Südafrikasüdafrika Buchten mit hoher Walbeteiligung

Hinter jeder Klippe warten neue Überraschungen: Eine Fahrt entlang der südafrikanischen Küste führt zum weltweit einzigen Walrufer, ins Surfer-Paradies, nach "Men's End" und an die Möchtegern-Côte d'Azur.

Aha, das hier soll also die Côte d'Azur Südafrikas sein? So jedenfalls schwärmen Reiseführer und Webseiten von Camps Bay, preisen Kapstadts Nobel-Vorort als Hotspot der Reichen und Schönen, seine Küstenstraße als Laufsteg für Endlos-Beine und Vorführ-Boulevard fauchender Breitreifen-Boliden. Nun ja: Ein Porsche und ein Maserati - immerhin - protzen vorm "Café Caprice", Camps Bays angeblich angesagtestem Szenetreff, der eher anmutet wie eine Eisdiele der Caterina-Valente-Ära. "Ja, stimmt", sagt Reggie Hennop etwas zerknirscht, "mit dem Versuch, Camps Bay in die Côte d'Azur- und Miami Beach-Liga zu hieven, haben wir uns wohl etwas verhoben - es war halt so ein Marketing-Versuch..." Aber Hennop, Manager des am Ortsrand gelegenen Luxus-Apartmenthauses "South Beach", pocht darauf: Camps Bay sei eine der schönsten Buchten des Landes und toller Ausgangspunkt zu weiteren entlang der südafrikanischen Küste.

Recht hat er! Surfer stürzen sich vor Camps Bay in heranrollende Wellen. Dahinter - am sichelförmigen Strand - tanzen Schüler, machen ihre Wandertags-Kleinbusse zu mobilen Discos. Eingerahmt wird die Szenerie von den Zwölf Aposteln, einer hoch aufragenden Bergkette, die Nachbarin des Tafelberg-Massivs. Auf den Terrassen der Bars und Restaurants von Camps Bay sitzen Gäste wie auf Tribünen und schauen runter auf das Geschehen an der Victoria Road. Es sei denn, sie besitzen eine Privatloge in einem der "Schöner-Wohnen"-Penthouses, wo man buchstäblich über den Dingen steht, mit einem Glas kühlem, perlenden "Cap Classique" in der Hand.

Der Weg zu weiteren südafrikanischen Buchten mit Meerwert führt über eine der weltweit schönsten Küstenstraßen - den "Chapmans Peak Drive": Dieses neun Kilometer und 114 Kurven lange, schmale Asphaltband schlängelt sich stets eng am Felsrand entlang, mehrere hundert Meter über der tosenden Atlantik-Gischt und vom Abgrund nur durch ein oft kaum kniehohes Mäuerchen getrennt. Sightseeing-freundliche Tempolimits zwischen 20 und 40 km/h ermöglichen Genießerblicke auf eine Farbenvielfalt wie im Tuschkasten: schroffe, mal sandfarbene, mal braune Felsen, türkises Meer, blauer Himmel, Brokkoli-artiger Steilküstenbewuchs. Über den felsigen, karg bewachsenen Rücken der Kaphalbinsel geht's zur Bucht Nr. 2 im kleinen Fischerort Simons Town, der mit seinen verschnörkelten Veranden-Häusern anmutet wie ein viktorianisches Freilichtmuseum.

Am Boulders Beach, dem Südstrand von Simons Town, tragen die untersetzten Gastgeber allesamt Frack, sind nur 60 Zentimeter groß, watscheln tollpatschig auf weißen Felsen umher und tröten dabei wie zerbeulte Hupen: afrikanische Brillenpinguine, die sich 1985 hierher verirrten und blieben. Die Art ist heute vom Aussterben bedroht, wird deshalb auf Abstand von ihren menschlichen Fans gehalten - Besucher dürfen die Tiere nur von etwa hundert Meter entfernt gelegenen Holzstegen beobachten. Aber mit Glück kommt ein besonders neugieriger Vertreter rüber und tapst zwischen den Menschen herum. Die einzige weitere Brillenpinguin-Kolonie Südafrikas liegt quasi schräg gegenüber am anderen Ufer der Bucht, zweieinhalb Autostunden östlich, bei Bettys Bay.

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Foto: dpa, zeh

Von hier aus dauert es knapp 45 Minuten bis zur Walker Bay - Bucht Nr. 3. Wieder so eine ausladende Sichel, aber anstelle von weißem Strand mit dunklem, felsigen Ufersaum und Klippen, überwuchert von Fynbos, dichtem, artenreichem Buschwerk, das es so nur in Südafrika gibt. Hindurch führt ein zwölf Kilometer langer, schmaler Wanderpfad - der Arbeitsplatz des wohl weltweit einzigen Walrufers.

Eric Davalala trägt Lederhut, gebügelte Hose, kariertes Hemd und darüber ein Sandwichposter: Vorne wirbt er - geadelt von der Unesco - mit der besten Wal-Beobachtung vom Land aus, hinten drauf stehen alle Aussichtspunkte - von Grotto Beach bis zum New Harbour. Sein wichtigstes Arbeitsgerät hat Eric im Mund - das Kelphorn, eine an römische Luren erinnernde, geschwungene Tröte aus getrocknetem Seetang. Der 27-Jährige hat zuverlässig hohe Walbeteiligung, hier im Örtchen Hermanus, und wann immer er diese in der Bucht erspäht, trompetet er drauflos und zeigt herbeiströmenden Gästen, wo einer der bis zu 80 in der Bucht kreuzenden Kolosse gerade Fontänen in die Höhe spritzt oder aus dem Wasser aufsteigt und zurück ins Meer plumpst. Jährlich von Juni bis November sind die zwischen 15 und 20 Meter langen, in der Antarktis beheimateten Wale zu Gast in der Walker Bay, um hier in wärmerem Wasser ihre Jungtiere zur Welt zu bringen.

Aus diesem Naturschauspiel muss sich doch was machen lassen, fanden Geschäftsleute um den pensionierten Ingenieur Brian Ancketil Anfang der 1990er Jahre und erfanden den Walrufer. Ancketil bastelte anfangs die Kelphörner selbst, heute gibt es sie überall in Hermanus' Souvenirshops. Eric ist bereits der fünfte Walrufer. Bekommen hat er den Job, weil er mühelos ohne Pause redet, gern für Fotos posiert, viel über Wale weiß und seinen vorherigen Job als Parkplatzwächter loswerden wollte.

Südafrikas vielleicht seltsamste Bucht liegt an der legendären, vielfarbig blühenden "Garden Route" und heißt Victoria Bay. Ein Ort mit nur zwölf Häusern, Mini-Surfstrand und einem Restaurant - eingeklemmt zwischen Felsen, ideal für eine kurze Stippvisite zum Beinevertreten und Staunen. Glaubt man Victoria Bays Marketing, dann wohnt man in Südafrika nirgendwo dichter am Wasser. Und das übrigens über den Tod hinaus, denn der Friedhof des Ortes ist in einen Felsen eingelassen - seitlich vom Hotel "Lands End", das genauso gut auch "Men's End" heißen könnte.

Von Wilderness mit seinem wirklich wilden, windumtosten, von Holz-Cottages gesäumten Strand, über Brenton On Sea, einem rausgeputzten Hochsitz-Ort, bis ins touristische Knysna mit Shopping Mall, Seglerhafen und Lagunen-Resort - wo ist die letzte Überraschungsbucht? 200 Kilometer weiter ostwärts bei Jeffreys Bay. Hier sind Parkbänke in Surfbrettform gebaut und Bushaltestellen-Unterstände als Wellen, die sich scheinbar über den Wartenden brechen. Denn der 27.000-Einwohner-Ort ist Südafrikas Surf-Hauptstadt, ausgelöst durch den Kultfilm "Endless Summer", hier gedreht Anfang der 1960er Jahre. Die Handlung: Zwei US-Boys sind auf der Suche nach den besten Surf-Spots - auf Hawaii und Tahiti, in Australien und eben auch Südafrika.

Grundlagenforschung sozusagen, in deren Verlauf die Film-Globetrotter Bruce Brown und Mike Hynson die wahrscheinlich weltweit längsten und besten Surfwellen entdeckten. So regelmäßig wie von einer Maschine erzeugt, rollen sie bis zu zwei Stockwerke hoch als Tubes (Wasserröhren) vor Jeffreys Bay entlang. Weshalb hier heute ganze Strandabschnitte "Magnatubes" und "Supertubes" heißen und der Ort jedes Jahr im Juli versucht, sich wieder etwas vom Flair aus der Goldgräberzeit des Surfens einzuhauchen, als hier nach Entdeckung der riesigen Endloswellen immer mehr klapprige VW-Bullis mit Langboards auf dem Dach und Langmähnen hinterm Steuer eintrafen, sich süßlicher Tabakgeruch und näselnder Bob Dylan-Sound verbreitete. Heute alles noch hier und da zu besichtigen beim längst kommerzialisierten und gut besuchten Surf-Festival Mitte bis Ende Juli, auf dem die weltweit besten Brett-Artisten zeigen, was sie können in den Wasserröhren von Jeffreys Bay.

Die übrige Zeit des Jahres aber ist Jeffreys Bay ein netter, so dermaßen entspannter Küstenort, dass man hofft, der chronisch klamme, südafrikanische Staat möge nie auf die Idee kommen, für den Besuch all seiner traumhaften Buchten irgendwann "Meer"-wertsteuer zu verlangen. So wie an unseren Küsten. Kurtaxe heißt das dort. Die Redaktion wurde von South Africa Tourism zu der Reise eingeladen.

(RP)
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