Italien Der Masken-Maestro von Venedig

Nicht nur der Karneval wurde in Venedig Ende der 1970er Jahre wiederbelebt, sondern auch das Masken-Kunsthandwerk. Gualtiero dall'Osto gehört seitdem zu den wenigen traditionellen Masken-Maestros.

In Venedig war es nicht anders als in anderen Städten von überschaubarer Größe. Jeder kannte jeden. Und jeder wusste eigentlich viel zu viel über jeden. Eine Maskierung drängte sich förmlich auf. Nicht nur im Theater oder an den Karnevalstagen, durch die die venezianischen Masken im 17., 18. Jahrhundert berühmt wurden, sondern teilweise das ganze Jahr über - beim Glücksspiel genauso wie bei geheimen Liebesgeschichten. "Man konnte die Affären ausleben und sogar mit der Geliebten ins Theater gehen, ohne öffentlich erkannt zu werden", sagt Guiliana Cendelu, die heute im Maskengeschäft "Tragicomica" steht, das sich in einer Gasse im Stadtteil Dorsoduro befindet.

"Tragicomica" gehört zu den wenigen Ateliers in Venedig, die noch auf traditionelle Weise herstellen. Die Nachfrage dafür ist immer noch da: Die Masken trägt man beim Karneval, der in diesem Jahr am 7. Februar seinen Höhepunkt erreicht. Vor allem aber sind sie das ganze Jahr über beliebte Mitbringsel für Touristen.

Vor ein paar Jahrhunderten, erzählt Cendelu, gehörten die Masken-Geschäfte zu Venedig wie die Gondeln und prächtigen Palazzi entlang des Canal Grande. Ende des 18. Jahrhunderts, als die Markusrepublik ihre Selbst-ständigkeit verlor, erlebte jedoch auch der prunkvolle Karneval seinen Niedergang - und mit ihm die Maskenmacher. Erst Ende der 1970er wurde die Tradition unter anderem vom legendären Filmregisseur Federico Fellini und dem damaligen Biennale-Leiter wiederbelebt. Damals öffnete Gualtiero dall'Osto, der sich selbst Walter nennt, auch sein "Tragicomica".

Heute stapeln sich in seinem Laden unzählige Masken. In unterschiedlichen, meist klassischen Formen blicken sie von den Wänden und hängen selbst an der Decke: Es gibt den Harlekin. La Tragica, die Traurige und La Comica, die Lachende. Und den Pestdoktor mit dem langen, spitzen Schnabel. Die Bauta-Maske wurde vor allem im 18. Jahrhundert in Gesellschaft getragen, um anonym zu bleiben. Am Kinn ragt sie nach vorn, sodass man auch damit essen und sprechen kann. Zusammen mit dem Zendale genannten Umhang und einem Dreispitzhut war man schließlich ganz verdeckt.

Die Lamoretta hingegen ist eine stumme Maske für Frauen - schwarz und innen mit einem kleinen Knauf. "Daran musste man sie mit Mund festhalten", erklärt Cendelu. "Sie wurde unter anderem von Dienerinnen benutzt, die auf dem Markt so zwar Klatsch und Tratsch hören, jedoch nichts selber erzählen konnten." Auf dem Karneval aber trugen auch Frauen sie, damit ihre Stimme nicht zu erkennen war. Die Preise für die Maske variieren heute stark. Ab ungefähr 25 Euro ist eine Bauta-Maske zu haben. Für die teuerste Maske hingegen muss man das Vierzigfache bezahlen: Der Teufel, schwarz und mit wallender Mähne, kostet um die 2000 Euro und wiegt sechs bis sieben Kilo.

Sehenswürdigkeiten in Venedig
9 Bilder

Sehenswürdigkeiten in Venedig

9 Bilder
Foto: Shutterstock.com/ canadastock

Der Masken-Maestro, der all das federführend entwirft und herstellt, ist gerade in seinem Atelier. Selbst Promis schauen dort ab und zu vorbei. Im Hintergrund hängt ein Bild von Ben Stiller mit seinen Kindern. Jetzt wird gerade ein Workshop für Touristen vorbereitet. "Bei diesen Workshops kann man fertige Masken dekorieren", sagt dall'Osto, Mitte 50 und mit grau-schwarzem Lockenkopf, bevor er die einzelnen Arbeitsschritte bei der Herstellung zeigt: Erst zeichnet er eine Skizze, dann formt er die Maske aus Ton. "Um diese Ton-Vorlage wird ein Rahmen gespannt, den ich mit Gips ausgieße", erklärt er. Wenn der Gips trocken ist, ist das Negativ fertig, mit dem schließlich die Maske aus Pappmaché hergestellt werden kann.

Zum Schluss fehlen nur noch die Dekoration und Bemalung. "Federn, Gold, Silber - die Venezianer liebten immer schon das üppige Dekor", sagt er. Dall'Osto kommt ursprünglich aus der Nähe von Vincenza und besuchte als Student in Venedig die Kunstakademie. 18 Jahre alt war er damals und wusste nichts über Masken und den venezianischen Karneval. "Das war zu der Zeit, als dieser wiederbelebt wurde - das war auch meine Initialzündung", erinnert er sich. "Ich war sofort fasziniert und habe in meinem Studium die Technik der Masken-Herstellung erlernt." Er arbeitet oft auch historische Masken nach. Dafür sucht er sich Quellen wie Malereien oder alte Stiche. "Auf diese Weise entdeckt man vieles von früher wieder."

Überhaupt nicht erfreut ist er allerdings über Masken "Made in China", die den Souvenirmarkt überspülen. "Das betrifft aber nicht nur Masken, es wird auch sonst viel zu viel Billigzeug angeboten." Er glaubt, das sei ein großer Schaden für die Stadt, weil das Kunsthandwerk so langsam verdrängt werde.

"Venedig ist wie ein Bühnenbild, das leider nicht mehr überall gefüllt ist mit qualitativen Requisiten", erklärt dall'Osto, der aber weiter formt, entwirft, dekoriert, um als einer von nicht einmal mehr einer Handvoll Maskenmachern dieses Kunsthandwerk am Leben zu halten.

Die Redaktion wurde von SKR Reisen zu der Reise eingeladen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort