Haie vor der US-Küste Was Urlauber über den Meeresriesen wissen müssen

Washington · Immer wieder sind Nachrichten über Hai-Angriffe zu lesen. Das schürt vor allem bei Urlaubern Ängste, die planen an die für Hai-Angriffe berüchtigte amerikanische Ostküste zu fahren. Aber was ist dran an den Horror-Geschichten? Ein Überblick.

Der Anblick ist in der Tat beunruhigend: "Warning - sharks sighted" steht auf den knallgelben Schildern, die an US-Stränden vor Hai-Angriffen warnen. Was in Kalifornien oder Florida keine Seltenheit ist, hat in diesem Sommer auch Menschen in den Staaten South Carolina und vor allem in North Carolina in Atem gehalten. Gerade in der ersten Sommerhälfte gab es dort ungewöhnlich viele Hai-Angriffe auf Badende, acht innerhalb weniger Wochen. Einmal, Mitte Juni, sogar zwei an einem Tag am selben Strand in Brunswick (North Carolina). Verletzt wurden zwei Kinder, die im seichten Wasser geplanscht hatten.

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Prompt war die Aufregung groß, denn dem Internationalen Shark Attack File zufolge gab es in den zehn Jahren zuvor in North Carolina insgesamt nur 25 Angriffe. In der zweiten Sommerhälfte blieb es zwar deutlich ruhiger, dennoch fragen sich viele, was den Anstieg bewirkt hat. Werden die Tiere möglicherweise aggressiver? Doch Hai-Experten betonen: Es sei wahrscheinlicher, von einer Kuh gebissen zu werden als von einem Hai. "Das Risiko ist wirklich extrem gering", sagt Hai-Forscher Tobey Curtis von der Meeres- und Klimabehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration).

Einer der Gründe für das Phänomen sei eigentlich erfreulich: Die Bestände der bedrohten Tiere vor der Ostküste der Vereinigten Staaten erholen sich. Das bestätigen jüngste Zahlen der NOAA-Abteilung für Fischerei. Stolzes Ergebnis des jüngsten Hai-Surveys, der seit 1986 geführt wird: Mehr als 2800 Haie wurden von April bis Mai zwischen den Staaten Florida und Delaware von einem Forschungsboot aus gefangen, vermessen und mit Erkennungsmarken versehen. Beim vorigen Survey 2012 waren es nur gut 1800 gewesen.

"Die Anzahl der Fische in diesem Jahr war irre. Wir haben mehr Tiere gefangen und gekennzeichnet als je zuvor", sagt NOAA-Mitarbeiterin Lisa Natanson. "Sandhaie haben wir entlang der gesamten Küste gefangen, die meisten Schwarzhaie aber vor North Carolina." Sogar drei Weiße Haie gingen den Forschern ins Netz, wurden mit Marken versehen und wieder freigelassen. Der größte Fang war ein etwa 3,80 Meter langer Tigerhai vor der Küste von North Carolina.

"Haie sind sehr verwundbar. Obwohl sie an der Spitze der Nahrungskette im Ozean stehen und Jahrzehnte alt werden, sind sie im Vergleich zu anderen Fischen verletzlich, weil sie sehr langsam wachsen, sich spät fortpflanzen und nur wenig Nachkommen haben", sagt NOAA-Experte Karyl Brewster-Geisz. Der stetige Anstieg der Fangzahlen während der früheren Surveys zeige eine langsame Erholung an. "Das sind sehr gute Neuigkeiten für die Hai-Bestände und für das Ökosystem."

Auch Curtis ist zufrieden: "Diese Entwicklung scheint eng damit zusammenzuhängen, dass wir 1993 Fischerei-Maßnahmen zum Schutz der Tiere eingeführt haben. Für manche Hai-Arten wird es zwar noch Jahre dauern, bis sie sich erholt haben, aber wir scheinen auf dem richtigen Weg zu sein." George Burgess, Direktor des Hai-Forschungsprogramms am Florida Museum of Natural History, bestätigt das. "Was viele ja gar nicht mehr wissen: Wir hatten früher sehr viel mehr Haie hier an der Atlantikküste. Aber sie wurden gejagt, und die Bestände schrumpften stark bis in die späten 1980er Jahre", sagt er der dpa.

Für die hohen Zahlen vom Frühjahr nennt Burgess weitere Gründe: "Dieses Jahr hatten wir im Frühsommer große Bestände an Menhaden, das sind spezielle Heringe. Außerdem haben außergewöhnlich viele Wasserschildkröten in North Carolina gebrütet und ihre Eier an den Stränden abgelegt. Das sind Leckerbissen für Haie."

Die "Great Eight" Meeresbewohner Australiens
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Foto: dpa, Tourism Queensland

Die Angriffe in South Carolina und North Carolina könnten, so Burgess, auch mit den steigenden Wassertemperaturen im Atlantik zusammenhängen: "Die Haie, die im Februar aus von Florida mit dem wärmer werdenden Wasser gen Norden schwimmen, sind früher vor Ort: genau wenn die Sommerferien beginnen, Familien erstmals an den Strand gehen, und noch niemand an Haie denkt", sagt er. Selbst vor Long Island im Staat New York sei jüngst ein Hai-Angriff gemeldet worden. "Soweit im Norden, das ist sehr ungewöhnlich." Hinzu komme: "Heute gehen sehr viel mehr Menschen schwimmen als früher." Viele tragen Neoprenanzüge, bleiben deutlich länger im Wasser, und: Sie machen Aktivsportarten wie Surfen oder Tauchen, dringen also in Hai-Reviere vor.

Doch den Angriffen zum Trotz bessert sich das Monster-Image der großen Fische in der Öffentlichkeit. Hai-Tracker etwa sind ein riesiger Publikumserfolg: Kleinere Institute wie Ocearch versehen die Tiere mit Satellitensendern. So kann jeder Hai-Freund die immensen Wanderungen der Tiere auf einer Website begleiten. Auf Twitter folgen mehr als 13 000 Hai-Fans etwa Mary Lee, einer fast 5 Meter langen Weißen Hai-Dame, oder dem Makrelenhai Carl. Er tauchte zuletzt vor Neuschottland auf, und Carl-Fan Anthony twitterte: "Diese App kann einen echt besessen machen: Ich möchte wissen, was diese Tiere fühlen."

(dpa)
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