Südafrika Ein Baum schreibt Geschichte

Limpopo gehört zu den touristisch am wenigsten erschlossenen Regionen Südafrikas. Ein Höhepunkt für Besucher: der weltweit größte Affenbrotbaum.

 Der weltgrößte Affenbrotbaum steht im südafrikanischen Lompopo.

Der weltgrößte Affenbrotbaum steht im südafrikanischen Lompopo.

Foto: Julian W /Shutterstock.com

"Ndaa!" So grüßt man in der Sprache der Venda, die im äußersten Nordosten der Republik Südafrika zu Hause sind, und so begrüßt uns auch Simon, ein rüstiger 70er, als wir nach langer Fahrt auf staubigen Pisten am "Big Tree" eintreffen. Diesem monströsen Affenbrotbaum sagen die Einheimischen nach, an die 3500 Jahre auf dem Buckel zu haben. Ob das stimmt, lässt sich schwer sagen, denn die für das südliche Afrika charakteristische Baumart bildet keine Jahresringe. Aber fest steht, dass es nirgendwo einen größeren gibt. Und nirgendwo einen geschichtsträchtigeren: Sogar im Kampf gegen die Apartheid hat der Baum eine Rolle gespielt.

Affenbrotbäume sind je älter, desto krummer und verzweigter - der "Big Tree" etwa mit 25 Metern Höhe besitzt 48 Meter Ast-Spannweite -, und sie bilden Hohlräume aus. So auch hier: Simon klettert an einem am Boden anliegenden dicken Ast empor und ist sogleich verschwunden. Wer ihm nachkraxelt, findet sich in einer geräumigen Höhle inmitten des Stammes wieder, die gut und gerne 20 Menschen Platz bietet. Und dies in den Jahren vor 1990 auch wiederholt tat: Die Polizei des Apartheid-Regimes hatte keine Ahnung von dieser ungewöhnlichen Zufluchtsstätte der Untergrundkämpfer. Und auch aus Simbabwe geschmuggelte Waffen für Nelson Mandelas African National Congress (ANC) wurden mitunter in dem riesigen Baum versteckt.

Der kürzlich im Alter von 95 Jahren verstorbene Mandela ist im "Big Tree" sogar verewigt, als eine Laune der Natur: "Hier sehen wir Mandelas Hand", beginnt Simon seine Erläuterungen der Figuren, die mit mehr oder weniger Fantasie in dem knorrigen Baum zu erkennen sind. "Und hier ist eine Landkarte der Republik, rechts daneben eine des afrikanischen Kontinents." Weiter geht's mit der Tierwelt: Ein Gorilla, ein Nashorn, ein Krokodil, ein Elefant und ein Dinosaurier zeigen ihre Konturen, ein alter Mann und eine komplette Familie mit zwei Kindern sind irgendwo versteckt.

Simon grinst zufrieden, die Führung ist beendet, und wir alle laben uns in der Hitze des südafrikanischen Hochsommers mit Mukumbi, einer Art Federweißer, aus den Früchten des in dieser Gegend häufigen Marula-Baums gebraut. Der Sommer ist in Limpopo, der einzigen in der Tropenzone gelegenen Provinz Südafrikas, die Regenzeit, und mit ihr gehen im Januar meist schwere Überschwemmungen einher: Ganze Landstriche an den Grenzen zu Mozambique und Simbabwe werden dann überflutet, Straßen und Brücken weggerissen, zuletzt musste der Zugang zum Kruger-Nationalpark eine Zeit lang gesperrt werden.

Sieht man von diesem Tourismusmagneten, dem weitaus größten unter Südafrikas Wildtierparks, ab, so ist Limpopo bisher eher ein Stiefkind im boomenden Fremdenverkehr des Landes geblieben, und überhaupt eine vergleichsweise arme, wenig bebaute Region. "Die Region Limpopo hätte wesentlich mehr Besucher verdient", findet Michel Girardin, Besitzer der Shiluvari-Touristenlodge, die nahe des Städtchens Elim direkt am Ufer des Albasini-Stausees liegt. Bei einer Bootsfahrt auf dem See, dessen Wasserstand durch den Januar-Regen auch mal um acht Meter ansteigen kann, plaudert der 52-jährige Michel Girardin über die Geschichte seiner Heimat und der seiner Familie: "Mein Urgroßvater kam als calvinistischer Missionar im 19. Jahrhundert aus dem Schweizer Jura nach Elim und gründete das Spital, das lange Zeit nur für Schwarze vorgesehen war. Wir sind hier im Venda-Land, das von 1979 bis 1995 eines der vier ,staatlich souveränen' Homelands im Apartheid-System war. Die Venda sind eines der ältesten und kulturell hochentwickelt-sten Völker Südafrikas; die Ruinenstätte von Mapungubwe weiter im Norden ist älter und archäologisch sogar bedeutsamer als die Festungsmauern des antiken Simbabwe."

Kulturelle Traditionen werden in und um Elim auch heute hochgehalten, und ein ehrgeiziges Projekt lebt davon: die "Ribolla Art Route", bei der Touristen Werkstätten von Kooperativen und Künstlern besuchen. Die Shiluvari-Lodge von Michel Girardin ist mit solchen Kunstgegenständen reichlich ausgestattet: Keramiken der Mukondeni-Töpferei, gewobene Stoffe der Twananani-Textilkooperative, Holzskulpturen des begnadeten Schnitzers und Musikinstrumentemachers Thomas Kubayi, der bereits ein halbes Dutzend kaum minder begabte Schüler ausgebildet hat.

Zum Abendessen in der Lodge gibt es eine Spezialität, die vor allem in der Sommerzeit zu haben ist: "Mopane Worms", Schmetterlingsraupen, die von den frischen Blättern des jetzt grünenden Mopane-Baums zehren. Mit Zwiebeln geschmort und Sahne verfeinert, sind die Mopane-Raupen ein Gaumenschmaus für Experimentierfreudige.

Afrika-Tourismus muss nicht auf Wildtier-Safaris beschränkt sein, dafür liefert die Limpopo-Provinz mit ihren Stätten traditioneller Volkskultur den Beweis. Ein gelungener Mix ist das Tourismusprojekt "African Ivory Route/Safari and Cultural Camps", das ein gutes Dutzend rustikaler Unterkünfte, zwar ohne elektrischen Strom, aber ansonsten gut ausgestattet, unter einem Dach vereint. Alle befinden sich im Eigentum örtlicher Dorfgemeinschaften. Von dort aus lassen sich Wildtiere beobachten, grandiose Landschaften erleben, lässt sich der Kral der mystischen Regenkönigin besuchen, ein Blick auf den heiligen See Fundudzi - den einzigen natürlichen Süßwassersee Südafrikas - werfen, in dem eine Pythongottheit leben soll, und durch den Modjadji-Palmfarnwald streifen, wo bis zu 13 Meter hohe Prachtexemplare dieser urtümlichen Pflanzenfamilie, einem lebenden Fossil aus dem Erdaltertum, wachsen. Abseits der touristischen Trampelpfade können Besucher in Limpopo eine größtenteils noch unberührte Region kennenlernen.

(RP)
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