Urlaub in Deutschland Zu Besuch im mittelalterlichen Dinkelsbühl

Dinkelsbühl · Fachwerk, Heavy Metal und eine bewegte Geschichte: Dinkelsbühl ist ein kleiner Ort in Mittelfranken mit bestens erhaltenem Stadtkern aus dem Mittelalter. Für die heutige Bekanntheit der Stadt sorgte ein kleine Gruppe Maler.

Eindrücke vom mittelalterlichen Dinkelsbühl
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Vor gut 130 Jahren war Dinkelsbühl ein kleines, verschlafenes Nest in Mittelfranken. In den Ort, der zwischen Nürnberg, Würzburg und Stuttgart liegt, lockte wenig. Doch dann kamen junge Maler aus München. Die Akademie der Künste hatten sie erfolgreich absolviert. Nun waren sie in Franken mit dem Fahrrad unterwegs. Nach ihrer Rückkehr schwärmten sie in ihren Kreisen von der mittelalterlichen Stadt, die komplett erhalten war, mit einer Stadtmauer sogar.

In München hatte niemand je von dem Ort gehört - doch die Maler machten sich auf ins Abenteuer, Richtung Norden. 1889 war das, zwölf junge Männer ließen sich über den Sommer in der Provinz nieder. Ihre Malutensilien brachten sie mit und stiegen in den paar Gästezimmern ab, die es in der Gemeinde gab. Und dann malten sie: Landschaften und Gewässer, Fachwerk, Giebel und Patrizierhäuser. Sie malten, was sie sahen - und das war vielfältig.

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Foto: www.bodensee-radweg.com

"Die Stadt wurde in keinem der Kriege zerstört und nie von einem verheerenden Feuer heimgesucht, die es an anderen Orten gab", sagt Ingrid Metzner, die Leiterin des Hauses der Geschichte Dinkelsbühl. Im Gegenteil: Man war früher steinreich, im wahrsten Wortsinn. Ein wichtiger Ort. Und das hatte verschiedene Gründe.

Durch Dinkelsbühl führten im Mittelalter zwei wichtige Handelsstraßen, von der See nach Italien und von Worms über Prag nach Krakau. Schon im Jahr 928 wurde der Ort wohl das erste Mal erwähnt, urkundlich findet sich aber erst im Jahr 1188 etwas - da nämlich übergab Kaiser Friedrich Barbarossa "burgum tinkelspuhel" an seinen Sohn Konrad von Rothenburg. "Das war damals etwas mehr als der erste bestehende Bauernhof mit einer Steinmauer drumherum", sagt Robert Krauß, der die Touristen mit einer Pferdekutsche durch die kopfsteingepflasterte Innenstadt führt.

Reichtum erlangte die Stadt durch die Handwerker - vor allem die Wolltuchmacher und die Schmiede sorgten für Einnahmen. "286 000 Sensen und Sicheln haben sie in alle Welt exportiert", erzählt Krauß. Woher man das so genau weiß? Kein Stück verließ die Stadt, ohne dass Zoll dafür entrichtet wurde. "Und das wurde genauestens festgehalten."

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Foto: shutterstock/ papillondream

Man kann es sich bis heute gut vorstellen, wie es zugegangen sein muss in der Stadt an der Wörnitz, die bereits im 15. Jahrhundert ihre heutigen Ausmaße erreicht hat. Die Wehranlage steht noch komplett, 2,6 Kilometer lang ist sie und kann sowohl von außen als auch von innen umrundet werden. Nicht überall existiert der Wehrgang noch - denn auch in Dinkelsbühl gab es schlechte Zeiten. Dann wurden die Steine abgetragen und verkauft. Durch vier Tore kommt man aus allen Himmelsrichtungen in die Stadt hinein, früher waren sie gut bewacht. "Wer ein Schlitzohr war oder die Zölle nicht zahlte, den ließ man nicht hinein", sagt Museumsleiterin Metzner.

Das Münster St. Georg gehört bis heute zu den größten gotischen Hallenkirchen, die es in Süddeutschland gibt. Ganz vollendet wurde sie nie, denn auf der Rückseite der Sakristei sollte ein 100 Meter hoher Glockenturm entstehen. Dazu kam es nicht. Doch auch der jetzige, 54 Meter hohe Turm, der über 222 Stufen zu erklimmen ist, bietet eine gute Aussicht über die dicht bebaute Stadt mit ihren bunten Häusern, den einheitlich gedeckten Dächern und schmalen Straßen.

1632, so ist überliefert, stand ein schwedischer Obrist vor den Stadtmauern. "Der Schwede bedrängte die Stadt - und die Räte waren sich nicht einig, ob man kämpfen oder sich ergeben sollte." Doch die Entscheidung hing am Ende nicht von den Räten ab, sondern von ein paar Kindern, die die "Kinder-Lore" flugs eingesammelt hat. Zusammen mit ihnen stellte sich die junge Frau dem Obristen des Schwedenkönigs. Die Kinder rührten den Krieger demnach so, dass er die Stadt zwar einnahm, es aber keine Zerstörung oder Plünderung gab. Diese Geschichte, erzählt Metzner, ist zwar nicht historisch belegt - aber sie ist bis heute die Grundlage für die Kinderzeche, eines der größten Feste der Stadt.

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Foto: dpa, Waltraud Grubitzsch

Jedes Jahr wird das Ereignis nachgespielt, mehr als 1000 Dinkelsbühler sind dann auf den Beinen und spielen mit. Doch mit dem Dreißigjährigen Krieg war die wechselvolle Geschichte der Stadt noch nicht vorbei. Nach den napoleonischen Kriegen fiel die Stadt zum Kurfürstentum Bayern. 1802 war das, und nur zwei Jahre später kam sie durch einen Tauschvertrag an das preußische Fürstentum Ansbach und wiederum zwei Jahre später durch einen abermaligen Tausch an das Königreich Bayern.

Doch der idyllisch gelegene Ort an der Wörnitz kommt nicht daher wie ein großes Freilichtmuseum - die alten Häuser sind bewohnt und mit Leben gefüllt. Es gibt zahlreiche Festivals in der Stadt, neben der Kinderzeche auch das "Summer Breeze", eine Veranstaltung für Heavy-Metal-Fans. Nur wenige Geschäfte stehen leer - und die Gaststätten nicht nur am Weinmarkt sind gut gefüllt. Ein paar Brauereien und Winzer gibt es noch, wenngleich lange nicht mehr so viele wie früher. Und auch Tuchmacher und Schmiede sucht man heute vergeblich. Dafür haben neue Technologien in den Firmen ringsum Einzug gehalten, Autozulieferer und die Kunststoff-Industrie sorgen für Arbeitsplätze.

Und auch die Künstler sind noch da. Das "Weiße Ross", in dem sie vor 130 Jahren abgestiegen sind, steht noch immer und bietet Speis, Trank und Zimmer an. Am Fuß des Faulturms, eines ehemaligen Gefängnisses, hat eine Malschule ihren Sitz. Eine Künstlerkolonie ist Dinkelsbühl nicht - doch die Motive sind keine anderen als die, die die Maler am Ende des 19. Jahrhunderts anlockten. Aber heute werden sie nicht mehr in aller Ruhe auf einer Leinwand verewigt, sondern auf den Speicherkarten der Kameras und den Festplatten der Handys und Tablets.

(dpa)
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