Schweden Marstrandsö - Die Insel der Geschichten

Für Ann Rosman ist Marstrand nicht nur ihr Sehnsuchtsort. Die kleine westschwedische Insel war mit ihrer spannenden Historie für die Autorin auch immer wieder Inspirationsquelle für ihre bislang fünf Krimis.

 Ann Rosman ist nicht nur Krimi-Autorin, sondern auch die Nachfahrin des letzten Piraten von Marstrand: Daniel Jacobsen. Er trieb im 19. Jahrhundert sein Unwesen im Hafen von Marstrand, vor dem die 43-Jährige auf dem Bild steht.

Ann Rosman ist nicht nur Krimi-Autorin, sondern auch die Nachfahrin des letzten Piraten von Marstrand: Daniel Jacobsen. Er trieb im 19. Jahrhundert sein Unwesen im Hafen von Marstrand, vor dem die 43-Jährige auf dem Bild steht.

Foto: Sascha Rettig

Als Ann Rosman eines Abends an dem leerstehenden Hotel vorbeikam, sah sie Rauch aus den alten Fenstern wabern. Ein Feuer, dachte sie. Doch da kam schon ein Feuerwehrmann aus dem über 110 Jahre alten Bau und erzählte ihr, dass es sich nur um eine Übung handelte. "Seine Männer sollten darin drei lebensgroße Puppen finden", berichtet die Krimi-Autorin, während sie vor dem ehemaligen Hotel auf der westschwedischen Insel Marstrand steht und der Seewind kühl durch die kleine Gasse fegt.

Was aber wäre, wenn die Feuerwehrleute einen Körper mehr finden würden? Eine echte Leiche? Es braucht mitunter nur eine Situation wie diese oder ein spannendes Detail, schon hat Ann Rosman diesen enthusiastischen Blick und lässt ihre Vorstellungskraft rotieren. So wie diesen bescherte die kleine Insel der 43-Jährigen bereits zahlreiche Inspirationsmomente. Mit bislang fünf Romanen hat sie sich einen Namen unter den zahlreichen schwedischen Krimi-Autoren gemacht. Darin geht ihre Göteborger Ermittlerin Karin Adler Mordfällen in der Gegenwart nach, die in einem parallelen Erzählstrang mit der Vergangenheit und der reichen Geschichte Marstrands verknüpft werden.

Die Insel war so etwas wie Rosmans Sehnsuchtsort, seit sie in ihrer Jugend mit den Eltern die Sommer hier verbrachte. Sie liebte damals die Erzählungen ihres Vaters und was er von den Fischern berichtete, mit denen er sich unterhielt - ihre Erinnerungen über Schiffswracks und Leuchttürme. Vor 15 Jahren zog sie schließlich selbst hierher: Der Liebe wegen, denn ihr Mann stammt glücklicherweise von Marstrand. Jetzt schreibt sie auf der Insel gegenüber ihre Romane und hört sich von den alten Bewohnern die Geschichten aus der Vergangenheit an.

Außerhalb der Saison kann man sich kaum vorstellen, dass es im Sommer an der kleinen Promenade vor Touristen, Ausflüglern und schwedischem Jetset nur so wimmelt und im Hafen reger Segel-Verkehr herrscht. St. Tropez des Nordens wird es daher bisweilen genannt. Jetzt aber strahlt dieses felsige Eiland wohlige Einsamkeit aus: Durch Nebel, Wind, Regen, Dunkelheit und rauem Meer bekommt die Holzhaus-Idylle eine geheimnisvolle Atmosphäre. "Ich möchte, dass der Leser mit mir durch die Straßen Marstrands läuft", sagt Rosman. "Im Winter, wenn es dunkel ist, bekommt man ein Gefühl dafür, wie die Menschen damals hier lebten."

Im heutigen Urlauberdomizil haben sich früher schließlich finstere Dinge zugetragen. Rosman zeigt während des Spaziergangs immer wieder Details und kleine Spuren in die Vergangenheit: die kleine Bibliothek des Ortes etwa. Wo sich heute Bücherregale befinden, fanden einst Hexenprozesse statt, die im Krimi "Die Tote auf dem Opferstein" eine wichtige Rolle spielen. Die Autorin berichtet von den Jahren 1775 bis 1794, als Marstrand ein Freihafen war, den sie in "Die Wächter von Marstrand" aufgreift. Zu der Zeit war die Insel zwar ein internationaler Handelsplatz, aber neben Kaufleuten auch ein Magnet für Schmuggler, Kriminelle und Freibeuter. "Es gab eigene Regeln und Gesetze und mit den Seeleuten kamen Bars und Prostitution - für die Einheimischen muss es ein Kampf der Kulturen gewesen sein." Erst 1854 starb mit Daniel Jacobson der letzte Pirat von Marstrand. Eine Ahnenforscherin fand heraus, dass Rosman über ihren Großvater mütterlicherseits eine Nachfahrin ist. "Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit?", fragt sie und lacht. "Hätte ich das in einem Krimi geschrieben, würde es niemand glauben."

Nicht nur während der Freihafen-Episode hatte der Hafen als Handelsplatz eine große Bedeutung. "Durch die Strömung war er im Winter eisfrei, hat zwei Mündungen und wird von der Insel geschützt", erklärt Rosman. Mehrfach wurde die Insel über die Jahrhunderte attackiert. Im Wasser sollen 27 Schiffwracks liegen. "Allein zwölf stammen aus der Zeit, als die Dänen 1719 angriffen." Große Teile der schwedischen Flotte lagen damals im Hafen. "Um die Schiffe nicht den Dänen zu überlassen, haben sie sie versenkt. Die Kanonen sind noch da", sagt sie und hat schon wieder diesen funkelnd-neugierigen Entdeckerblick.

Weithin sichtbar ist die Festung Carlsten, die mächtig auf der Insel thront. Sie wurde ab Mitte des 17. Jahrhunderts über 200 Jahre in harter Arbeit von Strafgefangenen errichtet. "Es war über all die Jahre aber nur eine einzige weibliche Gefangene in der Festung", sagt die Autorin. Metta Fock kam 1806 nach Marstrand und wurde beschuldigt, ihren Mann und zwei ihrer Kinder vergiftet zu haben. Über sie schrieb Rosman in "Die Gefangene von Göteborg".

Auch für künftige Romane bekommt Rosman von Marstrand noch genug Inspiration. "Vielleicht nicht genug bis ans Ende meines Lebens", sagt sie. Die Geschichten müssten schließlich stark sein. "Aber für die nächsten Bücher, ja wahrscheinlich sogar die nächsten 15, 20 Jahre, liefert mir die Insel noch genug Geschichten."

Die Redaktion wurde von Visit Sweden zu der Reise eingeladen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort