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Jordanien Urlaub mit Beduinen

Dana · Jordanien? Kann man da noch hinreisen? Das Land mit einer Grenze zu Syrien leidet unter einer Tourismusflaute. Besonders betroffen davon sind die Beduinen, die Touristen gerne zu sich einladen. Eines ihrer heiligsten Gebote ist die Gastfreundschaft.

Jordanien - Wüste, Kreuzfahrer und das versprochene Land
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Jordanien - Wüste, Kreuzfahrer und das versprochene Land

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Foto: shutterstock/ Ralf Siemieniec

Den Kaffee eines Beduinen in Jordanien lehnt man nicht ab. "Die erste Tasse muss man trinken", sagt Ali Hasaseen. Das gebietet die Höflichkeit. "Danach aber sollte man sich die nächste Tasse gut überlegen. Denn wer die zweite Tasse trinkt, verspricht, im Kampf dem Gastgeber zur Seite zu stehen." Der junge Beduine lacht bei diesem Satz, er ist wohl nicht allzu ernst zu nehmen. Und doch trinkt man diese Tasse laut einer uralten Tradition für das Schwert, das einen beschützt. Die dritte Tasse steht für die Entspannung. Und die vierte Tasse? Die muss man auf jeden Fall - mit einem Schwenken der Tasse - ablehnen. Alles andere wäre unhöflich.

Wer Ali Hasaseen im Biosphärenreservat Dana besucht, wird im Kreis der Familie begrüßt. Alis Vater Muhammad sitzt schweigend vor dem mit gemütlichen Kissen ausgelegten offenen Zelt. Er röstet die Bohnen für den Kaffee. Dann braut er diesen und ruft mit einer Glocke die Nachbarn zusammen, die eine Tasse wollen - auch eine der festen, uralten Regeln für das Kaffeetrinken. Heute kommt aber nur die Familie hinzu. Jedem Gast wird die Hand geschüttelt.

Jordanien -Urlaub bei den Beduinen
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Jordanien -Urlaub bei den Beduinen

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Die 400 Beduinen in dem rund 300 Quadratkilometer großen Reservat südlich des Toten Meers leben zwar vom Tourismus, sie scheinen sich aber noch über jeden einzelnen Gast zu freuen. Die Angestellten essen sogar gemeinsam mit den Gästen in dem einzigen Hotel im Tal.

Die Reise zum Beduinenstamm beginnt tags zuvor oben am Berg, im verlassenen Dorf Dana. Fünf bis acht Stunden dauert die Wanderung durch einen Canyon zu dem Tal, wo Hasaseens Familie lebt. Zwischen steilen Felsformationen schlängelt sich ein einziger Pfad hindurch, entlang an Kiesbetten und kargen Feldern. Man durchquert vier verschiedene Klimazonen, etwa Wüstenlandschaften oder einen grün bewachsenen Flusslauf. Es geht immer wieder bergauf und bergab - über 1000 Höhenmeter hinweg und durch eine unfassbare Stille, die nur ab und an von den Glöckchen der Ziegenherden durchbrochen wird.

Hier ist heute nur eine Gruppe unterwegs - und auch sonst sind es so wenige Menschen, dass sich sogar die Einheimischen über die Abwechslung zu freuen scheinen. Der Hirte Jamil Hawaldi hält auf seinem Esel - dem "Beduinen-Ferrari" - zur Mittagspause an, schnorrt sich eine Zigarette und sucht das Gespräch.

Später, auf halbem Weg durch den Canyon, warten winkend zwei Dorfbewohner. Sie sind Teil der gebuchten Tour und backen für die Gäste köstliches Brot aus Weizenmehl und Salz, das einfach über die Glut des Lagerfeuers geschoben wird. Auch die Beduinen, die nachts ab und zu mit den Herden draußenbleiben, essen es. Und Sardinen aus der Dose, wie überall verteilte Metallreste beweisen.

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Foto: dpa, pla

Zum Brot gibt es Tee, man sitzt auf Steinen unter einem Baum. Kaum ein Wort fällt. Der Weg durch das Biosphärenreservat kommt einem unwirklich vor, weil man sich ein wenig wie ein Eindringling fühlt. Wo sonst ist man der einzige Tourist weit und breit? Nur rund 400 Beduinen leben in dieser Gegend, einige von ihnen arbeiten in einem Eco-Hotel. 80 Prozent des Bedarfs wird mit Produkten der Beduinengemeinschaft gedeckt. Hier gibt es ausschließlich vegetarisches Essen und Strom nur an der Rezeption und im Badezimmer. Die Räume werden nachts mit Kerzen erleuchtet. Neben Tageswanderungen und Moutainbike-Touren durch den Canyon bieten die Beduinen Besuche bei ihren Familien an, es gibt dann immer mindestens eine Tasse Kaffee für die Gäste.

Wer derzeit durch Jordanien reist, kann sich fast immer sehr hofiert fühlen. Einige Touristen kommen noch, aber bei weitem nicht mehr so viele wie vor ein paar Jahren. Denn Jordanien hat ein Problem. Es grenzt an Israel, das Westjordanland, Irak und Saudi-Arabien - und an das umkämpfte Syrien. "Die Touristen sehen den Unterschied nicht, sie scheren die ganze Region über einen Kamm", sagt Reiseführer Aiman Tadros, der einige Jahre in Bochum studiert hat. "Aber Jordanien ist sicher." Das wiederholt er gebetsmühlenartig. Denn auch er leidet unter der Flaute: "Zurzeit sitze ich viel zu Hause und warte."

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Deutlich wird die Flaute auch beim Kloster Ad Deir in der weltberühmten rosaroten Felsenstadt Petra. Es liegt am Ende des weitläufigen Geländes. Wer hierhin will, spaziert ein paar Stunden oder lässt sich von Esel oder Kamel transportieren. Es geht über viele Treppen aufwärts, vorbei an Hunderten von einzigartigen Grabanlagen, bizarren Felsen und fantastischen Tempelfassaden. Dann durch eine letzte enge Nische, und ein weiter Platz öffnet sich - und darauf ist kein Mensch zu sehen. Nur ein Esel rastet vor der uralten, in die Felsen gehauenen Fassade des Klosters.

Es gibt zwar ein Café mit Blick auf die Anlage, aber gerade sitzt niemand darin. Etwa zehn Minuten später kommen dann doch noch ein paar italienische Touristen dazu. Immerhin ist das hier eines der Neuen Sieben Weltwunder und ein Unesco-Weltkulturerbe. Und es liegt nicht unerreichbar fernab jeder Zivilisation.

Jordaniens Tourismus ist in der Krise. Die Reiseführer sagen relativ übereinstimmend, dass derzeit rund 70 Prozent der Reisenden im Vergleich zu den guten Jahren um 2010 wegbleiben. Das Jordanische Fremdenverkehrsamt hat immerhin ein wenig bessere Zahlen zu deutschen Übernachtungsgästen: Ohne Besucher, die nur einen Tag für den Besuch von Petra einreisen, registrierten sie 2010 rund 61 000, 2014 waren es knapp 47 000. Bis September 2015 kamen nur etwa 28 000.

In Petra tummelten sich vor ein paar Jahren 6000 Menschen am Tag. Heute seien es vielleicht 500, sagt Reiseführer Tadros. Sogar in den schlechten 90er Jahren waren es noch etwa 2000 am Tag. Tadros zeigt auf das bekannteste Eck der Felsenstadt: die Schatzkammer. Sie ist das Postkartenmotiv Jordaniens schlechthin. "Früher konnte hier keiner lange stehen bleiben oder in Ruhe ein Foto machen." Zwar haben sich hier auch heute kleine Grüppchen versammelt, und fliegende Händler und Kameltreiber buhlen um sie. "Doch das ist gar nichts im Vergleich zu früher", sagt Tadros. Vor allem das Ausbleiben vieler Kreuzfahrtschiffe mache sich hier bemerkbar. Oft begegnet einem auf den Wegen minutenlang niemand, viele Verkaufsstände sind leer.

Ähnlich sieht es in anderen Teilen des Landes aus: Man kann als einziger Tourist unter Einheimischen in dem bekannten "Afra Café" in Amman sitzen und Tee trinken. Und danach fast alleine die Ruinen des ehemaligen Herkulestempels auf dem Zitadellenhügel über der Hauptstadt Jordaniens besichtigen. "So schlimm ist die Situation schon, dass in diesem Sommer die Beduinen demonstriert haben, um mehr Hilfe zu bekommen", berichtet Tadros. Die im ganzen Land verteilten Stämme unterhalten die Felsenstadt Petra und andere touristische Highlights des Landes - und leben davon.

Die Jordanier versuchen, sich mit der allgemeinen Unsicherheit zu arrangieren. In den Hotels gibt es Sicherheitskontrollen am Eingang, die Tourismusbehörde hat eine große Marketing-Kampagne gestartet, ein neuer Besucherpass enthält freien Eintritt für 40 Sehenswürdigkeiten und die Visumgebühr. "Wir versuchen alles, dass die Touristen wieder Vertrauen gewinnen und zurückkommen", betont Mahmoud Zawaida, Leiter des "Captain's Desert Camp".

Der Beduine lebt an einem der unwirklichsten Orte Jordaniens - vielleicht sogar der Welt. So unwirklich, dass Hollywood in der Wüstenlandschaft Wadi Rum im Süden des Landes den Blockbuster "Der Marsianer" drehte, ein Film über einen auf dem Planeten Mars gestrandeten Astronauten. Der Wadi Rum ist aber keine Wüste, wie man sie sich vorstellt: menschenleer und nur voller Sand. Es ist eine Landschaft aus bis zu 1750 Meter hohen Bergen, bizarr erstarrten Sandformationen in Gelb, Orange und Rot und zerklüfteten Schluchten, die an eine Kraterlandschaft erinnern. 2011 ernannte die Unesco die Region zum Weltnaturerbe.

An den Felswänden der Berge entdeckt man hier und da die schwarzen Zelte mit weißen Streifen der Beduinen. Oft stehen sie leer, ihre Bewohner leben inzwischen mehrheitlich in den Städten und kommen nur zeitweise mit ihren Herden vorbei. Meist aber sind sie wegen der Touristen hier. Viele der Beduinen betreiben kleine Shops in ihren Zelten, zu denen Kameltouren führen.

Die Beduinen kutschieren die Gäste in Jeeps durch den Sand, klettern mit ihnen auf Steinbrücken und verraten dabei uralte Geheimnisse. Muhammad Zawaida zerreibt etwa mit einem Stein die Zweige eines knorrigen grünen Gewächses, das die Wüste überzieht, und reinigt damit seine Hände - uralte Beduinen-Seife. Und zum Abschluss des Tages gibt es unter dem unfassbar klaren Sternenhimmel traditionelles Zarb. Hierfür garen Fleisch und Gemüse stundenlang in einem Ofen in einem Loch im Wüstenboden, bedeckt von Decken und Sand.

Bis vor ein paar Jahren war das Massentourismus - der große Parkplatz und das Camp zeugen noch davon. Am Rande des Wadi Rum ist alles auf Busladungen voller Touristen ausgelegt. An diesem Tag stehen nur vier Busse auf dem Platz. Die meisten Touristen sind jetzt nicht mehr Gruppenreisende, sondern junge Backpacker und Individualreisende. Sie teilen sich zu zweit, zu dritt, vielleicht mal zu viert einen Jeep, der sie durch die Wüste fährt. "Weitläufig, einsam und gottähnlich", so beschrieb Lawrence von Arabien den Wadi Rum. Im Moment kommt es einem genau so vor.

(dpa)
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