Kuba Special Wie die Oldtimer auf Kubas Straßen kamen

Havanna · Kuba ist wie ein "Jurassic Park" für rollende Pkw-Fossilien aus den 50er Jahren. Cadillac, Plymouth, Pontiac, Chevy oder auch VW-Bully fahren noch – x-mal geflickt, mit neuen Motoren und anderen Getrieben.

Kuba Oldtimer: Diese Modelle sind auf Kubas Straßen unterwegs
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Oldtimer auf Kubas Straßen

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Kuba ist wie ein "Jurassic Park" für rollende Pkw-Fossilien aus den 50er Jahren. Cadillac, Plymouth, Pontiac, Chevy oder auch VW-Bully fahren noch — x-mal geflickt, mit neuen Motoren und anderen Getrieben.

Nein, Wladimir ist kein Russe. Aber sein Vater war im Kuba der 60er Jahre überzeugter Kommunist und großer Fan des Revolutionärs Lenin, der diesen Vornamen trug. Also wurde der Junge, vor über 50 Jahren in der Nähe von Havanna geboren, auf den gänzlich un-karibischen Namen Wladimir getauft.

So leben die Menschen in Kuba heute
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Foto: Judith Conrady

Und wie das Leben so spielt, strebte Wladimir keinesfalls den Beruf des Revolutionärs an, sondern das Gegenteil davon — nämlich Automechaniker. Anders gesagt: Wladimir macht nix kaputt, er repariert Sachen, vor allem Autos. Und das kann er gut, sehr gut sogar. Wladimir ist klapperdürr. Das ist vermutlich der Grund, warum seine Freunde ihn "el Gordo" nennen. Das ist spanisch und heißt "der Dicke" — kubanischer Humor geht so. Bleiben wir bei den kuriosen Wendungen des Lebens. Wladimir kam irgendwann darauf, ein deutsches Auto namens "VW-Bully" schön zu finden, vor allem die Exemplare aus den 1970er Jahren.

Wie alles, was aus Deutschland kommt, bringt man dem VW-Bully in Kuba höchsten Respekt entgegen, deutsche Wertarbeit halt. Wladimir kann das bestätigen: Er kennt inzwischen jedes Blech, jede Schraube dieses legendären Personen- oder Lieferwagens, mit dem in den 50er, 60er und 70er Jahren Deutschlands Wirtschaftswunder über die Straßen rollte. Wladimir repariert ihn, baut ihn um und aus, hält ihn am Leben.

Was nicht passt...

Ein Beispiel: Der Bully hatte ursprünglich tief im Heck einen Vierzylinder-Boxer-Motor, luftgekühlt. Die Dinger waren zwar sehr zuverlässig, aber irgendwann gingen sie kaputt, weil einer der Zylinder hinten zu wenig Luft bekam, heiß lief und sich festfraß. Ersatzmotoren gibt es auf Kuba nicht. Wladimir hat das Problem gelöst: Seine VW-Bullies laufen alle mit VW-Golf- oder Jetta-Motoren, wassergekühlt.

Wie die da reinpassen? Immerhin sind das Reihen-Aggregate für frontgetriebene Fahrzeuge. Wladimir zuckt die Achseln — und grinst. Er kriegt das hin. Und dann spricht er den Satz, der eine Art Glaubensbekenntnis aller kubanischen Automechaniker ist: Was nicht passt, wird passend gemacht. Notfalls ganze Motoren inklusive Getriebe, Antriebsstrang, Aufhängung, etc.

Das gilbt auch für die unzähligen, uralten US-Oldies, die Kubas Straßenbild bestimmen. Egal, ob Cadillac, Pontiac, Ford, Plymouth, Packard oder Chevy — der Besucher aus Europa oder USA steht sprachlos vor diesen Herden von Auto-Dinos aus dem Amerika der 30er, 40er, 50er und 60er Jahre, die er aus alten Filmen mit Humphrey Bogard oder Spencer Tracy kennt. Sie klappern, sie ächzen, sie stöhnen, sie ziehen meterlange Abgasfahnen hinter sich her — aber sie laufen, wenn auch langsam. Viele hunderttausend Kilometer auf dem Tacho, meist wohl auch mehrere Millionen, keiner ist jünger als 54 oder 60 Jahre. Weil damals, um 1960, das Embargo der Amis nach der Kuba-Krise die Insel traf wie ein Bannstrahl, kamen keine neuen Autos mehr ins Land.

Havanna - Rhythmus, Zigarren und bunte Autos
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Foto: shutterstock/ Kamira6

Also mussten die vorhandenen Wagen, wegen der engen Verbindung mit den USA im Land weit verbreitet, weiter ran.

Deutsche Motoren, deutsche Werkzeuge

Das war die Geburtsstunde einer Generation von Schraubern, wie der Rest der Welt sie wohl kaum noch kennt. Denn: Diese Männer können rund ums Auto alles. Sie machen Schrotthaufen wieder flott, bauen Klimaanlagen ein, elektrische Fensterheber, DVD-Player oder Anschlüsse für USB-Sticks — in Autos, die zu einer Zeit gebaut wurden, als man Autoradios für den Gipfel der Technik hielt.

Sie zaubern neue Motorhauben und Kotflügel, überziehen die Sitzbänke (!) in den Oldies mit transparentem Kunststoff (stilecht, aber schweißtreibend!), installieren Stereoanlagen und tauschen Motoren aus. Damals liefen diese Oldies mit gigantischen, Sprit saufenden Acht-Zylinder-Benzin-Motoren. Heute sind es oft kleine Diesel-Aggregate aus Korea oder Deutschland, die mit ihren wenigen PS einige Mühe haben, die Kolosse zu bewegen. Aber diese Motoren so zu modifizieren, dass sie überhaupt passen — es ist für Technikkenner unfassbar.

Sehr beliebt sind in Kuba ganz besonders deutsche Motoren, vor allem Mercedes-Diesel. Und so kommt es, dass so mancher US-Schlitten heute mit einem Vier-, Fünf- oder Sechzylinder-Dieselmotor aus Schwaben über die kubanischen Folterpisten rumpelt.

Träume von Honda und Toyota

Auch Noelvys, Mechaniker in einer Werkstatt in Cardenas, schwört auf alles, was an Technik — auf welchen Wegen auch immer — aus Deutschland kommt. In der ölverschmierten Hand hält er einen Akku-Schrauber von Bosch — und lobt das sichtlich benutzte Werkzeug in den höchsten Tönen. Er arbeitet gerade an einem 1950er Plymouth, den er über einer Montagegrube im Hinterhof der Werkstatt aufgebockt hat. Noelvys zeigt stolz seine weiteren Werkzeuge: Eine Art Drehbank für herzustellende Ersatzteile hat er sich selbst zusammengeschweißt, den Antrieb liefert eine Pkw-Lichtmaschine, die Bremstrommel eines Lkw dient als variable Zwinge, mit einer Flex (von Metabo) macht er gerade ein Blechstück passend, das den Kotflügel des Plymouth wieder in die alte, runde Form bringen soll.

Einige Eigner dieser musealen Fahrzeuge beginnen inzwischen zu ahnen, welches Schätzchen sie da besitzen. Fast alle Cabrios vor allem in den Städten werden den Touristen für Rundfahrten angeboten, für Fotos hält man gern die Hand auf — und es gibt offenbar auch schon die ersten Sammler mit Interesse an diesen sonst kaum noch verfügbaren Wagen. Wer US-Oldies mag, muss sich in Kuba fühlen wie ein Paläontologe im Jurassic Park: Es wimmelt plötzlich von jenen Dinos, die man für ausgestorben hielt. Aber in Kuba haben sie überlebt. Die Regierung will diese Besonderheit angeblich erhalten und per Gesetz verbieten, dass sie verkauft und exportiert werden.

Ob das klappt, ist jedoch fraglich. Denn Kuba fängt gerade erst an, die Regeln einer Marktwirtschaft zu begreifen. Eine davon ist: Ist die Nachfrage hoch und das Gut begrenzt, geht der Preis nach oben — und das wird für viele Kubaner sehr verlockend sein. Zumal sie solche Klapperkisten nicht aus nostalgischen Gründen fahren. Sie träumen von VW, Toyota, Audi, Ford und Honda — und zwar den neuen Modellen. Das Problem: Bis sie sich diese leisten können, wird noch viel Zeit vergehen.

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