Abenteuer in Deutschland Zum Tauchen in den Großen Stechlinsee

Neuglobsow · Tauchen im See? Langweilig! Dieses Vorurteil hält sich. Dabei birgt der Wassersport auch in Binnengewässern spannende Momente. Und im Vergleich zu exotischen Unterwasserzielen ist es zum nächsten Spot oft nicht weit.

Taucherlebnis im Stechlinsee
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Foto: dpa, zeh

Die Verabredung zum Tauchen ist um 11.00, nun ist es 11.00 Uhr. "Gaaanz entspannt", sagt Ralf. Ralf ist Ralf Zichert, Geschäftsführer der Tauchbasis am Großen Stechlinsee im Norden Brandenburgs. Man duzt sich in der Szene. Und hat einen relativen Zeitbegriff. Denn Eile kostet Atem, und Atem ist bare Zeit. Jedes Bar in der Flasche zählt.

"Lass uns in einer halben Stunde treffen", sagt Ralf. Er lässt sich für eine Besprechung bei Filterkaffee in einen Plastikgartenstuhl sinken. Währenddessen macht sich eine Gruppe von Tauchern in aller Gemächlichkeit bereit. Ein Mann verdreht seinen Oberkörper wie eine Schlingpflanze, bis seine Arme endlich den Weg in den Neopren-Anzug finden.

Denise, eine Sporttaucherin aus Berlin, bevorzugt einen Trockenanzug und schlüpft erst einmal in eine Montur, die an einen zu dünn gefütterten Schneeanzug erinnert. Ihr stehen Schweißperlen auf der Stirn, als sie dann noch die wasserdichte Außenhülle anlegt. "Das ist wie in einer Folie", sagt sie. "Der Stechlin ist wie ein Aquarium." Nur weniger bunt als tropische Meere, aber das sei ja klar. Sie stemmt ihre Flasche und schreitet Richtung Ufer.

Nach und nach präparieren sich weitere Hobbytaucher für den Besuch bei Barsch, Hecht, Rotfeder, Schleie oder Plötze, den am häufigsten anzutreffenden Fischen. Für ihre Rückkehr warten an dem barackenartigen Gebäude aus den 1970er Jahren, das in der DDR als Tauchausbildungszentrum der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) genutzt wurde, Gerüste und Ständer, an denen später die abgestreiften Anzüge trocknen werden.

Dann kriecht auch Ralf in seinen Trockenanzug. Er reibt die Manschetten mit Talkum ein und schlendert anschließend durch das Stück Buchenwald, das den See umgibt. Das Gewässer und die Gegend stehen unter Naturschutz, nur innerhalb eines Korridors dürfen die Froschmänner ihrem Hobby nachgehen.

Tauchen in Binnengewässern folgt eigenen Regeln. Zum einen gibt es weniger Auftrieb als im salzigen Meerwasser. Zum anderen taucht man quasi immer unter winterlichen Bedingungen. "Nahezu alle Binnengewässer in Deutschland sind Kaltwassertauchgebiete, auch im Sommer", erläutert Frank Ostheimer vom Verband Deutscher Sporttaucher (VDST). Vom Kaltwassertauchen spricht man, wenn die Wassertemperatur zehn Grad Celsius unterschreitet. Das ist in üblichen Tauchtiefen oft das ganze Jahr so.

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Foto: Shutterstock.com/ Samuel Borges Photography

Das Wasser am Einstieg hat 16 Grad. Von Wasser umgeben, zeigt sich ein weiterer Unterschied zum Tauchen im offenen Meer. Seen haben einen Jahreszyklus, und der Stechlin, einer der klarsten Seen in Deutschland, ist gerade dabei sich umzuschichten. Anstelle der acht oder gar zehn Meter erhofften Sicht, ist das Wasser so trübe, dass die Taucher durch ihre Maske nur anderthalb bis zwei Meter weit spähen können. Ein paar Wochen später wären sie besser dran gewesen.

Vor allem im Frühsommer herrscht in den Seen eine gute Sicht, und es gibt viele Jungfische. Das gilt eigentlich für alle Binnenseen. Ralf Zichert nennt als besonders reizvoll den nahen Werbellinsee oder den Bodensee. In der Szene beliebt sind auch der Kreide-See in Niedersachsen, der Kulkwitzer See bei Leipzig oder der Sundhäuser See in Thüringen, der ebenfalls gute Sichtweiten verspricht.

Unter Wasser knacken die Ohren, der Druck steigt. Grün glimmt mal auf, wenn die Sonne aufs Wasser trifft, der mit Seegräsern bewachsene Boden ist sandig. Sediment wirbelt umher. Jetzt ist Konzentration gefragt. "Zwei, drei Flossenschläge genügen, und man verliert sich", stellt Ralf fest, als es einmal soweit ist, und alle auftauchen müssen, weil man sich verloren hat. Das ist überhaupt eine der wichtigsten Grundregeln: auftauchen, wenn man den Buddy nicht mehr sieht - und dabei an die Dekompressionspausen denken, wenn man aus der Tiefe kommt.

An diesem Tag aber taucht das Grüppchen nur auf maximal drei, vier Meter. Ein kleiner Schwarm Rotfedern zischt vorbei. Viel mehr soll es an diesem Tag nicht sein - bis auf eine Begegnung kurz bevor es wieder hoch geht, das Finimeter zeigt nur noch 30 bar. Trotz hoher Konzentration sind Ralfs Flossen nicht mehr in Sicht, der Tauchlehrer ist weg. Dafür schiebt sich unverhofft ein Kaventsmann von Hecht am Grund entlang, der scheinbar unbeteiligt in die Gegend glotzt. Der Hecht tritt im Trüben so unerwartet auf die Bildfläche, dass sogar eine kleine Schrecksekunde im Spiel ist.

"Wir haben natürlich ein bisschen Pech gehabt", sagt Ralf später, als alle wieder im Trockenen sind. Zu seinen Glücksmomenten zählt er die Begegnung mit einem Schwarm von rund 30 großen Barschen, auch wogende Felder von Unterwasserpflanzen gefallen ihm.

Denise aus Berlin ist ein bisschen enttäuscht, als sie ihre Ausrüstung an der Basis abstreift, wäscht und zum Trocknen aufhängt. Ein anderer Taucher hat den Grill angeworfen, und bald duftet es nach Würstchen. Es wird ein bisschen geredet, aber nicht viel. Am Nachmittag soll es wieder zurück ins Nass gehen. Auch Ralf schlendert später aufs Neue in Richtung der kleinen Bucht. In seinem Taucherleben hat er schon mehr als 1000 Tauchgänge gemacht - die meisten davon in Seen.

(dpa)
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