Glücksmomente in Salz und Schlamm

Seit Jahrtausenden ist die Heilkraft des Toten Meeres bekannt. Auch Jordanien, an der Ostseite des Toten Meeres, lockt mit Wohlfühloasen.

Meray Kopty steht barfuß im Schlamm. Die 26-jährige Jordanierin blickt auf das Dutzend schlammschwarzer Menschen, das sich entspannt im Toten Meer treiben lässt. Wellen klatschen sanft gegen das Ufer. Am goldenen Sandstrand funkeln schneeweiße Salzkristalle wie Diamanten. Kopty greift mit beiden Händen in den warmen Matsch zu ihren Füßen. Sie verteilt einen weichen Klumpen der mit feinem Korn gespickten Masse auf ihrem Körper: zunächst auf Armen, dann auf Bauch, Rücken und Beinen, zum Schluss im Gesicht. Die Frau aus der Hauptstadt Amman schlüpft in ihre Badelatschen, schlurft zu einer der Holzbänke und setzt sich neben ihren bereits eingeschlämmten Vater Jack. Gemeinsam beobachten sie das schwerelose Treiben im salzigen Binnensee. "In einer Viertelstunde wird die Sonne den Schlamm auf unserer Haut soweit trocknen, dass er aufplatzt. Ein tolles Gefühl. Allein schon deshalb kommen wir jedes Jahr für Wellness-Ferien hierher", erzählt Kopty. "Die im Toten Meer enthaltenen Mineralien wie Magnesium, Kalium, Kalzium und der Schlamm sind gut für die Haut. Sie machen sie zart und entspannen dazu noch den ganzen Körper", ergänzt ihr Vater.

Das Tote Meer, eingerahmt von den moabitischen Gebirgszügen Jordaniens und den judäischen Bergen, die sich vom Westjordanland bis nach Israel erstrecken, ist seit Jahrtausenden bekannt für seine Heilkraft. Schon die ägyptische Königin Kleopatra wusste das. 30 Prozent Salzgehalt, eine Fülle gelöster Mineralien und die reine Luft locken auch heute noch königliche Häupter zum größten natürlichen Spa der Welt - das jordanische Königspaar Rania und Abdullah II., das spanische Kronprinzenpaar oder Angehörige des schwedischen Königshauses. Wie Meray und Jack Kopty reiben sie sich vor der orangefarbenen Bergkulisse mit dem schwarzen Heilschlamm ein, nehmen ein Bad in der blauen Salzlake oder lassen sich in einem der schönen Resorts verwöhnen, die beim Dorf Suwayma neben Tomaten-, Mais- und Rucola-Feldern in sonst karger Wüstenlandschaft am Wasser liegen.

Mitten im Jordangraben, 400 Meter unter Meeresniveau, speist das Tote Meer neben mehreren kleinen Gebirgsbächen nur ein nennenswerter Fluss: der Jordan. Sein Wasser staut sich im abflusslosen Binnensee und verdunstet in der jordanischen Hitze. Was bleibt, ist ein kräftiger Cocktail aus Salz und Mineralien, der das schon in der Bibel erwähnte "Meer im Osten" neunmal salziger macht als das Mittelmeer oder die Nordsee. Kein Ort für Lebewesen, sollte man meinen. Doch in den Tiefen des Meeres haben Wissenschaftler ein einzigartiges Labyrinth entdeckt. Unzählige Süßwasserquellen in haushohen Brunnen sind über Hunderte von Metern miteinander verbunden und geben Algen und zahlreichen Bakterienarten einen Lebensraum. Diese glaubte man mit dem ständig steigenden Salzgehalt seit Mitte der 1970er Jahre bereits ausgestorben. Ganz anders die außergewöhnliche Mineralienvielfalt, auf welche die Gesundheitsleistung des Toten Meeres zurückzuführen ist. Aus den natürlichen Stoffen des Salzsees entwickelt man hochwertige Pflegeprodukte für einen sanften Tourismus. In 40 lokalen Labors werden heute Gesichtsmasken, Badesalze, Shampoos, Cremes, Duschgels und Seifen hergestellt. Am beliebtesten ist jedoch, was mehr oder weniger pur aus dem See kommt: natürliche Schwefelseife und Schlamm.

Den benutzt auch Amparo. Die Kolumbianerin steht eingeschlämmt mit Mann und Freunden im Ufersand und betet. "Wir verbinden hier die Hoffnung auf ewige Jugend mit unserem Glauben. Jordanien hat so viele geschichtsträchtige Stätten, auch am Toten Meer", sagt sie. "Morgen fahren wir nach Bethanien zum Ort der Taufe Jesu am Jordan. Übermorgen zum Grab des Moses auf dem Berg Nebo. Und in der nächsten Woche wollen wir uns Lots Höhle am Südteil des Toten Meeres, in den Bergen von Safi, anschauen." Amparo lacht. Wie in der Bibel nachzulesen, flüchtete Lot mit Frau und Töchtern in die Berge, als Gott die lasterhaften Städte Sodom und Gomorrha vernichtete. Seine Frau erstarrte dabei zur Salzsäule, da sie das göttliche Gebot missachtete, sich nicht umzusehen.

Neben alldem darf natürlich die Gesundheit nicht zu kurz kommen. "Deshalb plane ich heute einen reinen Wellness-Tag, nehme eine Nebeldusche mit Minzduft und genieße mit meinem Mann eine Open-Air-Sonnenuntergangs-Massage für Paare", erklärt Amparo und blickt auf den endlos scheinenden See und seine Salzkruste.

Umweltschützer hingegen schlagen Alarm. Seit Jahren sinkt der Grundwasserspiegel des Toten Meeres. Dessen Ausmaß lag vor 40 Jahren noch bei fast 1000 Quadratkilometern. Heute misst es weniger als zwei Drittel davon. Wissenschaftler rechnen damit, dass der Salzsee in ein paar wenigen Jahrzehnten ausgetrocknet sein wird, wenn sich nichts ändert. Wenn nicht Industrie, Landwirtschaft und Privathaushalte der Anrainerstaaten darauf verzichten, Süßwasser aus dem speisenden Jordan abzuleiten. Ganze fünf Prozent der ursprünglichen Menge fließen heute noch ins Tote Meer.

Die Redaktion wurde vom Fremdenverkehrsamt Jordanien zu der Reise eingeladen.

(RP)
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