Reise ins ewige Eis Expeditionskreuzfahrten liegen im Trend

Hamburg · Pinguine in der Antarktis, Eisbären in Grönland: Eine Expeditionskreuzfahrt führt Reisende zu ganz besonderen Orten der Erde. Ein bisschen dürfen sie sich dabei als Entdecker fühlen - und manchmal ist auch ein Schuss Abenteuer im Spiel.

Mit dem Kreuzfahrtschiff ins Eis
7 Bilder

Mit dem Kreuzfahrtschiff ins Eis

7 Bilder

Venedig, Dubrovnik, Miami: Diese Häfen werden dauernd von mehreren Kreuzfahrtschiffen angelaufen. Wer sich dagegen an Bord eines Expeditionskreuzfahrtschiffs begibt, sucht genau das Gegenteil: Anlandungen, wo es oftmals gar keinen Hafen gibt, wilde Tiere, unberührte Natur. Das Reisesegment liegt im Trend, sagen Experten - obwohl eine Expeditionsreise locker so viel kosten kann wie ein Mittelklassewagen.

Eine einfache Definition hat Daniel Skjeldam, Chef von Hurtigruten: "Bei einer klassischen Kreuzfahrt passiert das meiste an Bord des Schiffs. Bei einer Expeditionskreuzfahrt sind die aktiven Erlebnisse und Beobachtungen außerhalb des Schiffs am wichtigsten." Für Isolde Susset, Expeditionschefin bei Hapag-Lloyd Cruises, zeichnet sich eine solche Fahrt durch eine außergewöhnliche Route aus. "Im Grunde sind es abenteuerliche Kreuzfahrten mit Studienreisecharakter."

Außerdem steht nicht immer ein Fahrplan wie bei einer klassischen Kreuzfahrt im Mittelpunkt. "Wir haben nur einen ersten Plan, dass wir am Tag X in Region Y anlanden wollen. Vor Ort müssen wir dann schauen, was geht und was nicht", erklärt Susset. Dennoch ist das Ganze eine sichere Reise: "Es steht immer fest, wann und wo die Reise beginnt und endet", erklärt Helge Grammerstorf, National Director des Branchenverbands Clia Deutschland.

Sowohl Skjeldam als auch Susset betonen darüber hinaus die Bedeutung von Vorträgen und einer fachkundigen Reisebegleitung. Biologen, Gletscherforscher, Historiker: Je nach Fahrtgebiet haben die Reedereien die unterschiedlichsten Experten an Bord, die sowohl Vorträge halten als auch bei Landgängen dabei sind. "Die Menschen wollen und sollen einfach etwas über die Region lernen, in der sie sich gerade aufhalten", sagt Skjeldam. "Unser Entertainment sind die Vorträge", meint Susset.

Am bekanntesten in Deutschland ist Hapag-Lloyd Cruises. Die Hamburger Reederei betreibt neben den beiden Luxusschiffen "Europa" und "Europa 2" auch zwei Expeditionskreuzfahrtschiffe: die "Hanseatic" und die "Bremen". Nach eigenen Angaben größter internationaler Anbieter in diesem Segment ist Hurtigruten. Neben den klassischen Fahrten entlang der norwegischen Küste gibt es Reisen unter anderem in die Antarktis, nach Grönland, Spitzbergen, Island, Kanada und neuerdings auch im Amazonas-Gebiet. Für solche Expeditionen werden derzeit drei und bald vier Schiffe eingesetzt: "Fram", "Spitsbergen", "Midnatsol" und "Nordstjernen". International gibt es einige weitere Reedereien, die Expeditionen anbieten: Ponant, Poseidon, Lindblad Expeditions.

Als erstes denkt man bei Expeditionskreuzfahrten wohl an die Antarktis. Bei Hapag-Lloyd Cruises ist das mit Abstand die beliebteste Region. Dahinter folgen Arktis und Südsee. "Unsere Schiffe haben im Grunde fast schon die ganze Welt befahren", sagt Susset. Doch immer wieder gebe es auch weiße Flecken, wo die Schiffe aus den unterschiedlichsten Gründen bislang nicht hinkamen.

Als Beispiel nennt Susset die Nord-Ost-Passage, die lange Zeit wegen politischer Gründe nicht befahrbar war. Zehn Jahre lang arbeiteten die Mitarbeiter von Hapag-Lloyd Cruises an der Fahrt, die dann 2014 erstmals angeboten wurde. Susset selbst mag es persönlich lieber warm: Papua-Neuguinea oder die Salomonen sind ihre Lieblingsinseln. "Aber die Antarktis ist trotzdem ein einmaliges, unvergleichliches Erlebnis: diese Stille, diese Eisberge, diese Masse an Pinguinen - das ist etwas ganz Besonderes." Laut Grammerstorf sind die Antarktis und die Arktisregion über alle Reedereien hinweg betrachtet die Klassiker unter den Expeditionskreuzfahrten.

Eine solche Kreuzfahrt ist ein teures Unterfangen. Bei Hapag-Lloyd Cruises muss man zum Beispiel für eine 22-tägige Antarktis-Fahrt mindestens rund 12 000 Euro bezahlen. Die Gründe für diesen hohen Preis sind laut Susset unter anderem die lange Reisedauer, die geringe Zahl an Passagieren bei vergleichsweise großer Besatzung, hohe Kosten für die Routenplanung und Umweltschutzaspekte. So dürfen Schiffe in der Antarktis beispielsweise nur mit Diesel und nicht mit Schweröl fahren.

Dennoch beobachtet Susset einen Boom bei Expeditionskreuzfahrten. "Das ist eine kleine, extrem beliebte Nische. Einige Fahrten sind bereits zwei Jahre im Voraus komplett ausgebucht. Bei der Nord-Ost-Passage hatten wir schon die ersten Anmeldungen auf dem Tisch, als es nur das Gerücht gab." Von einem Boom will Skjeldam nicht sprechen, sieht aber großes Wachstumspotenzial - vor allem durch wachsende Kapazitäten. "Und ich kann mir gut vorstellen, noch weitere Schiffe für Expeditionen in Dienst zu stellen."

Grammerstorf gibt jedoch zu bedenken, dass es sich bei allen Zuwächsen um eine relativ kleine Nische handelt, deren Wachstum sich zudem selbst beschränkt. Denn zum Beispiel in der Antarktis gibt es auf der Basis einer Selbstbeschränkung der Reedereien strenge Vorgaben, wie viele Passagiere dort maximal an Land gehen dürfen.
"Das Segment wird nie riesige Zahlen produzieren, aber aber es ist für die Reedereien und Passagiere extrem attraktiv."

Wegen des relativ hohen Reisepreises handelt es sich in aller Regel um wohlhabende Passagiere. Und aufgrund der längeren Reisedauer sind die Gäste im Durchschnitt etwas älter, so Susset. Bei kürzeren Reisen sind immer auch auch jüngere Gäste an Bord, sogar ganze Familien oder Großeltern mit ihren Enkeln. Wobei eine Expeditionsreise für kleine Kinder nicht unbedingt geeignet ist. Hapag-Lloyd Cruises hat das Format "Reisen für junge Entdecker" aufgelegt, das Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren mit einem speziellen Programm anspricht.

Skjeldam sieht auf den Hurtigruten-Schiffen vor allem zwei Zielgruppen: "Menschen, die schon sehr viel gesehen haben und jetzt noch das ganz Besondere haben wollen. Und Menschen, die sehr lang für eine solche Tour gespart haben und sich damit einen Lebenstraum erfüllen."

Einfacher lässt sich sagen, was die Schiffe nicht bieten: "Wir haben kein Kasino, wir haben keine Kletterwand, wir haben keine 15 Swimmingpools", sagt Skjeldam. Wichtig ist dagegen eine gute Sicht auf alles, was sich draußen vor dem Schiff abspielt. So gibt es bei Hapag-Lloyd ausschließlich Außenkabinen. Und die Expeditionsschiffe sind relativ klein: Gerade einmal rund 180 Personen passen auf die "Hanseatic" und "Bremen". Bei Hurtigruten sind es 130 bis maximal 500 Gäste. Wichtig ist laut Susset und Skjeldam eine gute Küche. "Unsere Gäste erwarten an Bord einen bestimmten Komfort", ergänzt Susset. "An Land darf es dann dafür einfach, aber authentisch sein: Eine Fahrt im Zodiac oder nasse Füße beim Anlanden machen niemandem etwas aus."

"Früher ging es den Passagieren vor allem darum, beeindruckende Natur zu sehen", sagt Skjeldam. Das reiche vielen aber nicht mehr: "Sie wollen selbst aktiv werden: bei Motorschlittenfahrten, Wanderungen oder ähnlichem." Reisen mit Verantwortung sieht der Hurtigruten-Chef als weiteren Trend. So gebe es mittlerweile Fahrten, bei denen die Passagiere zum Beispiel Strände auf Spitzbergen säubern.

Susset fällt beim Thema Trends vor allem eines ein: "Unsere Passagiere wollen Premieren - Reisen in Gebiete, die noch nie vorher jemand befahren hat, wie zum Beispiel die Marshallinseln." Als weiteren Trend hat sie "Expeditionen vor der Haustür" ausgemacht. Das kann eine Garten- und Wanderreise nach England sein, Wale-Watching auf den Azoren oder eine Fahrt zu unbekannten kleinen Häfen im Nordland. "Da geht es darum, Altbekanntes neu zu erleben."

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort