Info Die kleine vergessene Schwester

Für die Mehrzahl der Mauritius-Besucher endet die Reise auf der Hauptinsel des ostafrikanischen Inselstaates. Dabei bietet die kleine Insel Rodrigues ein sehr ursprüngliches, authentisches Stück Afrika.

Ihr Revier ist 1,5 Kilometer lang, 154 Meter breit und liegt im Indischen Ozean, etwa vier Kilometer vor der Westküste der zu Mauritius gehörenden Insel Rodrigues: Michelin, Ayane und Tephene sind "Watchmen" auf der Ile aux Cocos. So heißt der malerische schmale Streifen im Meer, der von feinem Sandstrand umsäumt und mit niedrigen Kasuarina-Bäumen dicht bewachsen ist. Die Schützlinge der drei Männer sind rund 25.000 Seeschwalben, auch Noddis genannt, die in dem Naturreservoir leben. Ihnen hat die Insel auch ihren Namen zu verdanken, denn Kokospalmen, wie man vermuten könnte, gibt es hier nicht. "Ile aux Coco ist Marine-Sprache und bedeutet so viel wie ,Eier-Insel'", erklärt Ayane. "Als die Insel entdeckt wurde, lagen hier überall nur Vogeleier", fährt der 52-Jährige fort, der früher einmal zur See gefahren ist. Zwei Tage und zwei Nächte bewachen die drei Männer die Insel, die tagsüber ein beliebtes Ausflugsziel ist, dann löst das nächste Team die Watchmen ab.

Angestellt sind Ayane und seine Kollegen bei der Discovery Rodrigues Company. Das staatliche Unternehmen sorgt dafür, dass sich der Tourismus auf Rodrigues im Einklang mit der Natur entwickelt. Denn seine unberührte Flora und Fauna ist der größte Schatz, den die Insel zu bieten hat. Hierzu zählen neben der Ile aux Coco auch Höhlen wie die Caverne Patate im Westen von Rodrigues oder malerische Strände und Buchten wie Trou d'Argent im Osten. Fast wie eingerahmt ist Rodrigues von einer großen Lagune, deren Kante aus einem Korallenriff besteht. Rund um die Insel gibt es daher für Taucher vieles zu entdecken.

Rodrigues liegt etwa 660 Kilometer nordöstlich von Mauritius, ist 19 Kilometer lang und neun Kilometer breit. Die Insel vulkanischen Ursprungs ist sehr gebirgig und wirkt dadurch deutlich größer, als es die tatsächliche Fläche von 109 Quadratkilometern vermuten lässt. Rund 40.000 Menschen leben auf Rodrigues.

Gleichwohl Rodrigues finanziell gesehen am Tropf von Mauritius hängt, vom Herzen her sind die Einwohner unabhängig und stolz. Wenn etwa die hiesige Fußballmannschaft mal wieder gegen das Team aus Mauritius gewinnt, ist das ein nationaler Festtag. Sie betrachten sich als eigenständig und achten sehr darauf, dass der Einfluss von der deutlich touristischeren Hauptinsel nicht zu groß wird. "Wenn man Mauritius und Rodrigues als Familie betrachtet, ist Rodrigues die kleine vergessene Schwester", meint Maurice, ein Fischer.

Freundlich, offen und lebenslustig ist der Alltag der Menschen. Sie sind begeistert von dem, was ihre Insel zu bieten hat und freuen sich, dies Besuchern zeigen zu können. Jean-Pierre etwa arbeitet im Francois-Leguat-Reservat, das im Westen der Insel liegt und ein Abbild von dem Rodrigues vor 300 Jahren ist: eine Insel der Schildkröten. Der Geschichte nach lebten auf Rodrigues so viele, dass sie die gesamte Fläche der Insel hätten bedecken können. Mit der Kolonialisierung jedoch verschwanden die Tiere in den Kochtöpfen der Seefahrer. Auf 20 Hektar werden die Schildkröten nun ebenso wieder angesiedelt wie verschwundene Pflanzen. Besonders stolz ist Jean-Pierre auf Romeo. "Der ist 105 Jahre alt und hat die Nummer 1 hier. Insgesamt haben wir über 2400 Tiere, alle haben irgendwo eine kleine Nummer auf dem Panzer." Die Insel ist auch deswegen noch so natürlich und authentisch, weil sie es schafft, die Balance zu halten. Wer Highspeed-Internet, schnelle Autos und eine Shopping-Meile braucht, ist hier fehl am Platz. Zur Zufriedenheit der Menschen trägt auch bei, dass jeder gebürtige Rodriguese ein Anrecht auf ein Stück Land und ein Haus hat, sobald er 18 ist. Entsprechend gibt es auch keine Mietwohnungen. Die medizinische Versorgung ist ebenso frei wie die Schule. Kosten für Strom, Wasser und Steuern sind sehr überschaubar.

Bei aller Ursprünglichkeit ist Rodrigues aber auch erstaunlich gut geordnet. Der Markt der kleinen Hauptstadt Port Mathurin etwa ist sehr strukturiert, die Straßen sind gut beschildert, Bushaltestellen haben ein Wartehäuschen und an den Zebrastreifen sorgen Polizisten dafür, dass die Schulkinder sicher über die Straße kommen. "Hier wird sogar regelmäßig geblitzt", erzählt Taxifahrer Didier, gleichwohl es nicht viele Autos und auch nur zwei Tankstellen gebe.

(RP)
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