Auf Weihnachten einstimmen Bergweihnacht in Innsbruck - Andacht beim Advent-Shopping

Innsbruck · Bei der Innsbrucker Bergweihnacht können sich Besucher mit alten Weihnachtsliedern, traditionellem Christbaumschmuck und wohlriechendem Weihrauch richtig urtümlich auf Weihnachten einstimmen. Doch die Stadt ist eben auch schick und modern. Das ist ihr Reiz.

Bergweihnacht 2016 - traditioneller Weihnachtsmarkt in Innsbruck
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Bergweihnacht - traditioneller Weihnachtsmarkt in Innsbruck

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Es gibt einen Moment in der Adventszeit in Innsbruck, an dem auch die notorisch gestressten Weihnachtsmuffel ihre Shoppingtour kurz unterbrechen: Um Punkt 18.30 Uhr, mit dem letzten Glockenschlag, setzen die Turmbläser die Trompeten und Posaunen an - und spielen vom Goldenen Dachl, dem Wahrzeichen der Stadt, das "Kyrie eleison". Die Menschen halten inne.

Die Blicke gehen hinauf zum Dachl. "Das ist ein privilegierter Platz", sagt der Organisator der Turmbläser, Bernhard Bramböck. "Hier muss man was können."

Jeweils vier bis fünf Turmbläser, gekleidet in graue Filzmäntel und Hüte, spielen täglich in der Adventszeit. "Bei uns gibt es ganz bewusst keine Kaufhausmusik. Wir spielen alte Weihnachtslieder", sagt der 58-jährige Trompeter.

Traditionen werden bei der Innsbrucker Bergweihnacht großgeschrieben. Vom 15. November an verwandelt sich die mittelalterliche Innenstadt in ein weihnachtliches Lichtermeer.

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Foto: Hochschwarzwald Tourismus GmbH

Insgesamt sechs Märkte gibt es: den Christkindlmarkt beim Goldenen Dachl, am Marktplatz am Inn, den in der Prachtstraße Maria-Theresien, den Wiltener Weihnachtszauber, St. Nikolaus - und hoch über der Stadt den Weihnachtsmarkt auf der Hungerburg.

In Innsbruck machts die Mischung: Schicke Shops und traditionelle Geschäfte liegen nebeneinander. Robert Neuner ist der Organisator der Märkte und hat die entsprechende Marketingformel parat: "Wir wollen den alpin-urbanen Charakter der Stadt betonen."

Ganz besonders ist der weihnachtliche Blick von oben auf Innsbruck. Dafür geht es in nur acht Minuten aus der Innenstadt mit der von der Londoner Architektin Zaha Hadid erbauten und futuristisch anmutenden Hungerburgbahn auf die gleichnamige Festung. Der Weihnachtsmarkt dort ist zwar überschaubar klein - doch der Blick über die Stadt grandios.

Die Weihnachtsmärkte in Innsbruck bieten alles, was man sich zur festlichsten Zeit des Jahres wünschen kann: Christbaumkugeln in allen Farben und Formen, selbstgezogene Kerzen, Socken, Schmuck aus mit Blattgold und Perlen verziertem Zirbenholz.

Das Essen - häufig das wichtigste Motiv für den Besuch eines Weihnachtsmarktes - kann auch überzeugen. Es gibt regionale Spezialitäten wie den Tiroler Speck, Zirbenschnaps und Kiachl, in Fett gebackene Teigfladen mit Sauerkraut. Da ist auch der Cheforganisator gerührt: "Der Duft von Kiachl und Sauerkraut erinnert mich an meine Kindheit", sagt Neuner.

Kindheitserinnerungen werden auch in den kleinen Gassen wach: In der Riesengasse stehen gut drei Meter hohe Figuren, die in den Sagen der Region eine Rolle spielen. Die Riesin Frau Hitt zum Beispiel war eine hartherzige Frau, die einer hungrigen Bettlerin einen Stein statt Brot gab. Sie wurde verwünscht und erstarrte zu Stein.

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Foto: Halsbacher Waldweihnacht

In der Märchengasse wiederum hängen an den Fassaden 28 Märchenfiguren wie die Goldmarie aus "Frau Holle" und "Das tapfere Schneiderlein". "Diese Märchen haben zwar nichts mit Weihnachten zu tun", erklärt Neuner. "Aber es spielt darauf an, dass Weihnachten Kindheit ist." Und für viele kommt es ja vor allem aufs Gefühl an.

Dass die Kulisse tatsächlich in den Bann zieht, zeigen die Zahlen: Etwa 1,3 Millionen Besucher kommen jedes Jahr zur Bergweihnacht in die Stadt mit ihren 120.000 Einwohnern. Viele davon reisen aus anderen Regionen Österreichs oder aus Deutschland an. 23 Prozent kommen aus Italien.

Und so hört man beim Anblick des fast 20 Meter hohen lichterbehangenen Weihnachtsbaums vor dem Goldenen Dachl immer wieder "Ma-que-bella"-Rufe ("Oh wie schön"). "Die Tradition mit den Märkten gibt es bei uns so nicht", sagt zum Beispiel Chiara aus Mailand am Brandholzstand von Josef Radmoser.

Der 61-Jährige ist mit seiner Himmelswerkstatt seit 2008 auf dem Markt dabei. Mit einem Lötdraht brennt er "Für die liebe Oma", "Frohe Weihnachten" oder auch Kinderporträts in Zirben- und Ahornholzplatten.

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Foto: Getty Images/iStockphoto/bbsferrari

Für viele ein besonderes Geschenk: "Oft schicken mir Eltern ein Foto von ihrem Kind, das ich dann in Holz brenne." Radmoser verkauft auch verzierte Holzengel, -herzen und -sterne. "Brandholzmalerei ist bei uns ein altes Handwerk."

Auf eine andere Tradition stoßen Besucher bei den Weihrauchständen. Hier werden Myrrhe und Baumharze verkauft. "Ich bin auf einem Bauernhof in Leutasch groß geworden, und wir haben immer zu Weihnachten, Silvester und an Heilige Drei Könige das Haus ausgeräuchert", erzählt Neuner.

Tatsächlich ist diese Tradition auch heute noch lebendig. An den Räucherständen der gebürtigen Eriträerin Amelework Tefera drängen sich Alte und Junge. "Das reinigt, vertreibt böse Geister und schafft Platz für neue Energie", sagt die Frau.

Auch die Treibholzkünstlerin Klaudia Lenzenweger am Marktplatz am Inn räuchert gerne und konsequent: "Meinen Stand hier habe ich erst einmal ausgeräuchert." Lenzenweger, studierte Medizinerin, hatte irgendwann genug vom Gesundheitssystem, gab den Arztberuf auf und machte ihr Hobby zum Beruf.

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Foto: trivago.de

Heute sammelt sie jeden Tag Treibholz am Inn und bearbeitet es. Auf die Holzstücke setzt sie vergoldete Tonköpfe, formt aus Golddraht Flügel und kreiert Engel.

"Als Kind haben wir alle die Schönheit der Natur gesehen, dann werden wir darauf getrimmt, nur noch auf das vermeintlich Wichtige zu achten", sagt Lenzenweger. An Weihnachten aber ist das anders: Da freuen sich Erwachsene wie Kinder über hell erleuchtete Bäume, fast vergessene Weihnachtslieder und wohlriechende Düfte.

Nicht direkt nützlich, aber wunderschön und erbauend - wie Weihnachten. Wer von all der Festlichkeit genug hat, kann weiter getrost shoppen gehen.

(dpa/csr)
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