Sri Lanka Flüssiges Gold mit einem Schuss Morgenröte

Sri Lanka ist der viertgrößte Teeproduzent. Im Hochland, rund um den Berg Sri Pada, sind fast jeden Tag rund 150.000 Pflückerinnen im Einsatz, um den Schwarztee zu ernten.

Im Luxusresort Ceylon Tea Trails fühlt man sich ins 19. Jahrhundert zurück versetzt.

Im Luxusresort Ceylon Tea Trails fühlt man sich ins 19. Jahrhundert zurück versetzt.

Foto: Ceylon Tea Trails

Wie auf Schienen zieht ein Wolkenteppich über den Castlereagh Lake. Es donnert, die Luft riecht nach Regen. Im Hochland Sri Lankas ist das Wetter launisch. Rund 200 Regentage pro Jahr sind auf über 1000 Metern keine Seltenheit. In den Wintermonaten kann es kalt werden. In den Tropen heißt das: höchstens zehn Grad. Für Tee sind das ideale Bedingungen. Für die Menschen, die in den Teeplantagen arbeiten, ist das Leben hart.

Zur Hauptmonsunzeit von Mai bis September kann es zu schweren Unwettern kommen, so wie in den vergangenen Wochen. Aber auch wenn die Regenfälle nicht so extrem ausfallen, verwandelt sich der Boden schnell in eine Schlammgrube, in der sich Blutegel tummeln. Es gibt keine Maschinen, die den Teepflückerinnen die Arbeit inmitten der borstigen Büsche abnehmen. Die Frauen schuften wie anno dazumal: Jedes Teeblatt muss von Hand gepflückt werden. Eine Sisyphusarbeit.

Thambra Sanay hat ein schüchternes Lächeln und einen roten Punkt auf der Stirn, der besagt, dass sie verheiratet ist. Seit ihrem 16. Lebensjahr arbeitet sie in Dimbula, dem ältesten von sieben Teeanbaugebieten rund um den Berg Sri Pada (früher Adam's Peak). Sie ist eine von rund 150.000 Teepflückerinnen, die in Sri Lanka gemeldet sind. Sie lächelt, obwohl der Job sie schlaucht: Sie rupft Blätter von Teepflanzen, immer "two leaves and a bud" - die beiden obersten Blätter und die Blüte. "Darin steckt das Aroma", sagt Ghazzali Mohideen, Manager des Luxusresorts Tea Trails, das für seine Gäste Touren in die Teefabrik "Dunkeld" organisiert. "Nur sie", fährt Mohideen fort, "ergeben den kräftigen, leicht herben Geschmack mit Zitrusnote", für den der klassische Ceylon-Schwarztee (bis 1972 hieß die Insel im Indischen Ozean Ceylon) von Teetrinkern auf der ganzen Welt geschätzt wird. Je höher der Tee wachse, desto feiner sei das Aroma.

Am ehesten ließen sich die Geschmacksunterschiede anhand von Wein erklären, sagt Mohideen. "In den unteren Regionen schmeckt der Tee kräftig wie Rotwein, in den höheren Lagen wie ein leichter Weißwein. Der Tee, der in Nuwara Eliya geernet wird, ist der Champagner unter den Teesorten. Er wächst ab 1800 Metern." In der Tasse schimmert der Aufguss wie flüssiges Gold mit einem Schuss Morgenröte.

Dass Sri Lanka heute für seinen Tee bekannt ist, war so nicht geplant. Bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts galt die Insel neben Brasilien als wichtigster Kaffeelieferant. Praktisch über Nacht befiel ein Rostpilz (Hemileia vastratrix) die Blätter und vernichtete die Ernte. Den Plantagenbesitzern blieb nichts anderes übrig, als die Büsche niederzubrennen und sich neu zu orientieren.

Auftritt: James Taylor. Ein Schotte aus Kincardineshire hatte die rettende Idee. 1867 pflanzte er die ersten Teebüsche, die er von seinen Reisen aus China und Indien mitgebracht hatte. Fünf Jahre später nahm er seine erste Teefabrik in Betrieb. Im darauffolgenden Jahr schickte er die ersten zehn Kilo nach London. Es war die Geburtsstunde der Marke Ceylon-Tee.

An dem weltweiten Erfolg war dann zufällig noch ein anderer Schotte beteiligt: Sir Thomas Johnstone Lipton. 1890 kaufte der damals 40-Jährige fünf Plantagen und ließ den Tee ohne Zwischenhändler direkt in seinen 150 Geschäften in London verkaufen. Auf seiner Lieblingsplantage Dambatenne bei Haputale (gehört zum Teeanbaugebiet Uva) erinnert ein Aussichtspunkt an ihn: "Lipton's Seat".

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Sri Lanka ist die Nummer vier der Teeproduzenten - hinter China, Indien und Kenia. Mehr als 305 Millionen Kilo exportiert der Inselstaat jährlich. Hauptabnehmer sind Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate, Iran, Irak, Jordanien und England. Weil in den Anfängen keiner der Einheimischen bereit war, die Schwerstarbeit auf den Plantagen zu verrichten, schafften die Briten etwa 600.000 Tamilen aus Südindien heran. Bis 1972 gingen die Pflückerinnen meist leer aus oder wurden mit Dumpinglöhnen abgespeist.

Mittlerweile haben sich die Bedingungen stellenweise verbessert: Thambra Sanay verdient umgerechnet etwa 5,30 Euro am Tag und muss dafür 18 bis 20 Kilo Tee pflücken. Mit ihrer Familie wohnt sie in einem kleinen Dorf in der Nähe der Fabrik. Jeden Morgen wacht sie auf und trinkt eine Tasse Tee. Wie bei den meisten ihrer Landsleute reicht es ledigleich für die Sorte "Dust". Wie der Name verrät, sind das die Abfälle, die bei der Teeproduktion mit den zum Teil über 100 Jahre alten Maschinen entstehen und sich nur mit viel Milch und Zucker genießen lassen. Während Sanay ihren Tee trinkt, fällt der Blick auf eine sagenhafte Landschaft: sanfte, immergrüne Hügel, die ineinander fließen, akkurat und voller Hoffnung. So ein Blick entschädigt für vieles. "Die Produktion ist eine Wissenschaft für sich", sagt Merrill J. Fernando, dem die Tea Trails und die Teemarke Dilmah gehören. Was er damit meint, ist: viel Arbeit. "Erst danach wird Tee zu einer Kunst."

Die Redaktion wurde von Tischler Reisen und Air India zu der Reise eingeladen.

(RP)
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