oder abends. Ohnehin wäre es verkehrt, Carcassonne auf die Altstadt zu reduzieren - die Unterstadt ist voller Leben.

Am Kanalhafen von Carcassonne beobachten oft Touristen das Hinauf- und Hinabschleusen der Boote: Eine der 63 Schleusenanlagen des Canal du Midi mit ihren insgesamt 98 Schleusenkammern liegt mitten in der Stadt. Den Betrieb der Anlagen mit ihrem schnell und druckvoll sprudelnden Wasser zu meistern, stellt ungeübte Hausbootkapitäne und ihre Besatzungen in den ersten Tagen auf eine harte Probe.

Gerade vor mehrstufigen Schleusen wie St. Roch bei Castelnaudary und an der Schleusentreppe von Fonserannes bei Béziers, bei der es durch sechs Kammern geht, kann es lange Wartezeiten geben. Fast alle Schleusenwärter machen von 12.30 bis 13.30 Uhr Pause und stellen um 19 Uhr den Betrieb ein - auch das trägt zu einem entspannten Tempo auf dem Kanal bei und sorgt für übersichtliche Tagesetappen.

Zwischen Béziers und Carcassonne dominieren Weinbauflächen, weiter westlich beherrschen Sonnenblumenfelder und Maisäcker die Kanalufer. Hier stehen auch noch mehr der im 18. und 19. Jahrhundert gepflanzten Platanen, die einst den Zugtieren der Lastkähne jenen Schatten spendeten, über den sich Bootstouristen heute noch freuen. In Capestang findet der Stillstand auf dem Kanal dann doch noch am selben Tag ein Ende: Zwei Arbeiter der französischen Kanalbehörde VNF zerlegen den ins Wasser gestürzten Baumstamm mit einer Motorsäge und ziehen die Einzelteile mit einem großen Bagger aus dem Wasser. Es kann weitergehen mit der Entdeckung der Langsamkeit.

(RP)
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